Von ELENA FRITZ | Inmitten einer sich zuspitzenden geopolitischen Lage steht Rumänien vor einer möglicherweise historischen Entscheidung. Die erste Runde der Präsidentschaftswahlen am 25. November brachte ein überraschendes Ergebnis: Der parteilose Kandidat Calin Georgescu, einst Mitglied der rechten Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR), liegt mit 22,94 Prozent der Stimmen in Führung. Seine Konkurrentin in der Stichwahl am 8. Dezember ist Elena Lasconi, Kandidatin der liberalen Partei Union zur Rettung Rumäniens, die 19,18 Prozent der Stimmen erhielt. Marcel Ciolacu, der amtierende Premierminister und Kandidat der Sozialdemokraten, musste sich mit einem unerwarteten dritten Platz zufriedengeben und ist aus dem Rennen ausgeschieden.
Rumänien ist eine präsidentiell-parlamentarische Republik, in der der Präsident entscheidenden Einfluss auf die Außen- und Sicherheitspolitik hat. Als Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Kontrolleur der Geheimdienste spielt er eine zentrale Rolle, insbesondere in Zeiten wachsender internationaler Spannungen. Mit einer fünfjährigen Amtszeit hat der Präsident nicht die umfassenden Befugnisse eines französischen oder russischen Staatsoberhaupts, doch die Entscheidungen, die er trifft, prägen die geopolitische Ausrichtung des Landes.
NATO und die Bedeutung Rumäniens
Rumänien hat in den letzten Jahren seine strategische Rolle innerhalb der NATO stark ausgebaut. Als Grenzstaat zur Ukraine und Anrainer am Schwarzen Meer ist das Land zu einem Eckpfeiler der Allianz geworden. Zudem dient es als Stützpunkt für die Kontrolle regionaler Spannungen, sei es in Bezug auf die Türkei, die Situation in Moldawien mit Transnistrien oder den serbisch-kosovarischen Konflikt. Die Nähe zur Krim und die Positionierung als potenzieller Vorposten für eine mögliche Konfrontation mit Russland machen Rumänien geopolitisch unverzichtbar.
Ein Symbol dieser geopolitischen Strategie ist der Bau der größten NATO-Basis Europas in Mihail Kogalniceanu bei Constanta. Bis 2040 soll diese Basis, die bereits jetzt 4700 US-Soldaten beherbergt, dauerhaft 10.000 Soldaten und ihre Familien aufnehmen und zu einem vollständig autonomen NATO-Objekt werden.
Kandidat mit TikTok-Kampagne und unorthodoxen Ansichten
Georgescu, ein 62-jähriger ehemaliger Beamter mit Erfahrung in internationalen Organisationen, führte eine unkonventionelle Wahlkampagne. Ohne Wahlkampfzentrale setzte er auf TikTok, um seine Botschaften unter dem Slogan Rumänien neu gestalten zu verbreiten. Sein Erfolg ist bemerkenswert, da er nicht auf die Unterstützung einer etablierten Partei zählen kann. Nach der ersten Runde erklärte Georgescu: Wir schreiben keine Politik, wir schreiben Geschichte.
Georgescu steht für eine kritische Haltung gegenüber der NATO und der Unterstützung der Ukraine. Er bezeichnete die Ukraine als fiktiven Staat und prangerte die Stationierung des US-Raketensystems Aegis Ashore in Deveselu als Schande der Diplomatie an. Auch seine früheren Äußerungen, in denen er Wladimir Putin als Patrioten und die Beziehungen zu Russland und China als Chance für Rumänien beschrieb, haben in den Medien für Furore gesorgt. Seine Aussagen machen ihn zu einer kontroversen Figur, die jedoch den Nerv vieler Wähler getroffen zu haben scheint.
Liberale Kontrahentin ohne außenpolitische Erfahrung
Elena Lasconi, 52 Jahre alt, kommt aus einer anderen politischen Ecke. Die ehemalige Journalistin und Bürgermeisterin einer Kleinstadt setzt sich für eine verstärkte Verteidigungsbereitschaft und Unterstützung der Ukraine ein. Ihr außenpolitisches Profil ist jedoch schwach ausgeprägt, und ihre Aussagen zum Ukraine-Konflikt bleiben oberflächlich. Dennoch könnte ihre klare NATO-Treue bei internationalen Beobachtern und Teilen der rumänischen Wählerschaft punkten.
Die zweite Wahlrunde fällt zeitlich mit den Parlamentswahlen am 1. Dezember zusammen. Diese werden den zukünftigen Handlungsspielraum des neuen Präsidenten entscheidend beeinflussen. Georgescu könnte trotz seines Favoritenstatus ein König ohne Gefolge werden, da ihm die parlamentarische Unterstützung fehlt. Umfragen sehen die Sozialdemokraten bei 30 Prozent, die nationalistische AUR bei 21 Prozent und Lasconis Liberale bei 15 Prozent.
Die Aufmerksamkeit ist groß: Rumänien, das wirtschaftlich schwächste Mitglied der EU, hat durch seine geografische Lage eine Schlüsselposition im geopolitischen Machtspiel zwischen NATO, Russland und regionalen Akteuren. Ein Wahlsieg Georgescus würde eine Kehrtwende in der außenpolitischen Ausrichtung des Landes bedeuten und könnte die Einheit der NATO auf die Probe stellen. Die kommenden Wochen versprechen eine wegweisende Entscheidung für die Zukunft Rumäniens und die Stabilität in Osteuropa.
PI-NEWS-Autorin Elena Fritz, geboren am 3.10.1986, ist vor 24 Jahren als Russlanddeutsche nach Deutschland gekommen. Nach ihrem Abitur hat sie Rechtswissenschaften an der Universität Regensburg studiert und erfolgreich mit einem Diplom abgeschlossen. Seit 2018 engagiert sie sich in der AfD, war von 2019 bis 2021 im bayerischen Landesvorstand tätig und kandidierte 2021 als Direktkandidatin für den Bundestag. Sie ist stolze Mutter eines dreijährigen Jungen. Hier gehts zum Telegram-Kanal von Elena Fritz.