Horst D. Deckert

Infolge der Coronakrise explodiert der Organhandel in Indien

Das Leben ist billig in Indien. In dem Land mit über einer Milliarde Menschen, einem pro Kopf Einkommen von unter 10 Dollar pro Tag und einem noch immer kaum durchlässigen Kastensystem gibt es ein Multimillionenheer, das es sich kaum leisten kann, weiter als bis zum nächsten Tag zu denken. Der Lockdown im Land während der ersten Welle der Coronapandemie hat kaum verwunderlich zu hunderttausenden Toten geführt, denen von hier auf jetzt die Lebensgrundlage für die nächste Mahlzeit geraubt wurde. Doch die Bilanz des sozialen Kontrollmedikaments der vergangenen18 Monate fällt noch einmal erheblich verheerender aus, wenn man die fortgesetzte Stagnation auch der indischen Wirtschaft berücksichtigt. Zahllose Kleingewerbetreibende kamen mit ihren hochverzinsten Kleinkrediten so weit in Verzug, dass sie nur noch ihren Körper verkaufen können.

Menschliche Nieren mit Sonderrabatt

Wie Marianne berichtet, sind viele Inder nach eineinhalb Jahren Coronakrise mittlerweile so verzweifelt, dass sie ihre Niren für 50.000 indische Rupien verhökern. Umgerechnet sind das 566 Euro, mit denen der Durchschnittsinder vielleicht ein halbes Jahr über die Runden kommt.

Die vorliegende Geschichte um den Verkauf von Billignieren begann zwar damit, dass illegale Organhändler in einem der unzähligen Dörfer Indiens eine halben Million Rupien für jede verkaufte Nieren boten, also das zehnfache des am Ende bezahlten Preises. Wie das auf dem Schwarzmarkt aber manchmal ist, wenn keine längerfristige Geschäftsbeziehung angestrebt wird, waren die Händler jedoch schon wieder verschwunden, bevor die Opfer aus der Narkose aufgewacht waren oder mit dem Zählen des Geldes fertig waren.

Bekannt wurde der Fall, nachdem die Menschen des Dorfes zur Polizeigingen und erstellten Anzeige gegen die Diebe stellten, obwohl der Organhandel auch in Indien verboten ist (einzig im Iran ist der Handel legal). Dabei kam heraus, dass es in dem Dorf nicht nur ein Opfer gab, sondern gleich ein Dutzend, die alle in der selben Weise erst auf den Tisch gelegt wurden und dann darüber gezogen.

Moral Hazards im Organhandel

Indien ist schon lange der weltweit größte Schauplatz, an dem Organe gehandelt werden. In China mag er zwar vielleicht noch größer sein, dort allerdings werden nicht arglos-verzweifelte Dorfbewohner um ihre Organe erleichtert, sondern Regimegegner in eigens eingerichteten KZs. Höchst profitabel ist der Organhandel in beiden Ländern, da eine wachsende Nachfrage durch immer ältere und wohlhabende Menschheit auf ein relativ gesehen zunehmend knapperes Angebot treffen, da auch in Indien das Bevölkerungswachstum zurückgeht und ganz langsam Wohlstand entsteht.

Im Grunde genommen müssten diese Umstände trotz der Illegalität des Geschäfts ein gutes Zeichen für die Verkäufer sein. Denn neue Verkäufer finden sich in einem Markt mit sich verknappendem Angebot nur dann, wenn der Ruf des Chirurgen gut ist und genug Überlebende von der erfolgreichen OP erzählen können. Ebenso sollte auch auf einem Schwarzmarkt eine gewisse Qualitätsauslese existieren, wenn manche Händler ihren Lieferanten medizinisch und finanziell etwas mehr bieten als der andere. Der Markt müsste sich für die Organanbieter zunehmend verbessern, um weiterhin die Nachfrage decken zu können.

Eventuell könnte sogar der Staat heimlich leise eingreifen und wenigstens die größten Abgründe im Geschäft abstellen. Nicht unterschätzen darf man in einem finanziellen Umfeld wie dem indischen jedoch, dass die Ärmsten sehr viel schneller das Ende der finanziellen Sackgasse erreichen und sich das Leben nehmen als in wohlhabenden Gesellschaften mit institutionalisiertem Insolvenzrecht. Im Vergleich zum Suizid ist der Verkauf eines Organs trotz des rechtlichen Status moralisch noch immer die bessere Wahl. Es ist eine Gratwanderung zwischen Alternativen, die man lieber nicht hätte, die sich im größeren Bild jedoch kaum vermeiden lassen.

Dennoch könnte der indische Staat mit relativ wenigen Mitteln erfolgreich etwas gegen Exzesse im Geschäft unternehmen, ohne dabei gleichzeitig die zynische Lösung zu zerstören, die der Organhandel vielen Verzweifelten bietet. Denn für jede Transplantationen braucht es einen fähigen Chirurgen und danach spezielle Medikamente. An diesem Flaschenhals ließe sich ansetzen, um beispielsweise all jene Flickschuster aus dem Verkehr zu ziehen, deren Rezeptbestellungen für Medikamente gegen die Organabstoßung zu oft frühzeitig ausbleiben. Man könnte also durchaus, man müsste nur wollen.

Perpetuierende Katastrophenpolitik

Die indische Regierung unternimmt auch tatsächlich einiges, das schnell und wirksam das Volk erreicht. Doch wie überall auf der Welt ist es längst nicht das, was den entscheidenden positiven Unterschied machen könnte, sondern nur all jene Maßnahmen, mit denen die Politik sich selbst projizieren kann und das ungeachtet der Konsequenzen in der Realität. 200.000 tote indische Kinder, die nach Schätzungen aufgrund der Auswirkungen durch die Coronabeschränkungen ihr Leben verloren haben, sind ein Meilenstein für das Maß an Gefährlichkeit, das von der Politik ausgehen kann und hätte es verdient, auch in die Lehrbücher jenseits des Landes aufgenommen zu werden.

Auf der anderen Seite ist es nicht das erste Mal, dass Indiens Führungskaste eine Katastrophe verursacht. Bhopal wäre ein Beispiel, die Landesteilung ein anderes. Im großen Blick mit dem zehntausendfachen an Einwohnern sind 200.000 Kinderleben nicht viel. Eventuell sind einige Demografen insgeheim sogar ganz froh über die paar weniger Mäuler, die es zu stopfen gibt, da sie beim Ausfall der nächsten Mahlzeit in seltener Ausnahme für die indische Mentalität gemeinsam mit den anderen Hungrigen mit dem Revoltieren beginnen könnten. Man weiß es nicht. Wie üblich muss man bei der insgeheimen Sorte politischer Kalküle das schlimmste befürchten, vor allem da der politische Zitronenmarkt so zuverlässig bedient wird, wie sonst nur jener für Korruption.

Den Motor mit Säure betanken auf indisch

Das schlimmste für viele Inder trat nicht unmittelbar mit Beginn der allgemeinen Beschränkungen ein, zuerst wurden vor allem jene ganz unten getroffen, die den Tag über am Straßenrand ein paar Rupien verdienen, um sich am Abend eine Mahlzeit leisten können und denen es am Bewusstsein fehlt, dass mehr gehen könnte. Nicht weit über ihnen in der sozio-ökonomischen Pyramide stehen aber jene, die mit ihrem Kleingewerbe knapp mehr als die nächste Mahlzeit finanzieren können und es sogar schaffen, einen Teil ihres Umsatzes wieder zu reinvestieren. Diese unzähligen Kleingewerbetreibenden sind der eigentlich Motor Indiens, doch da es meist dennoch nicht reicht, hebeln sie ihr Geschäft mit Kleinkrediten in der Größenordnung eines Dispos für16-jährige hierzulande. Damit reicht es dann in guten Zeiten, um sich mit Arbeit rund um die Uhr in der unteren Mittelschicht halten zu können.

Über ihnen schwebt dauerhaft das Damoklesschwert einer Zinslast schwebt, die aufgrund des hohen Verwaltungskostenanteils den Zinssatz auf den deutschen Anfängerdispo um Längen schlägt. Wenige Tagen mit fehlenden Einnahmen genügen schon, um ein Fragezeichen hinter die nächste Mahlzeit zu setzen. Setzt die Wirtschaft gar für einige Wochen aus, wie es geschehen ist, kommt ein Verzug, dem ganze Staatswesen nur noch mit der Druckerpresse begegnen können.

Genauso wenig wie deutsche haben jedoch auch indische Kleingewerbetreibende keinen Zugang zu einer eigenen Druckerpresse, während sie sich gleichzeitig ohne Murren an die von ganz oben verfügten Beschränkungen zu halten haben. Inzwischen sind die Beschränkungen zwar wieder weg. Doch der Zinsverzug schlägt weiter unvermindert Löcher in auf Kante genähten Kassen der Menschen. Mit jeder neuen Unsicherheit, jeder Verzögerung auf dem Weltmarkt und jedem weiteren politisch induzierten Friktionsprozent fallen am unteren Ende fallen die Mahlzeiten knapper aus. Das geht so lange, bis es irgendwann an die Nieren geht. Buchstäblich.

Mit politischer Idiotie auf direktem Pfad in die Hölle

Infolge der Coronapandemie sind Indiens Kleingewerbler so sehr über beide Ohren in ihren Schulden versunken, dass ihnen nichts mehr anderes übrig bleibt, als für ein paar hundert Euro ihre Organe zu verscherbeln. Sie sind so verzweifelt, dass sie jegliche Vorsicht sausen lassen, sobald in den Dörfern jemand auftritt, der den Eindruck von Seriosität vermittelt und einen ordentlichen Batzen Geld auf den Tisch zu legen verspricht. Immer mehr Menschen werden in diese Verzweiflungstat getrieben, bei man nie vergessen sollte, dass es sich um den letzten Ausweg vor dem finalen Exitus handelt.

Der Artikel geht nicht darauf ein, aber ich würde mich nicht wundern, wenn auch kleine Kinder in Indien dem Zinseszins vermehrt zum Opfer fielen, so dass sich womöglich der ein oder andere indienbegeisterte Pädogrüne bei seinem nächsten Besuch auf dem Subkontinent ein ganz besonderes Geschenk machen wird. Es sind hässliche Zeiten und wie üblich trifft es nicht nur bei uns die Wehrlosesten zuerst, sondern global und vielerorts noch viel verheerender als bei uns.

Ohne die politisch ins extreme getriebene Coronakrise, ohne Klaus Schwabs Great Reset Agenda und ohne die indische Variante der politischen Idiotie, gäbe es diese Probleme sicherlich trotzdem. Aber sie würden nicht ein endemisches Maß annehmen, bei dem sogar die untere Mittelschicht mit in den Abgrund gerissen wird. Im Gegenteil sollte man erwarten, dass dank der heutigen Technologie, der globalen Vernetzung die Politik weltweit ein leichtes Spiel hätte beim Erzeugen von Wohlstand für die breite Masse. Doch da ist nichts, es wird immer schlimmer.

Auch in dieser Hinsicht bleibt am Ende die Erkenntnis, dass sich Marx Prophezeiung mit einer sich immer weiter in ein gigantisches Lumpenproletariat verwandelnden Menschheit zuverlässig erfüllt, während sich der Reichtum der Welt in den Händen weniger Superreicher konzentriert. Lediglich in einem hatte er unrecht, das an Zynismus kaum zu überbieten ist: Nicht der Kapitalismus trägt die Schuld dafür, verantwortlich ist das exakte Gegenteil davon.

Quelle Titelbild

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