Horst D. Deckert

Italien kehrt zur nuklearen Vernunft zurück. Sollten wir das nicht auch tun?*

[*Mit „wir“ sind die USA gemeint, aber natürlich sollte auch D sich angesprochen fühlen! A. d. Übers.]

Duggan Flanakin

Das italienische Parlament hat Premierministerin Giorgia Meloni sein Vertrauen ausgesprochen. Es hat in dieser Woche ihren Plan zur Wiedereinführung von Kernkraftwerken in den italienischen Energiemix formell unterstützt und damit das 1987 verhängte Moratorium für die Kernenergie aufgehoben. Unterdessen leidet das energiearme Deutschland unter der Abschaltung aller seiner 17 Kernkraftwerke.

In den USA wurden seit 2013 11 Kernreaktoren geschlossen, acht weitere der 94 verbleibenden Reaktoren sollen bis 2025 stillgelegt werden. Obwohl sich die Präsidenten Trump und Biden für eine Aufstockung des Kernenergie-Portfolios der USA ausgesprochen haben, ist der bürokratielastige Vorschriften-Dschungel in den USA nach wie vor darauf ausgelegt, die Genehmigung und den Bau von Anlagen über Jahrzehnte hinauszuzögern.

Die traurige Wahrheit ist, dass die Energiekrise unmittelbar bevorsteht – wir haben keine Jahrzehnte Zeit für politische Spielchen. Eine weitere Wahrheit ist, dass Wind- und Solarenergie das US-Netz nicht vollständig versorgen können.

Melonis Plan würde es Italien ermöglichen, bis zum Jahr 2050 bis zu 35 MW Strom aus Kernenergie zu erzeugen (wahrscheinlich aus kleinen modularen Reaktoren). Mit diesem Plan wird die Kernenergie in die Liste der kohlenstoffarmen Technologien aufgenommen, für die ein garantierter Verkauf der erzeugten Energie möglich ist. Der Schritt in Richtung Kernenergie unterstützt auch Melonis Verhandlungen über Italiens Teilnahme an Chinas „Belt and Road“-Initiative.

Der Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie macht angesichts der Abschaltung des russischen Erdgases wenig Sinn. Höhere Energiepreise und -engpässe haben viele deutsche Hersteller dazu veranlasst, ihre Produktion einzustellen oder in andere, energiefreundlichere Länder zu verlagern. Deutschland hat seit Oktober letzten Jahres ein negatives Wirtschaftswachstum.

Die deutsche Verblendung wird vielleicht am besten durch Steffi Lemke, Ministerin für Umwelt und Reaktorsicherheit, veranschaulicht, die die Abschaltung der letzten deutschen Kernkraftwerke als „exzellenten – ja, visionären – Schritt“ lobte. Im Gegensatz dazu beklagte der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck kürzlich, dass die deutsche Industrie durch die hohen Strompreise existenziell bedroht sei.

Habecks Lösungsvorschlag ist ein massives Subventionsprogramm (á la Biden), das einen festen Verbraucherpreis pro Megawattstunde bis 2030 garantieren soll – zu Lasten der Allgemeinheit in Höhe von 25 bis 30 Milliarden Euro (nicht im „Festpreis“ enthalten).

Wie der Kernenergie-Befürworter Todd Royal betont, hat der Kongress 2018 den Nuclear Energy Innovation Capabilities Act verabschiedet, der das Energieministerium verpflichtet, „einen vielseitigen schnellen Neutronentestreaktor zu entwickeln, der bei der Entwicklung von Brennstoffen und Materialien für fortschrittliche Reaktoren helfen könnte. Außerdem wurden die nationalen DOE-Laboratorien ermächtigt, Reaktortests und Demonstrationsprojekte durchzuführen.“

Der Kongress verabschiedete 2018 auch den Nuclear Energy Innovation and Modernization Act, der die Nuclear Regulatory Commission verpflichtet, „einen optionalen regulatorischen Rahmen zu entwickeln, der für fortschrittliche Nukleartechnologien geeignet ist.“ Im Februar dieses Jahres veröffentlichte die Nuclear Innovation Alliance einen Entwurf für Empfehlungen zur Beseitigung von Hindernissen bei der Genehmigung fortgeschrittener Reaktoren durch die NRC.

In dem Entwurf wird empfohlen, die personellen Kapazitäten und Fähigkeiten für die Genehmigung fortgeschrittener Reaktoren zu verstärken, nicht rechenschaftspflichtige Regulierungsprozesse und -verfahren in Bezug auf Zeitplanung, Umfang und Tiefe der Prüfung zu verbessern, Regulierungsprozesse zu entwickeln, die die Kommerzialisierung fortgeschrittener Reaktoren rationalisieren und nicht behindern, und Verfahren einzuführen, die das Verständnis der Interessengruppen und das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Regulierungsprozess stärken.

Im April brachten fünf republikanische und fünf demokratische Senatoren das überparteiliche ADVANCE-Gesetz (Accelerating Deployment of Versatile, Advanced Nuclear for Clean Energy) [ein Wortspiel. ADVANCE = Vorankommen. a. d. Übers.] ein, das sich mit Genehmigungsgebühren, Versicherungen und einer Reihe anderer Hindernisse befasst, die der Überführung geplanter Kernreaktoren vom Reißbrett in den Vollbetrieb entgegenstehen.

Heute zahlen Unternehmen, die neue Reaktoren entwickeln und verkaufen, die staatlichen Kosten von 290 Dollar pro Stunde für die Prüfung von Genehmigungsanträgen im Voraus. Die mehr als 18.000 Stunden für die Prüfung selbst kleiner Testreaktoren stellen eine enorme finanzielle Hürde dar, insbesondere für Start-ups mit innovativen Konzepten.

In dem Gesetzentwurf wird empfohlen, diese Gebühren so lange aufzuschieben, bis der Antragsteller eine Lizenz hat und Einnahmen aus dem Verkauf erzielen kann. Die NRC würde aus einem kleinen rollierenden Fonds entschädigt werden, der von der Regierung gespeist wird. Ein zweiter Vorschlag sieht eine zeitliche Obergrenze für die Prüfung eines angenommenen Antrags vor, wobei zusätzliche Stunden vom Kongress bezahlt werden sollen.

Der Gesetzentwurf sieht auch eine 20-jährige Verlängerung des Price-Anderson-Gesetzes vor, das für zivile Kraftwerke gilt und ansonsten 2025 auslaufen würde. Die Verlängerung gibt den politischen Entscheidungsträgern genügend Zeit, um das Gesetz zu überarbeiten und gleichzeitig potenziellen Investoren und Entwicklern die Gewissheit zu geben, dass die erneute Genehmigung des Gesetzes kein Hindernis für Neugründungen darstellen wird.

Die Reform der Vorschriften scheint ein heißes Thema zu sein, da Präsident Biden erst in dieser Woche einen im letzten Herbst von Senator Joe Manchin (D, WV) vorgeschlagenen Reformentwurf unterstützte, der die Genehmigungsverfahren für den Abbau kritischer Mineralien straffen und Hindernisse für erneuerbare Energien beseitigen würde.

Der Sprecher des Weißen Hauses für Energiefragen John Podesta sagte, dass die durch das derzeitige Genehmigungsverfahren verursachten Verzögerungen auf allen Regierungsebenen allgegenwärtig seien, mit dem Ergebnis, dass „wir so gut darin geworden sind, Projekte zu stoppen, dass wir vergessen haben, wie man in Amerika etwas aufbaut“.

Manchin erklärte im letzten Herbst: „Egal, was man bauen will, ob es sich um Übertragungsleitungen oder Wasserkraftwerke handelt, meistens dauert es zu lange und treibt die Kosten in die Höhe. Innerhalb von fünf bis sechs, sieben Jahren können sich die Kosten im Vergleich zu den ursprünglichen Kosten verdoppeln“.

Wenn die Reform der Regulierungsvorschriften, die sich auf Übertragungsleitungen und den Bergbau bezieht, auch auf die Kernenergie ausgedehnt wird, ist das ein gutes Zeichen für die Bemühungen um eine Wiederbelebung der in die Jahre gekommenen US-Kernenergiebranche. Die Gouverneurin von Michigan Gretchen Whitmer steht an der Spitze der Bemühungen um die Wiederinbetriebnahme eines stillgelegten Reaktors in ihrem Bundesstaat, und zwar mit Hilfe von Holtec Decommissioning International, dessen Hauptaufgabe, wie der Name schon sagt, die Stilllegung alter Anlagen ist.

Whitmer sagt nun, dass die Offenhaltung des Kernkraftwerks Palisades „für die Wettbewerbsfähigkeit Michigans und die künftigen wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten von entscheidender Bedeutung ist“. Aber der 800-MW-Reaktor, der 5 Prozent der Elektrizität Michigans lieferte, wurde von Beschwerden über schlechte Wartung geplagt, einschließlich Fällen von Schwächung des Kernbrennstoffbehälters – ernste Probleme, die seine Abschaltung Wochen früher als ursprünglich vorgesehen erzwangen.

Am anderen Ende des Spektrums hat Westinghouse gerade die Markteinführung seines AP300-Reaktors verkündet, den das Unternehmen als „das einzige modulare Kleinreaktorangebot auf dem Markt bezeichnet, das auf einer erprobten, in Betrieb befindlichen und fortschrittlichen Reaktortechnologie basiert“. CEO und Präsident Patrick Fragman ist zuversichtlich, dass der 300-MW-Reaktor, der 1 Milliarde Dollar pro Einheit kostet, bis 2027 von der NRC genehmigt werden kann.

Aus diesen Entwicklungen geht hervor, dass sich die USA eher mit der so genannten „rechten“ italienischen Regierung als mit der von der Grünen Partei geprägten deutschen Führung arrangieren – zumindest was die Kernenergie betrifft. Seit der Inbetriebnahme der U.S.S. Nautilus im Jahr 1954 werden U-Boote in den USA mit Kernenergie betrieben. Und trotz heftiger Gegen-Propaganda und mangelnder Unterstützung durch die Regierung hat die Kernenergie bis zu einem Fünftel des Stroms in den USA geliefert.

Vielleicht, nur vielleicht, wird Amerika nach siebzig Jahren Atom-U-Booten endlich glauben – wie Todd Royal glaubt – dass kohlenstofffreie Kernenergie die beste Hoffnung der Nation ist, um die wachsende Nachfrage nach Strom in den USA und den globalen Bedarf an grundlegendem Wirtschaftswachstum zu decken. Bei einem erwarteten Anstieg des weltweiten Energieverbrauchs um 50 Prozent bis zum Jahr 2050 ist es ein Hirngespinst, sich allein auf Wind- und Solarenergie (und, ja, Geothermie) zu verlassen, um diesen Bedarf zu decken.

This article originally appeared at Real Clear Energy.

Autor: Duggan Flanakin is a Senior Policy Analyst with the Committee For A Constructive Tomorrow. A former Senior Fellow with the Texas Public Policy Foundation, Mr. Flanakin authored definitive works on the creation of the Texas Commission on Environmental Quality and on environmental education in Texas. A brief history of his multifaceted career appears in his book, „Infinite Galaxies: Poems from the Dugout.“

Link: https://www.cfact.org/2023/05/18/italy-returns-to-nuclear-sanity-shouldnt-we/

Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE

 

Ähnliche Nachrichten