Horst D. Deckert

Johannesburg: Stellungnahme von Sergey Lawrow zum BRICS-Gipfel im südafrikanische Magazin Ubuntu

Der russische Außenminister, Sergey Lawrow ließ am 21. August 2023 – unmittelbar vor dem XV. BRICS Gipfel in Südafrika vom 22. bis 24.8.2023 – im südafrikanische Magazin Ubuntu seine nachstehende Stellungnahme zu den Zielen und der Agenda der BRICS-Staaten veröffentlichen:

 

BRICS: Ein Kurs für eine gerechte Weltordnung

Am Vorabend des BRICS-Gipfels möchte ich mit Ihnen, liebe Leser, meine Gedanken über die Aussichten für die Zusammenarbeit innerhalb der „Fünf“ [BRICS Staaten] im aktuellen geopolitischen Kontext teilen.

Heute finden in der Welt tektonische Verschiebungen statt. Die Möglichkeit der Hegemonie durch ein Land oder auch durch eine kleine Staatengruppe gerät aus dem Blickfeld. Das Modell internationaler Entwicklung, das auf der Ausbeutung der Ressourcen der Mehrheit der Welt basiert, um den Wohlstand der „goldenen Milliarde“ zu sichern, ist hoffnungslos veraltet. Es spiegelt nicht die Ziele der gesamten Menschheit wider.

Vor unseren Augen entsteht eine gerechtere multipolare Weltordnung. Neue Zentren des Wirtschaftswachstums und der politischen Entscheidungsfindung von globaler Bedeutung in Eurasien, im asiatisch-pazifischen Raum, im Nahen Osten, in Afrika und in Lateinamerika orientieren sich in erster Linie an den eigenen Interessen und stellen die nationale Souveränität in den Vordergrund. Auf dieser Grundlage erzielt man beeindruckende Fortschritte auf den verschiedensten Bereichen.

Die Versuche des „kollektiven Westens“, diesen Trend im Namen der Wahrung ihrer eigenen Hegemonie umzudrehen, bewirkten genau das Gegenteil.

Die Weltgemeinschaft ist die Erpressung und den Druck westlicher Eliten und ihrer kolonialen und rassistischen Gewohnheiten leid. Deshalb verringern beispielsweise nicht nur Russland, sondern auch eine Reihe anderer Länder konsequent ihre Abhängigkeit vom US-Dollar, indem sie auf alternative Zahlungssysteme und Abrechnungen in nationalen Währungen umsteigen. Hier erinnern wir uns an die weisen Worte von Nelson Mandela:

„Nachdem das Wasser einmal anfing zu kochen, wäre es absurd, dieses Momentum nicht auszunützen.“ Und das gilt!

Russland, ein Zivilisationsstaat und die größte eurasische und euro-pazifische Macht, arbeitet weiter an der Demokratisierung internationalen Zusammenlebens und der Schaffung einer Architektur zwischenstaatlicher Beziehungen, die auf den Werten gleicher und unteilbarer Sicherheit, kultureller und zivilisatorischer Vielfalt beruht und ausnahmslos allen Mitgliedern der Weltgemeinschaft gleiche Entwicklungschancen einräumt. Wie der russische Präsident Wladimir Putin in seiner Botschaft an die Bundesversammlung der Russischen Föderation am 21. Februar 2023 mitteilte:

„In der modernen Welt sollte es keine Unterteilung in so genannte ‚zivilisierte Länder‘ und alle anderen geben… Wir brauchen eine ehrliche Partnerschaft, die grundsätzlich jede Exklusivität ablehnt, insbesondere die einer aggressiven Art.“

All dies steht unserer Meinung nach im Einklang mit der Ubuntu-Philosophie, die für Verbundenheit der Völker und Menschen untereinander steht.

In diesem Zusammenhang hat sich Russland stets für eine Stärkung der Position des afrikanischen Kontinents innerhalb der multipolaren Weltordnung eingesetzt. Wir werden unsere afrikanischen Freunde weiterhin in ihren Bemühungen zur Bewältigung der zentralen Herausforderungen unserer Zeit, denen eine immer wichtigere Rolle zukommt, unterstützen. Dies gilt voll und ganz für den Prozess der Reform des UN-Sicherheitsrates, der nach unserer tiefen Überzeugung in erster Linie die legitimen Interessen der Entwicklungsländer, einschließlich Afrikas, gewährleisten sollte.

Die multilaterale Diplomatie kann sich nicht von diesen globalen Trends abkoppeln.

Die Aktivitäten einer Vereinigung wie BRICS sind Symbol für echte Multipolarität und Beispiel für ehrliche zwischenstaatliche Kommunikation. In ihrem Rahmen interagieren Staaten mit unterschiedlichen politischen Systemen, unterschiedlichen Werteplattformen und unabhängigen Außenpolitiken effektiv in verschiedenen Bereichen. Ich denke, es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die „Fünf“ [BRICS-Staaten] eine Art kooperatives „Gitternetz“ abgeben, um die traditionellen Nord-Süd- und West-Ost-Linien zu überbrücken.

In der Tat können wir unserer Öffentlichkeit etwas vorweisen: Durch gemeinsame Anstrengungen ist es den BRICS-Ländern gelungen, eine Kultur des Dialogs zu kreieren, die auf Grundsätzen der Gleichheit, Achtung der Wahl des eigenen Entwicklungsweges und Berücksichtigung der Interessen des anderen beruht. Dies hilft uns, eine gemeinsame Basis und „Lösungen“ selbst für die komplexesten Fragen zu finden.

Objektive Faktoren bestimmen den Platz und die Bedeutung der BRICS heute sowie ihr Potenzial, um die Gestaltung der globalen Agenda zu beeinflussen. Die Zahlen sprechen für sich. Die Bevölkerung der [BRICS] Union-Staaten beträgt mehr als 40 % und das Territorium umfasst mehr als ein Viertel der weltweiten Landfläche. Nach Schätzungen von Experten werden die „Fünf“ [BRICS-Staaten] im Jahr 2023 etwa 31,5 % des weltweiten BIP (gemäß Kaufkraftparität) erwirtschaften, während der Anteil der „Gruppe der Sieben“ nach einem solchem Indikator auf 30 % gesunken ist.

Heute gewinnt die strategische Partnerschaft der BRICS an Momentum. Der [BRICS] Verband selbst bietet der Welt kreative, zukunftsweisende Initiativen, die darauf abzielen, die Ziele für nachhaltige Entwicklung [SDGs oder Sustainable Development Goals] zu erreichen, Nahrungsmittel- und Energiesicherheit zu gewährleisten, ein gesundes Wachstum der Weltwirtschaft zu erzielen, Konflikte zu lösen und Klimawandel zu bekämpfen, was auch den Blickwinkel einer fairen Energiewende beinhaltet.

Zur Lösung dieser Probleme wurde ein umfassendes Bündel von Mechanismen geschaffen: Derzeit wird die Strategie der Wirtschaftspartnerschaft bis 2025 umgesetzt, in der die Leitlinien für die mittelfristige Zusammenarbeit festgelegt sind: Die BRICS-Energieforschungsplattform, die aufgrund einer russischen Initiative ins Leben gerufen wurde, ist funktionstüchtig. Das BRICS-Zentrum zur Erforschung und Entwicklung von Impfstoffen, das dazu beitragen soll, wirksame Antworten auf die Herausforderungen zum epidemischen Wohlergehen unserer Staaten zu entwickeln, hat seine Arbeit aufgenommen. Initiativen zur Beseitigung von „Unterschlupforten“ von korrupten Amtspersonen und kriminellen Vermögen wurden bewilligt. Dazu zählen auch Handel und Investitionen zur nachhaltigen Entwicklung und die Ausweitung der Zusammenarbeit für den Bereich der Logistikketten. Die BRICS-Strategie zur Ernährungssicherheit wurde angenommen.

Zu den absoluten Prioritäten gehören die Stärkung des Potenzials der neuen Entwicklungsbank, der BRICS Eventual Währungsreserve Pool [Contingent Currency Reserve Pool], die Verbesserung der Zahlungsmechanismen und die Stärkung der Rolle der nationalen Währungen zur gegenseitigen Verrechnung. Es ist geplant, diese Themen auf dem BRICS-Gipfel in Johannesburg in den Mittelpunkt zu stellen.

Unser Ziel ist es nicht, die bestehenden multilateralen Mechanismen zu ersetzen, geschweige denn ein neuer „kollektiver Hegemon“ zu werden. Im Gegenteil, die Mitglieder der „Fünf“ setzen sich konsequent für die Schaffung von Bedingungen für die Entwicklung aller Staaten ein, was die Blocklogik des „Kalten Krieges“ und auch geopolitische „Nullsummen-Spiele“ ausschließt.

BRICS ist bestrebt, integrative Lösungen auf Grundlage eines kollektiven Ansatzes anzubieten.

Auf dieser Grundlage arbeiten wir konsequent an der Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen dem [BRICS] Verband und den Staaten der Weltmehrheit. Insbesondere die Stärkung der Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern ist zu einer der Prioritäten der südafrikanischen Präsidentschaft geworden. Wir teilen diesen Ansatz voll und ganz. Wir sind bereit, einen Beitrag zur Gewährleistung des Wirtschaftswachstums auf dem Kontinent und zur Stärkung der dortigen Sicherheit zu leisten, einschließlich der Nahrungsmittelversorgung und Energiekomponenten. Die Ergebnisse des zweiten Russland-Afrika-Gipfels, der vom 27. bis 28. Juli 2023 in St. Petersburg stattfand, sind ein klarer Beweis dafür.

In diesem Zusammenhang ist es nur natürlich, dass unsere [BRICS] Vereinigung viele Gleichgesinnte auf der ganzen Welt findet.

BRICS wird als eine positive Kraft gesehen, die die Solidarität der Länder des globalen Südens und Ostens stärken und zu einer der Säulen einer neuen, gerechteren polyzentrischen Weltordnung werden kann.

Die „Fünf“ sind bereit, auf diese Anliegen einzugehen. Deshalb haben wir mit dem Erweiterungsprozess begonnen. Es ist symbolhaft, dass dieser im Jahr der südafrikanischen Präsidentschaft – einem Land, das aufgrund eines politischen Konsensbeschlusses in BRICS aufgenommen wurde – einen solches Moment aufgenommen hat.

Ich bin davon überzeugt, dass der 15. Jubiläumsgipfel ein weiterer Meilenstein in unseren strategischen Partnerschaftsbeziehungen sein kann und die wichtigsten Prioritäten für die kommenden Jahre festlegen wird. Wir schätzen die Bemühungen der südafrikanischen Präsidentschaft in diesem Bereich sehr, inklusive die Intensivierung der Arbeit zur Verbesserung der gesamten Palette von Mechanismen für das Funktionieren der [BRICS] Vereinigung sowie zur Vertiefung des Dialogs mit Drittstaaten.

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Übersetzung aus dem Englischen: UNSER MITTELEUROPA


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