Horst D. Deckert

Kanada und Rotchina: Seltsam beste Freunde (Teil 1/2)

Vor einem Monat habe ich mich in einem Beitrag über die seltsame Begebenheit einer chinesischen Militärpräsenz in Kanada ausgelassen. Der Text kam gut an, was ich auf die von mir geteilte Neugierde zurückführe, dass es sich dabei um etwas handelt, dass man überhaupt nicht erwarten würde. Einmal, weil Kanada nicht den Eindruck macht, als hätte es das Land nötig, sich an die Chinesen zu verkaufen, und dann auch, weil es strategisch so eng mit den USA verwoben ist, dass eine derartige Anbiederung an den kommunistischen Riesen kaum als möglich erscheint.

In den letzten beiden Wochen habe ich zwei weitere Puzzlestücke zu dem Thema gefunden. Sie sind so umfassend, dass sie zumindest für mich das meiste klären in Bezug auf die Frage der kanadischen Beziehungen zu Rotchina. Beide Puzzlestücke stammen mit China Uncensored aus der selben Quelle und wurden jeweils mit Cleo Paskal geführt.

Bemerkenswert ist, dass Paskal nach dem ersten Interview kurz darauf zu einem zweiten Interview eingeladen wurde, das noch einmal eingehender ausgefallen ist. Es spricht für die Überraschung, die auch die überwiegend amerikanischen Macher und Zuschauer von China Uncensored empfunden haben müssen angesichts dessen, was ihnen die bei der britischen Denkfabrik Chatham House angestellte Paskal über Kanada zu erzählen hatte. Im folgenden die Zusammenfassung des ersten Interviews.

 

Kanada mit historisch engen Beziehungen zu China – oder umgekehrt?

 

Oftmals wird Kanada übersehen als eigener Spieler auf dem globalen Schachbrett, da es quasi als ölhaltiger Wurmfortsatz der USA erachtet wird. Doch das Land ist wichtiger Teil der NATO und der G7, hat eine der größten Volkswirtschaften der Welt, derzeit knapp 40 Millionen Einwohner, und einen ambitionierten Bevölkerungsplan in Verbindung mit einer rigiden Einwanderungspolitik.

Trotz seines Anscheins betreibt das Land eindeutig seine eigene Außenpolitik und pflegt unabhängige historische Beziehungen zu anderen Ländern. Eines davon ist China, zu dem seit 1880 Kontakte bestehen, nachdem Missionare dorthin geschickt wurden, aus denen später eine enge Beziehung entstand. Dies lag vor allem auf den Kindern der Missionare, die in China aufgewachsen sind und die dortige Kultur kennen und schätzen gelernt hatten. Die Nachfahren der Missionare blieben später auch nach ihrer Rückkehr nach Kanada noch eng mit China verbunden und spielten aufgrund ihrer Weltgewandtheit fortan im diplomatischen Dienst und für den Geheimdienst eine bedeutende Rolle.

Währenddessen wurden viele der Mischkids genannten Missionarskinder in den 1930er und 1940er Jahren sukzessive von Maoisten auf deren Seite gezogen, nachdem sie zunächst Chen Kai-Shek unterstützt hatten. Nachdem die Kommunisten den Bürgerkrieg schließlich gewinnen konnten, waren es dann auch die Mischkids im Staatsapparat, die auf eine offizielle Anerkennung Rotchinas durch Kanada anstelle von Taiwan drängten. Kanada war 1970 schließlich eines der ersten westlichen Länder, die von Taiwan zu Rotchina wechselten als dem offiziell anerkannten China.

Im kanadischen Staatsapparat, lässt sich daraus schließen, gibt es seit vier Generationen eine mächtige Fraktion heimlicher maoistischer Kommunisten, die eine äußerst bedeutende Rolle in der kanadischen (Außen-)Politik spielen.

 

Pierre Trudeau – Justin Trudeaus Vater – war von Beginn an dabei

 

Kein Mischkid, aber definitiv Profiteur der engen Beziehungen war der linke Francokanadier Pierre Trudeau, der schon im Jahr 1949 unmittelbar nach Ende des Bürgerkriegs Mao besuchte und später gerne dorthin zurückkehrte. Ihm und seiner Karriere kam unter anderem entgegen, dass sich in Kanada mit Beginn des Vietnamkriegs eine antiamerikanische Stimmung verbreitete und sich die Überzeugung durchsetzte, dass Kanada einen Gegenpol zu den USA bilden sollte. Freundlich, nett, und weltrettend wollten die Kanadier sein im Gegenzug zum kriegführenden Imperium in direkter Nachbarschaft.

Als Trudeau schließlich Premierminister wurde, fanden er und seine dem linken Internationalismus zugewandten Parteifreunde eine Staatsverwaltung vor, die dank der Mischkids voll auf deren Wellenlänge lag und „zu jedem Blödsinn bereit“ war. Die gänzlich neben der Erwartung liegende Mischung aus Francokanadiern, englischen Kanadiern und chinesischen Kommunisten funktionierte auf Anhieb reibungslos.

 

Die kanadische Power Corp, ein Name mit Programm

 

Ein wichtiges Schmiermittel zwischen den ungleichen Drillingen war der wirtschaftlichen Erfolg. Hier kommt die „Power Corp“ ins Spiel, ein Mischkonzern im Besitz der Desmarais Familie aus dem französischsprachigen Quebec. Die Desmarais waren auch auf dem politischen Parkett unterwegs, sind heute noch weltweit bestens vernetzt und stellten bereits mehrere kanadische Regierungschefs.

Anstelle sich bitter zu bekriegen, sah die Desmarais Familie nach der Regierungsübernahme durch Trudeau ihre Chance und schloss sich dem impliziten Pakt an. Bereits 1978, nur zwei Jahre nach dem Tod von Mao gründete die Power Corp ihre erste Niederlassung in China. Zum Vergleich: Volkswagen, das ebenso zu den frühesten Einsteigern in das Chinageschäft nach der Öffnung des Landes gehörte, gründete erst 1984 seine erste Tochtergesellschaft auf dem chinesischen Festland.

Schnell wurde aus dieser ersten Geschäftspartnerschaft ein ganzes Bündel, an dem sich mehrere große kanadische Unternehmen beteiligten. Später wählte Rotchina denn auch Kanada das jenes Land, in dem das erste große privatwirtschaftliche Projekt aufgezogen werden sollte. Diesem folgten bald viele mehr.

 

Die Mutter aller Pfadabhängigkeiten

 

Mit dieser engen Verflechtung des politischen Establishments war es dann nur eine natürliche Folge, dass auch konservative Regierungen gute Beziehungen zu Rotchina pflegten. Sie konnten gar nicht anders und waren schnell wieder weg vom Fenster, wenn sie dem Establishment nicht gefielen. Seit dem Zweiten Weltkrieg stellte die politische Linke Kanadas unter dem Banner der Liberalen Partei insgesamt etwa 50 Jahre lang den Premierminister. Konservative Premiers kommen lediglich auf 20 Jahre mit zehn Jahren als der längsten ununterbrochenen Regierungsperiode.

Obwohl sich die konservative Politik in Kanada zunehmend über die unguten Beziehungen zu China echauffiert, kann sie kaum etwas dagegen ausrichten. Strukturell ist Kanada links und chinafreundlich. Gleichzeitigen geht eine schleichende – und eventuell vom Establishment insgeheim beförderte – Entfremdung gegenüber den USA vonstatten. Dies, obwohl die Einstellung der Durchschnittskanadier ähnlich gelagert ist wie in den gutbürgerlichen Vororten der USA.

Auch die Übermacht der vor allem mit Öl und anderen Rohstoffen, aber auch Hochtechnologie beschäftigten kanadischen Volkswirtschaft konnte bislang noch keine Erfolge bei einer Änderung der politischen Großwetterlage sorgen. Im Gegenteil, die gerade einmal mit 2 Prozent zum BIP beitragende Fraktion der Chinahandelsprofiteure sitzt so fest im Sattel, dass sie es sogar schafft, das Geschäft mit den Kohenwasserstoffen als eine von Kanadas Kernindustrien sukzessive abzuwürgen.

Mit Justin Trudeau als aktuellem Premier hat Kanada zudem einen Mann an der Spitze der Regierung, der dank seines Vaters den intensiven Kontakt nach Peking quasi mit der Muttermilch in sich aufsog. Der aktuelle Trudeau präsentiert sich zudem als einer der Helden des globalistischen Linksliberalismus und als Gegenpol zum Rechtspopulisten Trump. Sein Ruf nahm aufgrund von Heucheleien zwar einigen Schaden, jedoch kann er noch immer in der selben Weise von den tief in Kanadas Institutionen verankerten linken Strukturen und Seilschaften profitieren, wie sie der politischen Konkurrenz das Leben schwer machen. (Im Zweifel hilft ein simples Re-Branding per grau melliertem Bart.)

 

Widerstand zwecklos?

 

Die mit aller Deutlichkeit in Kanada hervortretende Affinität für das kommunistische China hat selbstverständlich auch viele Gegner. Die bedeutendsten davon sitzen vermutlich in den USA, wobei auch das eng in die NATO eingebundene kanadische Militär immer wieder indirekt durchblitzen lässt, dass es die Entwicklung nicht gutheißt.

Nachdem beispielsweise die militärische Dauerpräsenz Chinas bekannt wurde, hat Rebel Media über die Informationsfreiheitsgesetzgebung interne Regierungsunterlagen abgefragt. Die hierüber freigegebenen Dokumente waren in einer Weise geschwärzt, dass die allermeisten Textstellen noch immer lesbar waren. Die mangelhafte Schwärzung vertraulicher Informationen sorgte dafür, dass die wichtigen Stellen in Wirklichkeit sogar hervorgehoben wurden.Viele ließ das zum Schluss kommen, dass es in den sicherheitsrelevanten Kreisen Kanadas durchaus noch vehementen Widerstand gibt.

Letztlich sind die Kritiker des Status Quo jedoch so sehr in der strukturellen Minderheit, dass sie bei heißen Themen stets den Hebel über die internationale Berichterstattung benötigen. Nur dann gelingt es überhaupt, mit dem Thema die breite Öffentlichkeit zu erreichen. Da das jedoch nur selten geschieht, werden die Beziehungen zu Rotchina nur sehr selten kritisch beleuchtet.

Selbst über zwei gegenwärtig weiterhin in chinesischen Gefängnissen festgehaltenen Kanadier wird in den kanadischen Medien kaum berichtet. Diese wurden völlig ohne eigene Schuld als Racheaktion für die Festnahme einer Huawei Managerin inhaftiert, nachdem die USA ihre Auslieferung beantragt hatten.

Tatsache ist, China genießt in Kanada effektiv den Status eines Unberührbaren. Im Gegenzug wird Kanada verschont mit Kritik seitens Pekings Propagandaarmen. Das zeigt sich unter anderem an den anderen „Five Eyes“ Ländern, die regelmäßig mit Hohn und unverhohlenen Drohungen überzogen werden. Kanada stellt für China kein Problem dar, so das Fazit, was jedoch gleichzeitig impliziert, dass Kanada für seine anderen Partner ein Problem darstellen könnte.

 

Supermachtsupermarkt Kanada

 

Kanada ist flächenmäßig das sechstgrößte Land der Welt und aufgrund des Klimas größtenteils unbewohnt. In seinem Boden lagern riesige Mengen unentdeckter Rohstoffe, während jetzt schon circa ein Siebtel des kanadischen BIP über die Rohstoffgewinnung und angeschlossene Dienstleistungen erwirtschaftet wird. Die Reserven sind so groß und mannigfaltig, dass sie ein Riesenland wie China, das selbst kaum über die notwendigen Ressourcen verfügt, kaum ignorieren kann. Es ist kein Wunder, dass China heute schon wichtige Öl- und Gasfelder, Pipelines und Häfen an der Westküste des Landes betreibt.

Neben dem Interesse der Rohstoffe wegen, befinden sich die meisten der kanadischen Agglomerationen direkt in der Nähe zur US-Grenze. Dies sorgt für eine permanente Präsenz von Chinesen in unmittelbarer Nähe zum großen geostrategischen Gegner. Die kürzliche Erlaubnis durch Kanada, dass China seine Investitionen in dem Land mit einer dauerhaften Militärpräsenz absichern darf, brachte das Thema der seltsam engen chinesisch-kanadischen Beziehungen überhaupt erst in die Medien. Man muss davon ausgehen, dass die militärische „Kooperation“ schon länger zurück reicht und China in Anbetracht des winkenden Hauptpreises möglichst bald auf eine Aufstockung und langfristigen Absicherung seiner militärischen Präsenz in Kanada drängen wird.

Ein weiterer großer Anziehungspunkt ist die Nordostpassage. Noch ist sie gefroren, doch es ist nicht unmöglich, dass die Region in absehbarer Zeit schmilzt und befahrbar wird. Sie würde sich sehr schnell zu einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt entwickeln, wobei China heute schon vorbaut. So werden etwa Minen entlang der potenziellen Strecke aufgekauft, obwohl diese nicht rentabel sind. Bereits jetzt liegen die USA und Kanada im Clinch um arktische Gewässer. Bei diesen geht es nur vordergründig um den Fischreichtum. Viel bedeutender wird für die USA die Frage sein, ob die Nordostpassage irgendwann von einem Hinterhof zu einem Vorhof werden wird – oder ob sie bald zum chinesischen Hegemonialgebiet gehören könnte.

Auch die oben genannten Five Eyes sind für China eine Einladung, sich die kanadische Politik noch enger an die Seite zu holen. Es wäre eine kaum zu überbietende strategische Katastrophe, sollten die USA oder die anglophone Welt als ganzes mit Kanada aufgrund der Unterwanderung durch China brechen. Daher wird das Land noch lange Teil der Five Eyes bleiben als dem offiziell wohl mächtigsten Spionagenetzwerk der Welt. Die potenziellen Informationsgewinne über etwas zu viel indirekte Nähe zu diesen Überwachungsstrukturen sind für China von erheblichem Wert, während die Gegenseite kaum etwas dagegen ausrichten kann, außer die Five Eyes allmählich bedeutungslos werden zu lassen.

Schließlich gibt es noch den Bereich der Technologie, in dem es innovationsgetriebenen kanadischen Unternehmen nicht anders geht als ihren Gegenstücken in anderen Ländern. China saugt ab, was es kann und je besser es in der Politik vernetzt ist, je mehr seiner Experten und eigenen Technik es im Land installieren kann, desto besser läuft der heimliche Technologietransfer.

 

China hat Kanada wie eine Giftschlange paralysiert

 

Kanada ist für China ein historischer Glücksfall. Vor langer Zeit wurde es mit Glück und Geschick infiltriert und wird heute nach belieben ausgesaugt. Irgendwann wird die Hülle leer sein und steht China dann bereit als Zweitwohnsitz – oder vielleicht auch als Müllhalde, wie es Australien einst für die Briten war.

Das kanadische Volk ist zwar noch wach, muss jedoch paralysiert dabei zusehen, wie es immer mehr an Substanz verliert. Entsprechend unbeliebt ist die KP im Land – auch bei den zahlreichen Einwanderern aus China. Wer allerdings etwas dagegen sagt oder gar unternimmt, gegen den haben die kanadischen Mainstream Medien schnell ihre Allzweckwaffe parat, mit der sie sofort gegen jeden Dissens schießen.

Ja, es geht um die allzu bekannte Nazikeule. Auch das kanadische GEZ-Äquivalent CBC setzt diese in hoher Frequenz an, um den Leuten prophylaktisch klar zu machen, dass sie es erst gar nicht versuchen brauchen.

Quelle Titelbild

Ähnliche Nachrichten