Horst D. Deckert

„Klimaretter“ Vettel und das Tempolimit

Vettel beim konsequenten Einhalten des Tempolimits (Foto:Imago)

Auf der Jagd nach erstklassigen Haltungsnoten machen „Zeitgeist-Nutten“ unter Deutschlands Prominenten und Medienlieblingen vor keinem Fettnäpfchen, vor keiner Blamage halt. Jetzt spricht sich ausgerechnet Sebastian Vettel fürs Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen aus. Das ist in etwa so, als würde Mc Donald’s den Hungerstreik fürs Klima unterstützen, Attila Hildmann als Biontec-Spokesman anheuern, Carola Rakete flüchtlingspolitische Sprecherin der AfD werden oder „Papa Emeritus“ Benedikt XVI. Werbung fürs Puff machen. Man vernimmt’s mit Staunen und zerbricht sich unweigerlich den Schädel über der Frage, wie weit die Verblödung dieses Volkes inzwischen eigentlich gediehen ist.

Vettel, viermaliger Weltmeister, leistet mit seiner sinnfälligerweise zwei Tage vor dem „Großen Preis der Türkei“ am Sonntag erfolgten Parteinahme für ein generelles Tempolimit auf  deutschen Autobahnen krude Schützenhilfe für die aktuellen Ampel-Koalitionssondierungen: Das deutsche No-Limit sei für ihn, so wörtlich, ein „No-Brainer„, und eine Einschränkung der Freiheit, welche Gegner des Tempolimits immer wieder kritisieren, könne er – so zitiert ihn  „Bild“ „darin nicht erkennen„. Das sagt einer, der  durch lebenslanges hochtouriges Im-Kreis-Heizen auf Höchstgeschwindigkeit, unter sinnlosem Ausstoß von CO2 und bei Verherrlichung veralteten männlichen Draufgängertums (für die sein Sport wie kein zweiter steht) ein Vermögen von mindestens 250 Millionen Euro gemacht hat – und damit noch zu Vorbild zahlloser junger Raser geworden ist, die in Nachahmung seiner „Leistungen“ sich und andere gefährden. So jemand will die Deutschen zur Mäßigung im Straßenverkehr nötigen, auf den letzten verbliebenen Streckenabschnitten, wo sie überhaupt noch einen Resthauch von Freiheit erfahren können.

No Limit als „No-Brainer“ geschmäht

Selbst wenn man hier akkurat zwischen der Formel 1 als striktem Leistungssport und dem öffentlichen Fernverkehr trennen möchte: Vettel ist definitiv der letzte, der sich zu diesem ideologieaufgeladenen Thema zu Wort melden sollte. Denn selbst wenn irgendwann deutschlandweit auf allen Strecken, von der Spielstraße bis zur fünfspurigen Autobahn, flächendeckend Tempo 30 eingeführt wäre: Er hat auf jeden Fall seine privaten Kompensationsmöglichkeiten auf den Betonpisten dieser Welt, wo er sein Adrenalin im Geschwindigkeitsrausch in Wallung bringen und seine ganz persönliche Urschreitherapie ausleben kann, indem er hemmungslos, gegen astronomische Bezahlung das treiben darf, was er dem Pöbel (der ihn beim Rasen im TV zujubeln darf) verwehren will. Mit seiner Doppeldenk wäre Vettel ideal in der SPD aufgehoben; vermutlich aber wird man ihn dereinst eher bei den Grünen finden.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Vettel zum Liebkind des Linksstaats macht mit Äußerungen zu Themen, über die speziell er prädestiniert wäre, die Klappe zu halten: Anfang September erst sinnierte er über den Klimawandel und schwadronierte über „Nachhaltigkeit„: „Wenn wir es nicht verstehen, dann gibt es keine Zukunft!„. Na Hauptsache, er hat es verstanden… Auch beugte er stets eifrig das Knie gegen Rassismus. Regelrecht philosophisch wird er jetzt beim Thema Tempolimit: Dieses werde irgendwann „so oder so kommen„, was aber absolut okay sei, denn: „Es handelt sich nicht um eine Freiheit, sondern nur um etwas, an das sich Menschen gewöhnt haben.“ Soso. Freiheit ist also eigentlich lediglich eine Gewohnheit, die Gewöhnung an einen als Freiheit bezeichneten Zustand. Mit dieser Logik lässt sich letztlich auch das Leben in Nordkorea schönreden; und wer sich nicht bewegt, spürt auch seine Fesseln nicht.

Fetisch für Verbotsorgiasten

Das Tempolimit ist ein Fetisch für Verbotsorgiasten, sonst nichts. Es hat keine praktische Bedeutung – denn auf den wenigen Strecken, wo es überhaupt zur Anwendung kommt und nicht schon lärmschutz- oder baustellenbedingt Tempolimits bestehen, macht es keinen Sinn. Schon gar nicht nachts übrigens. Angepasstes Fahren, eigene Gefahreneinschätzung  und Eigenverantwortung haben sich auf den Autobahnen bewährt, wo es nicht umsonst die wenigsten tödlichen Unfälle gibt – und sollten nicht auch noch in diesem Bereich durch staatliche Reglementierungen ersetzt werden. Die Debatte ist ohnehin eher symbolisch; das sollte gerade Vettel wissen. Seit wann, muss man sich fragen, haben deutsche Sportgrößen eigentlich dieses penetrante Bedürfnis, sich krampfhaft weltanschauliches Profil zu verschaffen und „politisch“ zu sein? Letzte Woche war es Jürgen Klopp mit seinem buchstäblich „bekloppten“ Vergleich zwischen Alkohol am Steuer und Ablehnung der Impfung – und jetzt nervt ein mental wohlstandsverfetteter Vettel mit seiner Anbiederung an FFF und Grüne.

Der Mount Everest der Heuchelei aber liegt bei Vettel jenseits des Rennparcours: Ein Blick auf seinen Fuhrpark genügt, und man weiß, was man von diesem Dampfplauderer zu halten hat. Nach der Verkündung seines Wechsels von Ferrari zu Aston Martin postete das Team Racing Point zwei Fotos eines Aston Martin Vantage AMR vor der Fabrik in Gaydon in der englischen Grafschaft Warwickshire – es ist Vettels Privatauto, mit schlappen 314 km/h Tacho, Listenpreis ab 185.000 Euro, mit einem 100-Kilometer-Verbrauch von 18 bis 20 Litern – konservativ geschätzt. Ganz sicher fährt Vettel mit diesem nur mit 130 Sachen! Daran glauben wir fest.

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