Von Veronika Kyrylenko
Die Nationale Sicherheitskommission für aufkommende Biotechnologien (NSCEB) schlägt Alarm: Die USA drohen, im strategisch entscheidenden Bereich der Biotechnologie gegenüber China ins Hintertreffen zu geraten. In ihrem Abschlussbericht an den Kongress fordert die parteiübergreifende Kommission, besetzt mit nationalen Sicherheitsinsidern, eine umfassende nationale Strategie und ein Mindestbudget von 15 Milliarden US-Dollar über die nächsten fünf Jahre, um die Führungsrolle der USA im Bereich Biotechnologie zu sichern.
Wettlauf mit China
Der Bericht beginnt nicht mit einer Warnung, sondern mit einer Prophezeiung:
„Wir stehen am Beginn einer neuen industriellen Revolution, die davon abhängt, wie gut wir Biologie konstruieren können. Aufkommende Biotechnologie, gekoppelt mit Künstlicher Intelligenz, wird alles verändern – vom Verteidigungswesen bis zur Nahrungsversorgung und Gesundheitsfürsorge.“
Diese Vision gleicht nahezu wortwörtlich dem Bild des Weltwirtschaftsforums (WEF) von der „vierten industriellen Revolution“ – einer Zukunft, in der physische, digitale und biologische Systeme verschmelzen. Was das WEF als „neues Kapitel der menschlichen Entwicklung“ beschreibt, wird hier als Nullsummenspiel um das nationale Überleben dargestellt:
„China nutzt alle Mittel, um die USA als führende Biotechnologie-Nation abzulösen.“
Der Bericht zeigt, wie Peking massiv in Gentechnik, bionische Roboter, Mensch-Maschine-Schnittstellen und Bioproduktion investiert – auch für militärische Zwecke.
Um dem etwas entgegenzusetzen, müsse Amerika größer, schneller, intelligenter und tödlicher agieren, so die Kommission. Der Schlüssel zum Sieg liege in der Entwicklung überlegener Biotechnologien – auch zur Kriegsführung.
„Dieser Wettbewerb wird die Sicherheit der Nation, die Stärke der Wirtschaft und das Wohlergehen der Bevölkerung bestimmen.“
Was passiert, wenn die USA nicht handeln?
Die Kommission warnt vor katastrophalen Folgen, sollte Amerika den Anschluss verlieren. Vier Szenarien werden skizziert: „Attackieren“, „Zerstören“, „Aushungern“ und „Schädigen“:
- Genetisch verbesserte Soldaten mit Gehirn-Computer-Schnittstellen könnten US-Truppen ausmanövrieren, noch bevor Entscheidungen getroffen werden.
- Künstlich erzeugte Mikroben könnten Brücken und Straßen heimlich zerstören, getarnt als Unfälle.
- Gezielt eingesetzte Pflanzenkrankheiten könnten die US-Landwirtschaft lahmlegen, Supermarktregale leeren und Preise explodieren lassen.
- Und im Kriegsfall könnten die USA vom Import lebenswichtiger Medikamente (oft aus China) abgeschnitten sein – Millionen wären betroffen.
Zentrale Empfehlungen der Kommission
Die Strategie umfasst sechs Säulen, die alles von Regierungsumbau bis hin zur militärischen Integration abdecken. Ziel: totale US-Dominanz in der synthetischen Biologie.
1. Biotechnologie zur nationalen Priorität machen
Ein neues Nationales Koordinierungsbüro für Biotechnologie (NBCO) im Weißen Haus soll geschaffen werden, um alle bio-bezogenen Regierungsaktivitäten zu steuern.
„Das NBCO veröffentlicht alle fünf Jahre eine nationale Biotechnologie-Strategie und koordiniert eine ‚Whole-of-Nation-Initiative‘ für Biotech in Ernährung, Gesundheit, Wirtschaft und Sicherheit.“
Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde vergangene Woche eingebracht.
2. Markt mobilisieren
China fördert seine Biotech-Unternehmen mit Staatsmitteln. Die Kommission fordert ein amerikanisches Pendant: keine direkte Subventionierung, sondern das „Freisetzen privaten Kapitals für nationale Zwecke“.
„Der Kongress muss einen ‚Unabhängigkeits-Investmentfonds‘ schaffen, der in Start-ups mit sicherheitsrelevanter Technologie investiert.“
Zudem sollen Regulierungshürden für etablierte Produkte (z. B. mRNA-Therapien, gentechnisch veränderte Pflanzen) abgebaut und landesweite Bio-Produktionsstätten errichtet werden – durch die Ministerien für Energie und Handel.
Biotech-Infrastruktur und -Daten sollen zu „kritischer Infrastruktur“ erklärt werden. Es soll ein Verbot chinesischer Anbieter für Bundesaufträge sowie Offenlegungspflichten in globalen Lieferketten geben.
3. Biologie als Waffe
Der Bericht fordert die Integration von Biotechnologie in militärische Einsatzdoktrinen. Das Pentagon habe es versäumt, sich anzupassen.
„Der Kongress muss das Verteidigungsministerium verpflichten, Grundsätze für den ethischen Einsatz von Biotechnologie im Militär zu definieren.“
Doch Ethik ist nur der Anfang. Gefordert wird:
- Biotechnologische Produktionskapazitäten im Inland für kriegsentscheidende Materialien
- Kapitalverkehrskontrollen, um US-Gelder vom Aufbau ausländischer militärischer Biotechnologieprogramme (v. a. in China) abzuhalten
4. Strategische Überlegenheit durch Innovation
Biologische Daten werden als strategisches Gut betrachtet:
„Das Energieministerium soll ein ‚Web of Biological Data‘ (WOBD) aufbauen – eine zentrale Plattform für hochwertigen Datenzugriff.“
Ziel ist die Kontrolle und Absicherung sensibler Datenbestände gegenüber ausländischem Zugriff. Darüber hinaus sollen nationale Forschungszentren (ähnlich Wuhan) eingerichtet werden, um „große Herausforderungen“ in der Biotech zu meistern.
5. Ausbildung einer Bio-Strategen-Elite
Die Kluft zwischen Bedarf und Fähigkeiten in US-Behörden sei gefährlich groß. Gefordert wird:
„Die Personalbehörde OPM soll Biotech-Schulungen für Behördenmitarbeiter umsetzen.“
Ziel ist nicht nur die Ausbildung von Wissenschaftlern, sondern von „biologischen Strategen“, die Biotechnologie verstehen, regulieren und verteidigen können.
6. Globale Allianzen absichern
Die Kommission fordert, Biotechnologie in die internationale Diplomatie, Handelspolitik und Sicherheit zu integrieren:
„Der Kongress soll Biotechnologie in das Mandat des internationalen Innovationsfonds des Außenministeriums aufnehmen.“
Zudem wird eine engere Anbindung an NATO gefordert, die seit 2024 ebenfalls in dual-use-Biotech investiert. Ziel: ein transatlantisches Bio-Sicherheitsnetz, das Forschung, Kapital und Daten gemeinsam verwaltet.
Der Deep State wird zellulär
Die NSCEB gibt sich als parteiunabhängige Zukunftsinstanz. Doch ihre Besetzung spricht eine andere Sprache: Veteranen aus CIA, NSA, Pentagon, In-Q-Tel-Manager und Architekten der Post-9/11-Sicherheitsstruktur. Kurz: der tiefe Staat übernimmt die nächste Kontrollstufe – Biotechnologie als Überwachungs- und Machtmittel.
Mit dieser Agenda droht die Verwirklichung des Albtraums, den das WEF mit der „vierten industriellen Revolution“ skizziert – nicht durch demokratische Prozesse, sondern durch die Verschmelzung von Sicherheitsapparat, Big Tech und Bioengineering.
Der einzig sichere Weg sei daher nicht, blindlings in diesen Bio-Militärkomplex zu marschieren, sondern:
„Zurück zu den Prinzipien der republikanischen Selbstbeschränkung – und zu einer Außenpolitik, die Rüstungswettläufe überflüssig macht.“