Horst D. Deckert

Leben im Polizeistaat: SEK stürmte falsche Wohnung und attackierte Uni-Dozenten

Eigentlich wollte das Bielefelder SEK einen Hells-Angels-Rocker in seiner Wohnung “besuchen”, doch leider irrte man sich in der Tür. In der Folge gingen die Beamten auf einen Uni-Dozenten los und hielten dessen Ehefrau eine Waffe an den Kopf. Das kommt in Nordrhein-Westfalen häufiger vor, wie jüngst eine Kleine Anfrage ans Licht brachte.

Der Vorfall ereignete sich bereits am 26. Juli 2023: Die Polizei Bielefeld führte Durchsuchungsmaßnahmen im “Rockermilieu” durch und stürmte dabei die falsche Wohnung. In einer Pressemitteilung war damals zu lesen:

Bei dem Einsatz in mehreren Objekten in der Bielefelder Innenstadt war nicht auszuschließen, dass die Tatverdächtigen, gegen die sich der Einsatz richtete, im Besitz von Waffen sind. Daher setzte die Polizei Spezialeinsatzkräfte ein. Die Maßnahmen hatten das Ziel, in einem Verfahren wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung Beweismittel aufzufinden und drei Haftbefehle zu vollstrecken. In einem Objekt an der Straße Am Grünen Winkel öffnete die Polizei irrtümlich eine falsche Wohnung. Dabei wurde der 35-jährige Wohnungsinhaber leicht verletzt und vorsorglich zusammen mit seiner ebenfalls in der Wohnung anwesenden 34-jährigen Ehefrau in ein Krankhaus gebracht.

Opfer dieses Irrtums wurde ein Akademiker-Paar: Die Beamten attackierten einen Neurowissenschaftler, der als Dozent an der Universität Bielefeld tätig ist. Der “Bild” gegenüber schildert der gebürtige Iraner die folgenschwere Nacht: “Es gab eine ohrenbetäubende Explosion. Als ich aufstand, erkannte ich hinter der Milchglastür unseres Schlafzimmers bewaffnete, maskierte Männer. Ich wusste nicht, wer die sind. Ich dachte: Jetzt sterbe ich.” Nur Sekunden später zerstörten die Beamten die Glastür. „Sie stürmten auf mich zu, warfen mich auf das Bett, das unter mir zerbrach. Dann schlugen sie mir unzählige Male ins Gesicht.“

Dann sei er mit Kabelbindern gefesselt worden. Seiner Ehefrau habe man eine Pistole an den Kopf gehalten. Auf die Frage, wer sie seien, gaben die Männer an, dass sie das später erklären würden. Als endlich die Personalien des Paares überprüft wurden und der Neurowissenschaftler seinen Namen nannte, bemerkte man den Irrtum.

In der Pressemitteilung vom August 2023 beteuerte man: “Die Polizei Bielefeld bedauert es sehr, dass bei einem Polizeieinsatz ein Unbeteiligter verletzt wurde.” Die Polizeipräsidentin habe sich persönlich im Krankenhaus bei den Betroffenen entschuldigt und man habe ihnen “Hilfs- und Opferschutzangebote” unterbreitet. Wegen des Vorwurfs der unverhältnismäßigen Gewalt habe man ein Strafverfahren zur Prüfung eingeleitet.

Dem Wissenschaftler zufolge hatten Beamte ihm noch das Blut aus dem Gesicht gewischt und überprüft, ob Zähne ausgeschlagen worden waren – dann seien sie verschwunden. Die Polizei zahlte Hotelübernachtungen und das zerstörte Inventar des Paares, doch sonst sei nichts geschehen, kritisiert der Dozent. Bis heute könne das Paar nur noch mit Licht einschlafen. Seine Ehefrau leide psychisch, er selbst soll noch immer unter Schmerzen leiden.

Im Februar war gerade erst publik geworden, dass der Polizei in Nordrhein-Westfalen öfter derartige Patzer unterlaufen: Seit Dezember 2019 seien in 17 Fällen “Wohnungen von Unbeteiligten betreten” worden. Das erbrachte eine Anfrage der FDP. Die CDU im Landtag sieht hier aber kein Problem: Die Zahl wäre doch “äußerst gering”. Der WDR berichtete in diesem Kontext von einer Wohnungsdurchsuchung durch ein SEK in Monheim, bei der ebenfalls ein vermeintlicher Tatverdächtiger durch Beamte verletzt wurde. Offenbar lagen diesem Angriff falsche Hinweise zugrunde.

Im besten Deutschland muss man offenbar nicht nur befürchten, wegen eines Memes von der Polizei besucht zu werden: SEK-Beamte könnten auch des Nachts die Wohnung stürmen, weil sie sich in der Tür geirrt haben oder falschen Hinweisen gefolgt sind. Da fühlt man sich doch gleich noch sicherer, nicht?

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