Kanzleramt traf nur Verbände der Gas- und Wasserstofflobby
Am Freitag wird im Bundestag die Novellierung des Heizungsgesetzes (Gebäudeenergiegesetz, GEG) beschlossen. Wir haben gemeinsam mit FragDenStaat die Lobbytreffen zu dem Gesetz ausgewertet.
In den vergangenen Monaten hat rund um das Gesetz eine massive Lobbykampagne stattgefunden. Dabei haben die Beteiligten das ambitionierte Heizungsgesetz so entkernt, dass der Ausstieg aus dem klimaschädlichen und fossilen Heizen nun voraussichtlich weit nach hinten geschoben wird. Für Verbraucher:innen ist es keine gute Nachricht, dass sie nun länger Gasheizungen einbauen dürfen – denn der fossile Brennstoff wird absehbar immer teurer werden. Jetzt noch in eine neue Gasheizung zu investieren, könnte sich als Fehlinvestition erweisen. Wir haben bereits im Juli aufgezeigt, dass es zahlreiche Kräfte gibt, in deren Interesse es liegt, eine ambitionierte Wärmewende in den Heizungskellern auszubremsen. Vieles, was hinter den Kulissen passiert ist, können wir nicht sehen. Unsere Auswertung der Lobbytreffen zum Heizungsgesetz zeigt aber jetzt, dass bei den offiziellen Lobbytreffen die Gas- und Immobilienlobby die Nase bei den Lobbytreffen vorn hatten. Mit dem Verband der Kommunalen Unternehmen (VKU) hatte dabei ein Verband die meisten Lobbytreffen, dessen rückwärtsgewandte Lobbypositionen selbst bei seinen Mitgliedern umstritten sind.
Wer traf wen zum Heizungsgesetz?
Um herauszufinden, wer Einfluss auf das Gesetz genommen hat, wollten wir wissen: Welche offiziellen Treffen gab es dazu zwischen der Bundesregierung und Interessenvertreter:innen? Wer hat sich bei der Bundesregierung für oder gegen das Gesetz stark gemacht, und bei wem genau?
Diese Informationen sind in Deutschland nicht öffentlich – doch man kann sie bei der Bundesregierung erfragen.
Das hat die Organisation FragDenStaat gemacht und wir haben nun die Antwort zu Lobbytreffen zum GEG und zur kommunalen Wäremeplanung ausgewertet.
Gefragt hat FragDenStaat nach allen Lobbytreffen zur Gesetzgebung rund ums Heizen ab Anfang 2022. Dabei haben wir auch das Gesetz über die kommunale Wärmeplanung mit aufgenommen, weil beide Gesetze in einem direkten Zusammenhang stehen.
Insgesamt gab es 53 Treffen zwischen Lobbyakteuren und den Spitzen der beteiligten Bundesministerien: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) sowie dem Bundeskanzleramt. Die Frage bezog sich dabei auf alle Treffen mit dem Kanzler, den Minister:innen sowie Staatssekretär:innen und Abteilungsleiter:innen.
Die Politik hat sich aber mit weit mehr als mit 53 Organisationen getroffen – viele Treffen fanden auch in größeren Runden mit mehreren Interessenvertreter:innen statt. Zählt man jeden Lobbyakteur einzeln, haben sich die genannten politischen Akteure insgesamt 116 mal mit einem solchen getroffen, mit einigen allerdings mehrfach.
Die 10 Akteure mit den meisten Treffen:
Die Grafik zeigt, welche Akteure die meisten Treffen hatten: Insgesamt gab es die meisten Treffen mit Vertreter:innen der kommunalen Spitzenverbände – zu diesen zählen der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) – und mit der Interessenvertretung der Stadtwerke – dem Verband der Kommunalen Unternehmen (VKU): So lassen sich die Akteure von Platz 1-3 zusammenfassen, die insgesamt 33 Treffen hatten. Akteure 4, 5 und 6 – der Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer Haus & Grund, der Spitzenverband der deutschen Immobilienwirtschaft Zentraler Immobilienausschuss (ZIA) und der Bundesverband Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) lassen sich zur Immobilienlobby zusammenfassen. Diese hatte immerhin 14 Treffen. Haus & Grund fällt dabei mit besonders vielen Einzeltreffen auf, vier von sechs Treffen fanden ohne weitere Verbände statt. Der BDEW hat von vier Treffen insgesamt immerhin zweimal alleine Ministerin Geywitz und einmal den Chef des Bundeskanzleramts Wolfgang Schmidt getroffen. Zum Schluss folgen der Bundesverband der Erneuerbaren Energien und der Deutsche Naturschutzring (DNR) mit jeweils drei Treffen, alle davon im Rahmen von Treffen mit einer größeren Anzahl von Verbänden. Alle weiteren Organisationen hatten nur zwei oder weniger Treffen, dazu zählen z.B. der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie, der Zentralverband des deutschen Baugewerbes oder weitere Umweltverbände.
Insgesamt lässt sich damit feststellen, dass bei den offiziellen Lobbytreffen die Akteure die besten Zugänge hatten, die sich für ein späteres Ende für fossile Heizungen stark gemacht haben: Dies gilt nicht nur für die kommunalen Spitzenverbände und den BDEW, sondern auch für die Immobilienlobby: Allen voran der Eigentümerverband Haus & Grund hat in der Bild-Zeitung in Person des Verbandspräsidenten Kai Warnecke massiv gegen das Gesetz mobil gemacht und gefordert, den Einbau von Gasheizungen weiter zu erlauben. Da überrascht es nicht, dass er zugleich auch Mitglied im Beirat des Gaslobbyverbands Zukunft Gas ist.
Niemand hatte so viele Lobbytreffen wie der VKU
Der VKU sticht heraus: Er hatte mit 13 Lobbytreffen nicht nur die meisten Treffen, sie waren auch ziemlich hochrangig angesiedelt: allein zwei davon fanden im Bundeskanzleramt statt, mit Scholz’ obersten Beamten Kanzerlamtschef Wolfgang Schmidt bzw. Staatssekretär Jörg Kukies. Drei weitere Treffen hatte der VKU mit Bauministerin Klara Geywitz und drei mit Wirtschaftsminister Robert Habeck. Auch hatte der Verband mit neun Treffen besonders viele Einzeltreffen.
Es ist natürlich grundsätzlich sinnvoll, sich zur Wärmewende, die auf kommunaler Ebene stattfinden muss, besonders viel mit den Vertreter:innen der Kommunen und der Stadtwerke zu treffen. In der Frage zur Zukunft des Heizens hat sich der VKU allerdings sehr klar positioniert. Er hat – wie aus seinen Pressestatements und Stellungnahmen zu erkennen ist – Lobbyarbeit dafür betrieben, dass Gasheizungen noch bis 31. Dezember 2044 laufen dürfen und die Anforderungen für das Heizen mit Wasserstoff gelockert werden.
Umstrittene Lobbypositionen
Diese Lobbyarbeit ist aber verbandsintern durchaus umstritten. Zwar vertritt der VKU damit die Wünsche zahlreicher Stadtwerke, die sich vor große Herausforderungen gestellt sehen, wenn ihnen die Einnahmen aus den Gasverteilnetzen verloren gehen – und diese deshalb gerne noch so lange wie möglich herauszögern wollen. Für sie erscheint die Lösung, dass durch die Gasverteilnetze zukünftig einfach Wasserstoff fließt, auf den ersten Blick als sehr einfacher Weg, ihre Einnahmen zu behalten. Die meisten Expert:innen warnen aber, dass Wasserstoff zu teuer und ineffizient zum Heizen ist und nicht in ausreichenden Mengen verfügbar sein wird. Viele Stadtwerke haben das inzwischen auch begriffen und sehen keine Zukunft im Heizen mit Gas und Wasserstoff. So haben 25 Stadtwerke, die bis vor Kurzem Mitglied im Gaslobbyverband Zukunft Gas waren, diesen inzwischen verlassen. Sie erklären beispielsweise, dass ihr Betrieb keinen „Glauben mehr an Zukunft Erdgas“ habe und es bei ihnen „im Neubau […] keine Anfrage mehr zu einem Netzanschluss Gas“ gegeben habe (Stadtwerke Nortorf bei FragDenStaat). Der VKU muss seine Haltung zum Thema Zukunft des Heizens dringend neu mit seinen Mitgliedern – den Stadtwerken – diskutieren und seine Position zukunftsfähig machen. Eine gute Gelegenheit dafür könnte der VKU-Kongress Ende September in Köln sein.
Kanzleramt traf zum Gesetz nur Akteure der Gaslobby
Interessant ist auch ein Blick auf die Treffen im Bundeskanzleramt vor allem zum Ende der Beratungen hin: Zwischen Anfang und Mitte Juni verhandelten die Ampel-Fraktionen im Bundestag über das Gesetz und konnten sich nicht einigen, so dass sich schließlich Bundeskanzler Scholz, Vizekanzler Habeck und Finanzminister Lindner einschalten mussten. Am 13. Juni verkündeten sie die Einigung, die eine deutliche Verwässerung des Heizungsgesetzes darstellte: Damit fiel das Verbot für den Einbau neuer Gasheizungen ab 2024. Es gilt erst, wenn 2028 die kommunale Wärmeplanung fertig gestellt ist. Und auch dann dürfen so genannte H2-ready-Heizungen weiter eingebaut werden, wenn das zuständige Stadtwerk einen Transformationsplan für Wasserstoffnetze vorlegen kann.
Zwischen Anfang und Mitte Juni hatten gleich drei Lobbyverbände Termine im Kanzleramt, die sich mit aller Macht für das Heizen mit Wasserstoff einsetzen. Am 2.6. tauschte sich Staatssekretär Jörg Kukies mit dem Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Verbands für das Gas- und Wasserfach (DVGW) zum GEG aus. Am 5.6. gab es einen Austausch mit dem gleichen Thema zwischen der Präsidentin und der Hauptgeschäftsführerin vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt. Und am 9.6. tauschten sich der Präsident des VKU Ingbert Liebig und ein hochrangiger Mitarbeiter mit Staatssekretär Kukies über Gasverteilnetze und Wasserstoffinfrastruktur aus. Die drei Verbände arbeiten seit Langem intensiv daran, über so genannten „klimaneutralen Wasserstoff“ das Geschäft mit dem fossilen Gas noch so lange wie möglich zu verlängern – wir haben sie bereits in unserer Studie „Pipelines in die Politik – die Macht der Gaslobby in Deutschland“ vorgestellt. Sie tun dies auch immer wieder gemeinsam: Im Mai 2023 stellten BDEW und DVGW in einer Kooperation mit dem PR-Verband der Gasindustrie Zukunft Gas den „Transformationsplan für die neuen Gase“ vor, in dem sie dafür werben, dass Wasserstoff eine Zukunftstechnologie sei, die fossiles Erdgas klimafreundlich ersetzen könne. Die dabei genutzten Studien wurden in erster Linie von der Gasindustrie in Auftrag gegeben. (Mehr dazu in unserem Blog-Artikel „Wie die Gaslobby das Heizungsgesetz entkernt hat“). VKU und DVGW betreiben gemeinsam die Lobby-Plattform H2vorOrt, die sich ebenfalls dafür stark macht, das Heizen mit Wasserstoff im Heizungsgesetz zu verankern.
Fazit: Einseitiger Informationsprozess
Dass das Bundeskanzleramt kurz vor der Einigung über das GEG nur mit diesen drei Organisationen gesprochen hat, steht für einen sehr einseitigen Informationsprozess. Expert:innen, aus Umweltorganisationen oder Wissenschaft, die z.B. eine kritische Haltung zum Thema Heizen mit Wasserstoff einnehmen, wurden im Kanzleramt gar nicht gehört. Einen ausgewogenen Rat konnten die Beamten dem Bundeskanzler für die Verhandlungen mit Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner auf Grundlage dieser Treffen nicht mitgeben. Natürlich sind diese Lobbytreffen nur ein Aspekt der Debatte um das Heizungsgesetz, die gesamte Kampagne wie der Druck durch Medien wie die Bild-Zeitung und die FDP dürften wohl auch eine zentrale Rolle gespielt haben. Dennoch wäre gerade für das Kanzleramt eine ausgewogenere Auswahl an Interessenvertreter:innen bei so einer zentralen Debatte mehr als angemessen gewesen.
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