Horst D. Deckert

Mal Kurz für den Kanzler ausreiten: Miese Krone-Hetze gegen Opposition

Das mit Millioneninseraten gefütterte, reichweitenstärkste Medium des Landes stellt sich nicht nur vollumfänglich hinter einen angeschlagenen Kaiser. Nein, es vernadert auch noch jeden, der ihm und den Seinen zu nahe kommt. Nachdem zuerst jeglicher gute Geschmack verlustig ging, ist mittlerweile jede Scham abhanden gekommen. Die „Krone“ verhält sich parteiischer als jedes Parteimedium und polemischer als die meisten Hetz-Blätter in – nennen wir es einmal illiberalen Demokratien. Es ist ein düsteres Sittenbild.

Kommentar von Alfons Kluibenschädl

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Die Kurz-Partie versinkt immer tiefer im Sumpf. Neben der behäbigen und unbeliebten Knallhart-Corona-Politik, mit der man unsere Wirtschaft und unser Land beinahe völlig an die Wand fuhr, sind es auch Korruptionsvorwürfe, die immer wiederkehren. Und die ÖVP kümmert sich auch gar nicht mehr um die Optik – sie lebt nach dem Prinzip „ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“. Niederlagen vor Gericht werden in heroische Siege, Ermittlungen der Justiz in Schmutzkübel-Kampagnen umgedeutet.

Kein Märchen zu dreist: Kurz-Partie wird gedeckt

Brüche der Verfassung sind an der Tagesordnung, dazwischen kommen ein paar Blendgranaten. Eine Ermittlung gegen einen Minister ist ja auch noch lange kein Rücktrittsgrund, und wieso sollte man den Untersuchungsausschuss denn überhaupt verlängern, wenn die blöde Opposition zu deppert ist, in sechs Wochen 30 Kisten durchzuackern, die Blümel zwei ganze Monate entgegen einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs zurückhielt? Welche neuen Erkenntnisse denn?

Und egal ob es sich um die Abschaffung der Wahrheitspflicht in selbigem Ausschuss handelt oder lächerliche Erklärungsversuche, die das Saubermann-Image zumindest im Ansatz verteidigen sollen: es gibt eine Konstante. Durch alle Razzien bei türkisen Ministern und alle Winkelzüge, mit denen der Parlamentarismus verachtet wird, ja bis hin zur ständigen Kriminalisierungen von Regierungskritikern: eine Zeitung ist an ihrer Seite. Die Rede ist von der „Krone“, die sich jahrzehntelang als Stimme des Volkes verstand.

Das Volk ist ihr aber längst lästig geworden, es gilt nur mehr das, was die Türkisen sich vorstellen. Wer zahlt, der schafft an. Zur Not wird dann schon einmal etwas Zahlenmagie bei den Inzidenzen verwendet, um zu behaupten, dass blaue Gemeinden und Bezirke viel schlechtere Corona-Zahlen hätten als türkis-schwarze. Wenn der Innenminister oder der Generalsekretär dann wieder einmal einen Sturm auf die Parteizentrale, auf die Parlamentsbaustelle oder ein Versicherungsgebäude erfinden: Die „Krone“ übernimmt den türkisen Spin immer und kommt er noch so offensichtlich aus den Memoiren eines gewissen Barons von Münchhausen. Die Enten, mit denen Kurz durchs Land jettet, sind gedruckter Natur.

Widerlicher Hetzartikel gegen gesamte Opposition

Bei den aktuellen Aufregern war es nicht anders. Beim einen – nämlich der Diskussion um allfällige Neuwahlen – rückte sogar der Wien-Ressortchef Michael Pommer persönlich aus und ließ gegen die Parteien in der Opposition vom Stapel. Komplett schamlos nennt er FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl einen „pferdebesessenen Sektenführer“, der „Anhänger von Verschwörungstheorien“ um sich schare, denen „die Eisfestung in Neuschwabenland zu weit weg ist.“ Dass die Freiheitlichen gegen einen Impfzwang sind, legt man ihnen auch übel aus. Hier unterstellt Pommer den Blauen einfach einmal pauschal eine Nähe zu illegalen Drogen, um ihre Einwände gegen das „3G-Regime“ beiseite zu schaffen.

Aber auch die anderen Parteien der Opposition kommen nicht gut weg. Über Ex-Kurier Chef Helmut Brandstätter, nun für die NEOS im Parlament, schreibt er, dass jener „nach einem Abendessen mit dem Bundeskanzler schwer traumatisiert“ sei und seither „manisch Selbsthilfebücher“ schreibe, mit denen er „sein Arbeitszimmer für Bekennervideos tapeziert“. Er pathologisiert also einfach einmal den politischen Gegner der Regierung. Und bei SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kritisiert er, dass diese noch bei oe24TV – also der Konkurrenz – auftrete, obwohl es doch dubiose Vorwürfe der Belästigung gegen diese gebe, erhoben von einer aktuellen Krone-Moderatorin. Mit anderen Medien als dem ORF oder der Krone sprechen? Das ist doch unerhört!

Journalistisches Ethos wurde meilenweit verfehlt

Mit Journalismus hat so ein Hetzstück nur am Rande etwas zu tun. Seit ich ein kleiner Bub war, faszinierte mich die Arbeit mutiger Journalisten, welche die Welt für waghalsige Reportagen bereisen. In der Unterstufe fesselte mich dann die Kunst der schonungslosen politischen Berichterstattung, die den Mächtigen auf den Zahn fühlt. Als Jugendlicher fiel mir erstmals die weitgehende Meinungsmache auf, mit der unliebsame Akteure angepatzt werden können.

Aber ich musste mich erst als Erwachsener mit dem polit-medialen Betrieb beschäftigen, ehe mir bewusst wurde, mit welcher infamen Schlagseite jedes Berufsethos über Bord geworfen wird. Und so dürfte es vielen Bürgern gehen und das nicht erst seit dem unfassbar infamen Pommer-Kommentar. Und ich will ja nicht sagen, dass ich eine Insel bin. Es ist gänzlich unmöglich, keine Stellung zu aktuellen Themen zu beziehen, das ist der Sinn eines Meinungsstückes. Meine sind ja selber oft ziemlich gepfeffert. Wie Pommer eine Kolumne als Tarnumhang für eine Tirade bar jedes journalistischen Anstandes zu missbrauchen, ist hingegen nicht der Sinn eines Meinungsartikels.

Razzia bei Wut-Postern als neue Blendgranate

Aber es wären nicht die ÖVP und die Krone, wenn es nicht zeitgleich einen weiteren Skandal gäbe. Nach Razzien bei ein paar Leuten, die in regierungskritischen Telegram-Gruppen idiotische Sachen schrieben, konnte man als Krone-Leser glauben, der dritte Weltkrieg stünde bevor. „Schlag gegen Radikale: Corona-Leugner planten Terror-Krieg gegen Polizei“. Dass schon die Frage-Stunde der Journalisten an Nehammer entlarvte, dass gerade einmal drei legale Feuerwaffen, aber keinerlei Explosiva oder ähnlich belastendes gefunden wurden, kommt im Krone-Text schlichtweg nicht vor, der skurrilerweise mit den Worten beginnt: „Es klingt wie das Drehbuch zu einem Film“.

Im Originaltext: „Eine bewaffnete Untergrund-Miliz von Corona-Leugnern plante offenbar mitten in Österreich einen Terror-Krieg gegen die Polizei! Mit Splitterbomben, Molotowcocktails und Schusswaffen. Die Demo-Verschwörer verabredeten sich auf dem Internet-Kanal Telegram. Bei Razzien des Geheimdienstes wurden unter anderem Helme, Schutzwesten und Tausende Schuss Munition sichergestellt  […]  Bei sieben Hausdurchsuchungen konnten [..] sowie paramilitärische Ausrüstung wie Schutzwesten, Helme oder Funkgeräte sichergestellt werden.“ Herr im Himmel hilf, Funkgeräte!

Ein Film, den Kurz, Nehammer & die Krone drehen…?

Ja, es hört sich wirklich an wie ein Drehbuch zu einem Film. Nämlich einen, den die ÖVP und ihr Haus- und Hofblatt sich zusammenspinnen. Zumal Letzteres sogar noch das absurde Kunststück vollbringt, das Pfeifkonzert bei Kurz‘ PR-Schlemmerei im Wiener Prater mit in den Artikel zu quetschen. Ich meine, hallo? Der Gottkanzler hat ein Recht auf sein Schnitzel! Keine Frage, wenn Menschen eine öffentliche Chatgruppe mit ihrem Stammtisch verwechseln und ihre Zunge nicht im Zaum halten, ist das idiotisch und mein Mitleid mit diesen Personen eher bescheiden. Aber ein bisserl darf man die Kirche schon im Dorf lassen.

Denn einen „Terror-Krieg“ gibt das nicht her – erst recht nicht vor dem Hintergrund, dass es genau Nehammer war, dessen Ministerium vor weniger als einem Jahr einfach seelenruhig zusah, wie ein verurteilter Islamist versuchte, im Ausland Munition zu kaufen und diesen auch absolut nicht am Schirm hatte, bevor der „Gotteskrieger“ im November in Wien um sich ballerte und vier unschuldige Menschen tötete, deren Familien übrigens immer noch auf eine angemessene Entschädigung der öffentlichen Hand warten.

„Der Balkan“ beginnt in der Krone-Redaktion

Eine Kanzlerpartei mit einem originellen Zugang zur Wahrheit und zum politischen Anstand – und ein mit Inseraten und anderen Werbeschaltungen gefügig gemachtes Käseblatt: Wenn dies in irgendeinem osteuropäischen Land passieren würde, wäre die Empörung längst groß und man würde mit der Moralkeule betonen, warum so etwas nicht gehe. In Österreich ist das Geschmäckle längst fester Beigeschmack – und das größte Medium des Landes ist die Speerspitze dieses Schweinejournalismus. Am sprichwörtlichen „Balkan“ gölte das eher als sittenwidrig.

Mediale Vielfalt ist wichtig – auch wegen solcher Tiraden

Für mich sind solche Erlebnisse immer eine Bestätigung für die Entscheidung, meine Affinität zur geschriebenen Sprache zum Beruf gemacht zu haben. Seit meinem Studium träumte ich davon, mit all den medialen Verdrehungen aufzuräumen. Ich malte mir aus, für ein freies und alternatives Medium zu schreiben und den Lügen und Halbwahrheiten des Mainstreams etwas entgegen zu setzen; ja, die Lücken in der herkömmlichen Berichterstattung zu schließen. Den Menschen eine Stimme zu geben, welche die Systempresse mundtot machen will.

Sich nicht für den Bestbietenden zu „prostituieren“ sollte eigentlich das Ethos eines jeden Journalisten sein. Außer natürlich, man möchte Strache so etwas wie eine späte Gerechtigkeit für seinen saloppen medienkritischen Satz auf Ibiza erteilen. Aber wir nehmen die enttäuschten Leser gekaufter Medien gerne – und sie kommen in Scharen. Denn wir schreiben, das was andere verschweigen. Und nicht das, was der Kanzler in der Früh gerne als vermeintliche Wahrheit definieren möchte.

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