Horst D. Deckert

Mehrere tausend Demonstranten sorgen für Volksfeststimmung in Rapperswil

Der 25. April 2018 war ein historischer Tag für Rapperswil: Die Rapperswil-Jona Lakers hatten gerade Kloten in der Overtime besiegt. Der Aufstieg in die höchste Eishockey-Liga war perfekt – die Altstadt verwandelte sich nach Mitternacht in eine grosse Partymeile.

Fast auf den Tag genau drei Jahre später steht die Rosenstadt wieder im medialen Fokus – und wieder herrscht Ausnahmezustand in der Altstadt. Doch diesmal sind es nicht die Lakers, die für Furore sorgen – obgleich ihnen vor wenigen Tagen der überraschende Einzug in die Playoff-Halbfinals gelang.

Am gestrigen Samstag eroberten zahlreiche Demokraten die Stadt und nahmen sich die Freiheiten zurück, welche ihnen die Regierung seit über einem Jahr genommen hat. Anstelle von Lakers-Fans prägten Trychler, junge Eltern, Kinder, Grosseltern, ja die Mitte der Gesellschaft das Stadtbild der Rosenstadt. Sie sorgten für ein weiteres historisches Ereignis. Die Polizei spricht in einer Mitteilung von rund 4000 Demonstranten, die gestern den Weg nach Rapperswil fanden.

«Demonstration benötigt keine Bewilligung»

Die gute Nachricht vorneweg: Wie in Schaffhausen vor einer Woche blieb es auch gestern in Rapperswil friedlich. Keine Selbstverständlichkeit: Denn die Behörden setzen derzeit alle Hebel in Bewegung, um Demonstrationen zu verbieten.

Der Stadtrat hatte die Demo in Rapperswil bereits Ende März verboten – mit der fadenscheinigen Begründung, die Teilnehmer würden sich nicht an die Corona-Massnahmen halten. Auch Nachverhandlungen zwischen dem Stadtrat und dem Verein «Stiller Protest» scheiterten. Letzterer überliess den Bürgern zuletzt selbst die Entscheidung, nach Rapperswil zu gehen und appellierte an die Eigenverantwortung.

Die Kantonspolizei St. Gallen ihrerseits warnte vor dem Wochenende gar ausdrücklich davor, nach Rapperswil zu kommen. Umsonst. Ein Zeichen, das Mut macht. Die Demokraten liessen sich davon nicht beeindrucken – und kamen auch ohne staatliche Bewilligung zahlreich. «Eine friedliche Demonstration benötigt keine Bewilligung von oben», meinte ein Bürger gegenüber Corona-Transition, die heute ebenfalls vor Ort war.

Volksfeststimmung in der Rosenstadt

Zu den Höhepunkten des gestrigen Tages zählte der Marsch zahlreicher Trychler und Demonstranten. Gegen halb zwei am Nachmittag zogen sie vom Tüchelweiher Parkplatz über die Jonastrasse in Richtung Altstadt. Die Stimmung hätte kaum besser sein können. Dass es sich um eine Demo handelt, bemerkte man erst wieder an den Ordnungspolizisten, die an den Seitengassen standen. Spätestens mit dem Einzug der Trychler auf dem Fischmarktplatz unten am Zürichsee einige Minuten später herrschte Volksfeststimmung.

Die Kulisse: Laute Kuhglocken und Kantonsfahnen prägen das Bild, die Stimmung ist friedlich. Doch die Slogans sind deutlich: «Repression 1291, Rebellion 2021», «Wer in der Demokratie schläft, erwacht in der Diktatur». Sprechgesänge unüberhörbar: Auf «Frieden, Freiheit, keine Diktatur» folgt: «Liberté, Liberté, Liberté». Die Polizei ist zurückhaltend. Zumindest gegenüber den meisten Demonstranten. Doch es kommt auch zu vereinzelten Wegweisungen.

Stricker schon wieder weggewiesen

Eine traf Daniel Stricker von Stricker TV. Genauso wie letztes Wochenende in Schaffhausen wies die Polizei Sticker von der Demo weg (Corona-Transition berichtete). Dies, obwohl sich Stricker bereits wie in Schaffhausen im Vorhinein von der Kantonspolizei bestätigen liess: «Sie können selbstverständlich von der Demo in Rapperswil berichten», schrieb Florian Schneider, Mediensprecher der Kantonspolizei St. Gallen, noch vor wenigen Tagen an Stricker.

Doch die Ordnungshüter änderten gestern die Spielregeln. Nachdem Stricker bereits eine Weile am Streamen war, zogen ihn Kantonspolizisten aus der Demo raus und erteilten ihm eine 24-stündige Wegweisung. Angefragt, was der Grund für diese sei, entgegnete der Kantonspolizist: Stricker habe an einer nicht bewilligten Demo teilgenommen. Pressefreiheit? Sie scheint für die Rapperswiler Behörden keine Bedeutung zu haben. Genauso wenig wie für weite Teile der Presse: Keine der grossen Medien berichtete bisher darüber.

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