Horst D. Deckert

Meinungsverschiedenheiten wurden im Innviertel meist handgreiflich ausgetragen

Junge Burschen, die noch nie wegen einer Schlägerei im Gefängnis waren, sind keine echten Innviertler, pflegte der Volksmund früher zu sagen. Denn Prügeleien gehörten quasi zur Kultur dieses Landstrichs, in dem sich Streits besonders schnell entzündeten.

Das einstmals bayerische Innviertel, das seit 1779 zu Oberösterreich gehört, gilt noch heute als ein besonders rauflustiges Gebiet. Als dort noch die sogenannten Zechen in hoher Blüte standen, was auch in der Zwischenkriegszeit der Fall war, ging es dort tatsächlich alles andere als zimperlich zu.

In dieser Zeit regierte dort nicht gerade die feine Klinge, bestätigt auch der Brauchtumsexperte Walter Höfer in seiner Zeitungsreportage mit dem Titel „Hart im Geben, hart im Nehmen“, in der er über dieses spezielle Verhalten der dörflichen Jugend in den Bezirken Braunau, Schärding und Ried schreibt.

Dort kamen sich die männlichen Jugendlichen schon beim geringsten Anlass in die Haare und nicht wenige Leute glauben, dass sich daran bis heute nichts geändert hat. Einen Großteil der Raufereien löste „das Mensch“, also die holde Weiblichkeit aus, konstatiert Höfer: Wer beim Fensterln erwischt wurde, dem zog man die Leiter weg, um ihn anständig zu „deckeln“, also zu verprügeln, so es nicht einer der ihren aus dem Dorf, sondern ein so genannter Zechenfremder war.

Was waren und sind nun diese Zechen? Es sind Männerbünde und Burschenschaften, die es auch in anderen oberösterreichischen Regionen gibt. Im Traunviertel spricht man von der „Rud“, im Mühlviertel von der „Bursch“ und im oberen Salzkammergut von der „Pass“. Diese kümmern sich heute aber mehr um die Pflege der Traditionen als ums Schädeleinschlagen, das im wahrsten Sinn des Wortes noch vor gar nicht so langer Zeit vor allem im Innviertel praktiziert wurde.

In den 1970er-Jahren standen drei Burschen wegen einer handgreiflichen Auseinandersetzung in Ried vor Gericht. Die Folgen ihres Streits standen ihnen noch in die Gesichter geschrieben. Das eine Gesicht war durch einen Schlagring entstellt, beim anderen fehlte das Nasenbein und dem dritten Angeklagten war das Kiefer zertrümmert worden.

Auch Hochzeiten waren oft Auslöser für brutale Raufereien, bei denen die vor Gesundheit strotzende Dorfjugend ihre brutalen Kampfinstinkte voll auslebte, ebenso tat sie dies auf Jahrmärkten oder bei Zechgelagen in Wirtshäusern. Oft genügte ein falsches Wort, um loszuschlagen.

In Senftenbach – zum Beispiel – war es in Zwischenkriegszeit nicht ratsam gewesen, zu einem Eingeborenen „Senftenbach hint umi“ zu sagen. Tat man es doch, kassierte man Prügel. Denn mit dem „hint umi“ wurde nichts Anderes gesagt, als dass Senftenbach über keine Ortsdurchfahrt verfügte, erzählt Höfer, was die Einheimischen natürlich ärgerte.

In Pattigham wiederum tat man gut daran, die Leute nicht nach der Uhrzeit zu fragen, weil es dort keine Turmuhr gab. Im Gebiet des Kobernaußerwalds hingegen gerieten die Burschen in Rage, wenn man sie als „Wallner Büffeln“ bezeichnete.

In Orten wie Eberschwang, Mehrnbach, Lohnsburg, Waldzell und Kopfing sollen die bösen Zecherbuben zu Hauf zu Hause gewesen sein, aber auch im Sauwald wie in den Innviertler Hauptorten, Ried, Schärding, Mattighofen und Braunau wurde von den Zechenangehörigen kräftig umgerührt.

Die letzte große Rauferei mit Todesfolge in Braunau sei dort 1948 beim Preishandeln entbrannt, weiß Walter Höfer, weil sich eine Zeche verschaukelt fühlte. Sofort flogen die Sessel und einer traf den Kopf eines Zechburschen. Der Sesselwerfer konnte nie ausgeforscht werden. 

Ein Sessel war auch nur eines von vielen oft abenteuerlich anmutenden „Raufwerkzeugen“, die bei diversen Streits verwendet wurden und die heute noch in Heimathäusern und Museen bestaunt werden können. Darunter Ochsenziemer, Nägel und auch Rasierklingen.

In den lokalen Museen waren die „Corpora Delicti“ nach den Gerichtsverhandlungen als mahnende Objekte gelandet. Die diversen Gegenstände waren den Burschen von den Gendarmen entweder nach Ausbruch der Streitereien oder vorsichtshalber schon vor Beginn der der jeweiligen Veranstaltungen abgenommen worden.

Zum Autor: Kurt Guggenbichler war Mitbegründer und Chefredakteur des „Wochenblick“. Sein journalistisches Handwerk hat er bei der „Goslarschen Zeitung“ in Norddeutschland erlernt, wo er acht Jahre lang als Redakteur, Reporter und Kolumnist tätig war. Wieder zurück in seiner Heimat, arbeitete Guggenbichler in der Funktion eines Ressortleiters dann 25 Jahre lang für die „Oberösterreichischen Nachrichten“. Zum „Wochenblick“ wechselte er einige Zeit nach seiner Tätigkeit als Chefredakteur der Tageszeitung „Oberösterreichs Neue“ und für AUF1-Info ist Guggenbichler nun als Nachrichten-Redakteur, Kommentator und Reporter im Einsatz.

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