Horst D. Deckert

Mutige Ignoranz – Eine Gegneranalyse-Analyse in eigener Sache

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In seiner „Gegneranalyse“ diffamiert der Politikwissenschaftler Markus Linden im Auftrag des grünen-nahen Thinktanks LibMod die NachDenkSeiten. Dass diese „Studie“ keinen wissenschaftlichen Standards standhält, hat bereits die Medienwissenschaftlerin Sabine Schiffer analysiert. Nun meldet sich auf den NachDenkSeiten auch ein „indirektes“ Opfer von Linden zu Wort. Der renommierte Journalist und Autor Thomas Moser gilt als ausgemachter Terrorismusexperte und hat zum sogenannten „Amri-Komplex“ für den Westend Verlag ein Buch verfasst. Das auf den NachDenkSeiten erschienene Interview zu diesem Buch taucht in Lindens „Beweisführung“ auf. Die Art und Weise der „Argumentation“ lässt laut Moser jedoch zu wünschen übrig. Linden verfälscht Aussagen, zitiert falsch und verkürzt und die von Thomas Moser nachgewiesenen Mängel von Lindens „Studie“ sind durchaus repräsentativ für das gesamte Papier.

Im März 2022 veröffentlichte die Webseite gegneranalyse.de eine Abhandlung des Politikwissenschaftlers Markus Linden über die Nachdenkseiten, Titel: “Fallstudie 1: Nachdenkseiten – Vom Aufklärungs- zum Querfrontmedium?

Auf den gesamten Text soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Eine sichtbare Tendenz ist aber, dass unter der Fahne, Verbindungen “nach rechts” zu entlarven, selber “rechte” Inhalte kolportiert werden, Stichworte: Flüchtlinge (“nicht Opfer, sondern Problem”). Sieht man außerdem davon ab, dass der Text vornehmlich aus einer Aneinanderreihung von Behauptungen besteht und nicht aus zwingenden faktischen Belegen, aus Denunziation und nicht aus Analyse.

Mit Verspätung habe ich nun davon erfahren, dass auch mein Name in der Abhandlung auftaucht, und zwar im Zusammenhang mit meiner Arbeit zum Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz, dem dreizehn Menschen zum Opfer fielen. Die offizielle Version lautet, der Tunesier Anis Amri habe den Anschlag begangen, allein. Eine Version, die aus Vermutungen, um nicht zu sagen: Spekulationen besteht. Ich dagegen komme nach über fünfjähriger Befassung mit dem Ereignis zu der Einschätzung, dass eine Tätergruppierung für die Tat verantwortlich ist. Amri gehörte dazu, war aber nicht der Haupttäter, der den LKW in die Menschenmenge des Weihnachtsmarktes steuerte. Unter der Tätergruppierung und in ihrem Umfeld befanden sich – mutmaßlich – auch V-Personen der verschiedensten Sicherheitsbehörden. Im Buch “Der Amri-Komplex” lege ich diesen Befund detailliert dar. Erst vor kurzem bin ich auf eine weitere mögliche Manipulation im Zusammenhang mit einem angeblichen Handy von Amri gestoßen, das außen in der LKW-Karosserie steckte, aber am Abend des Anschlages zugleich auch in der Wohnung Amris gewesen sein soll.

Im Dezember 2021 führte NDS-Autor Marcus Klöckner mit mir ein Interview zu dem Komplex. Dazu schreibt Markus Linden auf der Webseite Gegneranalyse.de nun Folgendes:

(…) Der Interviewer Marcus Klöckner (…) lässt z.B. einen Autor (108) frei darüber fabulieren, dass Anis Amri den Lkw-Anschlag auf dem Breitscheidplatz nicht als „Haupttäter“ verübt habe, die Dienste entscheidend beteiligt gewesen seien und „dass es möglicherweise eine Operation mit doppeltem Boden war, dass nicht jeder der Tatbeteiligten wusste, welche Rolle er tatsächlich spielt“. (109)

Zwei Dinge sind bei den Ausführungen Lindens auffallend. Zunächst der Kommentar, ich würde über den Anschlag “frei fabulieren”. Das ist insofern erstaunlich, als Linden bisher nicht dadurch aufgefallen wäre, dass er eine besondere Ahnung von der Materie habe. Im Gegensatz zum Terrorkomplex NSU hielt sich das Interesse am Terrorkomplex Breitscheidplatz unter Journalisten und Wissenschaftlern in Grenzen. Dass Linden jemanden, der sich mehrere Jahre intensiv mit der Sache beschäftigt hat, als “fabulierend” abtut, könnte man auch als mutig bezeichnen. Vielleicht hat dieser “Mut” aber einen bestimmten Hintergrund und kommt von einem anderen Absender, denn ein wirklich unabhängiger Wissenschaftler und Autor würde sich nicht derart leichtfertig zu einer solchen aggressiven Form der Ignoranz bekennen, ohne seine Reputation zu riskieren.

Das führt uns zu der zweiten Sache, die in Lindens Text bemerkenswert ist, gerade, weil sie nicht direkt auffällt. Er vermischt nämlich zwei tatsächliche Zitate mit einem erfundenen. Das liest sich so:

(…) frei darüber fabulieren, dass Anis Amri den Lkw-Anschlag auf dem Breitscheidplatz nicht als „Haupttäter“ verübt habe, die Dienste entscheidend beteiligt gewesen seien und „dass es möglicherweise eine Operation mit doppeltem Boden war, dass nicht jeder der Tatbeteiligten wusste, welche Rolle er tatsächlich spielt“.

Den Tatsachen entsprechen die Aussagen, dass Amri für mich nicht der Haupttäter war, sowie dass meiner Meinung nach der Anschlag möglicherweise eine Operation mit doppeltem Boden war, dass nicht jeder Tatbeteiligte wusste, welche Rolle er spielt. Das stütze ich übrigens auf den irritierenden Umstand, dass es von Amri zwei Tat-Dementis gibt, während er sich doch zur Tat bekannt haben soll.

Nicht den Tatsachen entspricht dagegen der Satz, “die Dienste seien entscheidend beteiligt gewesen”. Ihn hat der Politologe Linden erfunden. Vielleicht kommen wir bei der weiteren Aufdeckung der Hintergründe einmal dazu, zu erkennen, dass die Dienste bei dem Anschlag entscheidend beteiligt waren. So weit sind wir aber im Moment noch nicht. Wir können bisher V-Leute im Umfeld Amris identifizieren und Widersprüche im offiziellen Narrativ benennen. Die Schlussfolgerungen, die ich ziehe, bleiben aber in der Nähe des bisher Aufgedeckten.

Linden erfindet einen Satz und damit eine Aussage, mit der die bisherigen Erkenntnisse auf dünnes Eis geführt und womit sie letztlich entwertet werden. So wie er es dann explizit selbst formuliert:

Hängen bleibt das Bild einer verdeckten Geheimdienstoperation. Die Politik erscheint als gänzlich durchmanipuliertes Lügengebäude. Legitime Kritikpunkte werden diesem Axiom untergeordnet und sind für RezipientInnen kaum zu identifizieren.

An keiner Stelle spreche ich von einer “verdeckten Geheimdienstoperation”. Wie gesagt, vielleicht kommen wir irgendwann zu einem solchen Punkt, zumal der Verdacht, der Amri-Freund Bilel Ben Ammar sei V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz gewesen, in genau diese Richtung weist. (Siehe Sondervotum der drei kleinen Parteien FDP, Linkspartei und Grüne im Bericht des ehemaligen Bundestagsuntersuchungsausschusses.)

Interessant ist nun die Methode, mit der der Politologe Linden einen Satz, der nicht geäußert wurde, in den Diskurs einschmuggelt. Er vermischt ihn nämlich mit zwei tatsächlich gesagten Sätzen. Auf diese Weise bringt er ihn wie “Falschgeld” in Umlauf. “Vermischung von Wahrem und Unwahrem” nannte das die Stasi in ihren Zersetzungsrichtlinien. Wahres wird als Vehikel für Unwahres verwendet. Damit lassen sich Diskurse und Personen vergiften. Derartige Zersetzungs- und Desinformationsmethoden werden von allen Nachrichtendiensten praktiziert, auch vom bundesdeutschen Verfassungsschutz.

Womit wir wieder bei der “mutigen Ignoranz” wären, mit der der unkundige Politologe Linden einen kundigen Journalisten des “Fabulierens” bezichtigt. Hat er vielleicht entsprechende Auftraggeber?

Ich habe in den letzten Tagen drei Mails an Markus Linden geschrieben und ihm die aufgeführten Fragen gestellt. In der letzten Mail vom 1. Juli habe ich ihn direkt gefragt: “Arbeiten Sie für den Verfassungsschutz oder einen anderen Nachrichtendienst, nehmen Sie von einem solchen Aufträge entgegen oder stehen Sie vielleicht sogar in einem Dienstverhältnis?” So, wie es beispielsweise bei Lindens Kollegen, den Politikwissenschaftlern Thomas Grumke, Armin Pfahl-Traughber oder Helmut Müller-Enbergs der Fall ist (oder war.) Müller-Enbergs hat jüngst eine Podiumsdiskussion zwischen mir als dem Autor des Buches “Der Amri-Komplex” und zwei ehemaligen Mitgliedern des Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus geleitet, ohne das Publikum darüber aufzuklären, dass er für die Spionageabwehr des Berliner Verfassungsschutzes arbeitet.

Ein potenziell Beteiligter schlüpft in die Rolle des neutralen Moderators und zeigt dadurch, mit welchen Täuschungsabsichten die Dienste auch ganz aktuell im Anschlagskomplex Breitscheidplatz noch unterwegs sind.

Linden hat auf meine Schreiben bisher nicht reagiert. Auch die Redaktion von Gegneranalyse.de, die ich ebenfalls zu einer Stellungnahme aufgefordert habe, übt sich bisher in Schweigen.

Titelbild: Screenshot 3Sat Kulturzeit

Anhang: Die Emails an Markus Linden, Autor von Gegneranalyse.de

27.6.2022 – Guten Tag Herr Linden, in Ihrem Text “Fallstudie 1: Nachdenkseiten” auf der Webseite Gegneranalyse.de erwähnen Sie auch mich. Sie schreiben:

“Der Interviewer Marcus Klöckner (…) lässt z.B. einen weiteren Westend-Autor frei darüber fabulieren, dass Anis Amri den Lkw-Anschlag auf dem Breitscheidplatz nicht als „Haupttäter“ verübt habe, die Dienste entscheidend beteiligt gewesen seien und „dass es möglicherweise eine Operation mit doppeltem Boden war, dass nicht jeder der Tatbeteiligten wusste, welche Rolle er tatsächlich spielt“.  

Ich fordere Sie auf, zu erläutern und zu begründen, was Sie als “frei darüber fabulieren” bezeichnen, dass meiner Einschätzung nach Amri den Anschlag nicht als Haupttäter verübt hat. Da Sie, zweitens, eine auffällige Mischung aus tatsächlichen Zitaten und einem untatsächlichen Zitat pflegen: Wo findet sich in besagtem Interview die Formulierung, dass “die Dienste entscheidend beteiligt” gewesen seien? – Freundlich Grüße, Thomas Moser

29.6.2022 – (…) Noch einmal: Aufgrund mehrjähriger Beschäftigung mit dem Anschlag vom Breitscheidplatz komme ich zu der Einschätzung, dass die Tat von einer Gruppierung begangen wurde, zu der Anis Amri zählte, dass er aber nicht der Haupttäter war, der den LKW in den Weihnachtsmarkt gesteuert hat. – Sie bezeichnen das diskreditierend als “frei fabulieren”. Wie kommen Sie dazu? (…)

Zweitens erfinden Sie die Aussage, die Sie dann mir zuschreiben, “die Dienste seien entscheidend beteiligt gewesen”. (…) Sie mischen dieses erfundene “Zitat” unter zwei tatsächliche Zitate und bringen auf diese Weise Ihr “Falschgeld” in Umlauf. “Vermischung von Wahrem und Unwahrem” nannte das die Stasi in ihren Zersetzungsrichtlinien. (…) Als Politikwissenschaftler und als jemand, der sich öffentlich äußert, sollten Sie sich dazu verhalten. Gehen Sie davon aus, dass ich die Angelegenheit öffentlich behandle. (…)
 
1.7.2022 – (…) Dritter Versuch: In besagter Veröffentlichung (“Fallstudie 1: Nachdenkseiten – Vom Aufklärungs- zum Querfrontmedium?”) v. März 2022 versuchen Sie mich zu diskreditieren. Die Einschätzung, dass Anis Amri den LKW-Anschlag auf dem Breitscheidplatz nicht als “Haupttäter” verübt habe, bezeichnen Sie als “fabulieren”. Das könnte man mutig nennen für jemanden, der sich in der Materie nicht auskennt. (…) Vielleicht hat dieser “Mut” aber einen anderen Hintergrund, denn ein unabhängiger Wissenschaftler und Autor würde sich nicht derart leichtfertig zu einer solchen aggressiven Form der Ignoranz bekennen, ohne seine Reputation zu riskieren. Deshalb frage ich Sie direkt: Arbeiten Sie für den Verfassungsschutz oder einen anderen Nachrichtendienst, nehmen Sie von einem solchen Aufträge entgegen oder stehen Sie vielleicht sogar in einem Dienstverhältnis? So wie es beispielsweise bei Ihren Kollegen, den Politikwissenschaftlern Thomas Grumke, Armin Pfahl-Traughber oder Helmut Müller-Enbergs der Fall ist oder war. Kommt von einer solchen Seite vielleicht auch die Methode, tatsächliche Zitate mit einem erfundenen zu vermischen und damit den gesamten Diskurs zu kontaminieren? Jedenfalls pflegen Sie diese typischen nachrichtendienstlichen Desinformationstechniken. Ein Prinzip von Wissenschaft ist Wahrhaftigkeit. In diesem Sinne sollten Sie sich erklären. (…)
 
Thomas Moser

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