Horst D. Deckert

Neuer ARD-Chef: Ausgerechnet Kai Gniffke

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Kai Gniffke soll bereits 2023 den ARD-Vorsitz übernehmen. Das ist keine gute Nachricht, denn Gniffke hat sich unter anderem durch seine Zeit als Chefredakteur von „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ einen Ruf als zum Teil distanzloser Verteidiger der Regierungspolitik erworben. Den politischen Ruf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) wird die Berufung Gniffkes bei vielen Beitragszahlern nicht verbessern. Dabei ist es überfällig, auf die Kritiker des ÖRR zuzugehen. Diese Kritik sollte sich nicht nur auf materielle Vorteilsnahme beziehen (z.B. Fall Schlesinger), sondern noch mehr auf politische Distanzlosigkeit, vor allem gegenüber transatlantischen „Erzählungen“ – aktuell etwa der Propaganda zur Absicherung der Sanktionspolitik. Das wichtige Prinzip des ÖRR sollte meiner Meinung nach aber „gerettet“ werden – auch vor dem eigenen Personal. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Der Intendant des Südwestrundfunks, Kai Gniffke, übernimmt bereits 2023 den ARD-Vorsitz, wie Medien berichten. Das hätten die ARD-Intendanten und -Gremienvorsitzenden nach ARD-Angaben beschlossen. Nach dem Rücktritt der RBB-Intendantin Patricia Schlesinger vom ARD-Vorsitz beginne Gniffke damit ein Jahr früher als geplant.

Die Personalie Kai Gniffke ist keine gute Nachricht – weder bezüglich der gelieferten Informationen für die Konsumenten und Beitragszahler der ARD noch für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR). Die NachDenkSeiten haben Gniffkes Arbeit etwa als „Erster Chefredakteur“ von ARD-aktuell und somit auch der „Tagesschau“ und der „Tagesthemen” (2006 bis 2019) kritisch begleitet, weiter unten folgen Hinweise auf Artikel zum Thema.

In der Regel bleibt ein Intendant zwei Jahre im Amt, so Berichte. Der ARD-Vorsitzende vertritt die Sender als höchster Repräsentant und Sprecher der Intendanten. Der Südwestrundfunk ist innerhalb der ARD die zweitgrößte Anstalt nach dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) und vor dem Norddeutschen Rundfunk (NDR). Der SWR erhielt 2021 gut eine Milliarde Euro an Rundfunkbeiträgen.

Fehlbesetzung Gniffke

Albrecht Müller hat sich bereits in mehreren Artikeln mit Gniffke und seiner Auffassung von Journalismus befasst. Eine Antwort auf einen Blog-Eintrag von Gniffke bereits 2014 zu Vorwürfen des Programmbeirats der ARD und einen konkreten Vorschlag zur genaueren Beobachtung und Bewertung der öffentlich-rechtlichen Sender finden sich hier. Warum Gniffke eine Fehlbesetzung sei – sowohl in Hamburg bei ARD aktuell wie auch beim SWR als Intendant – und warum seine Bilanz als Verantwortlicher für „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ ausgesprochen schlecht sei, beschreibt dieser Artikel von 2019. Ein sogenanntes Framing Manual, das dem Führungspersonal und Mitarbeitern der ARD helfen sollte, den Ruf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu verteidigen, wird hier kommentiert. Dass „Gniffkes Redaktion den kritischen Journalismus schon vor Jahren ‚beerdigt‘“ habe, haben Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam in diesem Artikel geschrieben. „Diesen Kandidaten für ‚unabhängig‘ auszugeben – und damit kann hier ja nur journalistische Unabhängigkeit gemeint sein –, zeigt, dass die Strippenzieher entweder nicht wissen, wovon sie reden, oder dass sie es nur allzu gut wissen“, so die Autoren noch zu Gniffkes Kandidatur als SWR-Chef.

Die aktuellen Vorgänge um die nun ehemalige rbb-Intendantin und ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger wurden auf den NachDenkSeiten unter anderem in den Artikeln „Der Fall Schlesinger und das eherne Gesetz der Oligarchie“ oder „RBB – Wie der Herr, so’s G’scherr“ oder „Immobilienhai als ‚Sendechef-Kontrolleur’ des RBB – Der eigentliche Skandal in der Causa Schlesinger“ thematisiert. Aktuelle Vorgänge beim NDR und dortige Vorwürfe wegen „Zensur, Klima der Angst, Einschüchterungsversuchen und Verhinderung kritischer Berichterstattung“ greift dieser Artikel auf.

Rettet den Rundfunk: „Vor Privatisierung und vor der eigenen Propaganda“

Als kritischer Medienkonsument ist man bezüglich des realen Zustands des ÖRR hin und her gerissen: Auf der einen Seite ist da das wichtige Prinzip eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks – ich bin strikt gegen eine Abschaffung, denn eine rein private Medienlandschaft wäre meiner Meinung nach noch gefährlicher als der aktuelle Zustand. Auf der anderen Seite ist es aber unerträglich, dass auch mit meinen Beiträgen zum Teil schlimme Meinungsmache finanziert wird. Dieser zwiespältige Zustand besteht schon lange, aber er spitzt sich fortwährend zu: So war bereits die Medienkampagne zu Corona eine nochmalige Steigerung gegenüber den schon vorher praktizierten Propaganda-Techniken in vielen großen Medien. Das wird momentan nochmals in den Schatten gestellt, durch eine mediale Abschirmung der selbstzerstörerischen Sanktionspolitik. Diese gegen die Bürger gerichtete Politik wäre gar nicht möglich, wenn sie nicht jeden Tag aufs Neue von zahlreichen (fast allen) Journalisten verteidigt und ihre Kritiker dämonisiert würden. Ich habe eine so giftige, intensive und sachlich falsche Medienkampagne wie die aktuelle zur Sanktionspolitik noch nicht erlebt.

Zu betonen sind nochmals die (mindestens) zwei Ebenen des Konflikts um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Da ist zum einen die materielle Vorteilsnahme und zum anderen die politische Anpassung – Letztere ist in meinen Augen gefährlicher. Auch soll gesagt werden, dass es zahlreiche gute Beiträge in den öffentlich-rechtlichen Sendern gibt – aber eben extrem selten zu den Themen, „bei denen es drauf ankommt“ – so z.B. zur liberalen Wirtschaftsordnung, zu Privatisierungen, zum unterwürfigen Verhältnis zu den USA, zu den teils schlimmen Folgen der westlichen Außenpolitik, zu den Verbrechen der Corona-Politik oder aktuell zur selbstzerstörerischen und durch die offiziellen Moralkonstrukte nicht gerechtfertigten Sanktionspolitik.

Spaltung und Hetze gegen Andersdenkende

Dass es höchste Zeit wäre, dass sich Journalisten (auch des ÖRR), die sich etwa bei den Kampagnen zu Corona oder zur Sanktionspolitik durch Hetze gegen Andersdenkende belastet haben, bei den Bürgern entschuldigen, beschreiben wir in diesem Artikel. Demnach haben die aktuell dominierenden Redakteure das Vertrauen in ihren Berufsstand so schwer erschüttert, dass es mit einer (folgenlosen) Entschuldigung zwar nicht getan wäre – sie könnte aber immerhin ein Anfang einer überfälligen Aufarbeitung sein.

Dass das Prinzip des öffentlich-rechtlichen Rundfunks trotz aller berechtigten Kritik „gerettet” werden sollte – „vor Privatisierung und vor der eigenen Propaganda“ – wird in diesem Artikel beschrieben. Dort heißt es aber auch, dass eine Verteidigung des Prinzips ÖRR wegen der massiven inhaltlichen Verfehlungen der Sender und der dort wirkenden Journalisten selten so schwer war wie heute.

Titelbild: Sergey Kohl / Shutterstock

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