Horst D. Deckert

Nicht nur am BER sichtbar: Deutschlands Kollaps in Zeitlupe

Flughafen BER: Chaos vor der Eröffnung, Chaos nach der Eröffnung (Foto:Imago)

Waren die Lockdowns womöglich ein großer Testlauf, um die Deutschen ans Zuhausebleiben zu gewöhnen? An einen Zustand, der bald schon gar nicht mehr aus Zwang erfolgt, sondern weil die marode Infrastruktur – einhergehend mit einem Zusammenbruch der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – uns bald schon gar keine andere Wahl mehr lässt? Der Verdacht drängt sich auf. Denn in diesem Land funktioniert so gut wie gar nichts mehr. Nicht nur elektrische Blackouts drohen bald zum Dauerphänomen zu werden.

Autofahren ist unerschwinglich geworden. Beim Bahnverkehr bricht praktisch alles zusammen, und wo baufällige und desolate Streckenverbindungen, Fahrplanausfälle und Verspätungen noch für kein hinreichendes Chaos sorgen, tun es Streiks, Schienensuizide oder Anschläge. Und auch das Fliegen wird zur Tortur, zum Vabanquespiel und Auslaufmodell – nicht nur aufgrund ideologiegetriebener Teuerungs- und Verbotspläne, sondern auch, weil in besten Deutschland aller Zeiten die technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen immer seltener stimmen.

Sinnbild dafür, dass die einstige Nation der Luftfahrtpioniere allmählich auch in der Luftfahrt zum Drittweltland wird, sind nicht nur die Pannen der Flugbereitschaft oder das fast völlig am Boden zerstörte sonstige Fluggerät der Bundeswehr – sondern auch das Menetekel rotgrüner Staatssabotage schlechthin: Der Flughafen Berlin-Brandenburg, kurz BER. Die Groteske seiner langwierigen Entstehung, in der sich Pfusch am Bau und Berliner Politikdilettanz mit geradezu megalomanischem Managementversagen und Kostenexplosionen verpaarten, setzt sich befürchtungsgemäß im „Regelbetrieb“ des Flughafens auf, der vor genau einem Jahr – mit satten neun Jahren Verzögerung – endlich startete.

Keine Kinderkrankheit, sondern Dauerzustand

Welche Zustände am BER heute herrschen (die sich kaum mehr unter der Kategorie „Kinderkrankheiten“ bzw. „Anlaufschwierigkeiten“ abwiegeln lassen), beschreibt die „Berliner Morgenpost“ in einem Erfahrungsbericht, der sich inhaltlich nicht von einer gedachten absichtlichen, böswillig erdichteten und  geschäftsschädigenden Sabotageaktion der Konkurrenz unterscheiden lässt und die nackte, bittere Realität wiederspiegelt. Piloten und Besucher seien, heißt es darin, gleichermaßen verzweifelt von enervierenden Verzögerungen beim Startvorgang und logistischen Pannen bei der Gepäckausgabe. Nicht zu reden von fehlendem Gangway-Personal, wodurch Boarding und Ausstieg bei ankommenden und abfliegenden Maschinen zur Geduldsprobe wird; insbesondere für Transitpassagiere mit Anschlussflug und für Geschäftskunden ein terminliches Vabanquespiel.

Deutschland als Drittweltland und Lachnummer: Was schon bei der schauderhaften Verhunzung der Berliner Landtagswahlen durch R2G vor aller Welt offenbart wurde, setzt sich im – eigentlich als Prestigeobjekt und internationales Drehkreuz gedachten – Hauptstadtflughafen nahtlos fort. You never get a second chance to make a first impression – und weil der BER  für viele ausländische Besucher das erste ist, was sie von Deutschland zu sehen bekommen, nehmen sie ihre Eindrücke nach Haus mit, und die fallen selten anders aus als dergestalt: Dieses Land ist ein Saustall, eine Sanierungsfall. Sein zerfallendes „Volk“ (präziser: seine Zufallsbevölkerung) ist in nichts mehr führend, ökonomisch und wissenschaftlich mittelmäßig bis unterdurchschnittlich. Die Deutschen zehren von einer schwindenden Substanz an Volksvermögen und Reputation, die uns unsere Vorfahren hinterlassen hat.

Die schleichende Selbstzerstörung

Gerade weil diese Aufbauleistung der Nachkriegsgenerationen so gewaltig war und soviel Volksvermögen angespart wurde, dauert dessen finale Wegverfrühstückung unendlich lange – so lange, dass den meisten nur in Ultrazeitlupe die Schuppen von den Augen fallen. Noch immer die Folgen der allgegenwärtigen Dekadenz im Land selbst nur punktuell zu spüren; noch verdichten sie sich lediglich in plakativen Hotspots wie etwa dem Shithole Berlin und sind vergleichsweise selten. Meldungen wie die über das Wahldesaster, aber auch die aktuelle über den BER, aber auch über das ungehinderte Treiben von Linksextremen, Clans und von Drogendealern sind in dieser Hinsicht vergleichbar mit anderen „beglückenden“ Alltagsphänomenen des Wandels in so vielen Bereichen: Stromausfälle, Funklöcher, einstürzende Brücken, marode Straßen, pleitegehende Konzerne, aber auch steigende Spritpreise und Heizkosten, Messerstechereien, Gruppenvergewaltigungen oder Impftote.

Es sind immer nur einzelne „Bäume“, aber nie ein Wald. Das Prinzip der Einzelmeldung, des stets nur atypischen „Einzelfalls“ – bei zugleich blinder Zuversicht, das Gesamtsystem funktioniere weiterhin und auf Dauer tadellos – sorgt für die effektive Verdrängung und Bagatellisierung selbst noch so katastrophaler Fehlentwicklungen – mit der Folge, dass jegliches Gegensteuern für entbehrlich gehalten wird. Und wer ein solches doch anmahnt unter Verweis auf die selbst bei noch so abnormer Häufung angeblich nie repräsentativen Extrembeispiele, der ist Populist, Hetzer, Spielverderber, negativfixierter Kulturpessimist und Party-Pooper. Am Ende saufen wir alle gemeinsam ab.

 

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