Horst D. Deckert

Orban-Absage an EU und NATO: Keine Waffenlieferungen über Ungarn in die Ukraine

Ungarn lässt keine EU- und NATO-Waffenlieferungen in die Ukraine über das eigene Hoheitsgebiet zu. Denn in der westukrainischen Region „Transkarpatien“ leben über 100.000 ethnische Ungarn, deren Sicherheit dadurch gefährdet sei, begründet Premier Viktor Orban seine Entscheidung. Er wurde dafür umgehend von Manfred Weber, EVP-Chef des EU-Parlaments attackiert. Er betreibe ein Doppelspiel und müsse sich entscheiden, auf welcher Seite er stehe.

Ungarn wollen sich aus Krieg heraushalten

In seiner Erklärung von Montagabend sagte Orban weiter: “Es ist das Interesse der ungarischen Menschen, dass sich Ungarn aus diesem Krieg heraushält.” Aus diesem Grunde werde Ungarn weder Waffen noch Soldaten ins Kriegsgebiet schicken. „Wir befinden uns im Kriegszustand, in diesem Fall brauchen wir Frieden“, sagte Orban. Ungarn leiste natürlich humanitäre Hilfe. Es seien bereits Hilfslieferungen in der Ukraine eingetroffen, und „wir kümmern uns ständig um die von dort ankommenden Flüchtlinge“, sagte er in einer Videobotschaft. Das EU- und NATO-Mitglied Ungarn hat mit der Ukraine eine gemeinsame Grenze von 140 Kilometer. Von den vier Visegrád-Staaten (zu denen auch Polen, Tschechien und die Slowakei gehören) lehnt allein Ungarn Waffenlieferungen an die Ukraine ab.

Attacke aus EU-Parlament

Kaum gab Orban seine Entscheidung bekannt, setzte es massive Attacken aus dem EU-Parlament. Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion (Europäische Volkspartei, der auch Österreichs ÖVP angehört), griff Ungarns Regierungschef voll an: Orban betreibe in der Ukraine-Krise ein erstaunliches Doppelspiel. Er müsse sich entscheiden, auf welcher Seite er stehe. Der Rest der Welt habe sich klar entschieden. Weber lobte die Schweiz, die erkannt habe, dass sie in einer solchen Situation nicht neutral bleiben konnte. Auf die Frage eines Journalisten, ob Russland sich für die EU- und NATO-Waffenlieferungen an die Ukraine nicht rächen könne, sagte Weber: Die UNO gebe jedem unabhängigen Land das Recht auf Selbstverteidigung. „Wir erlauben den Ukrainern, dieses Recht auszuüben“. Deshalb unterstütze er, Weber, die Waffentransfers voll und ganz. Das sei kein aggressiver Schritt, ist Weber tatsächlich überzeugt.

Auch EVP-Präsident Donald Tusk teilte fleißig gegen Orban aus. Auf Twitter schrieb er: „Herr Orban und Herr Szijjártó (Ungarns Außenminister) verdienen mehr als nur Medaillen von Putin. Sitze im Aufsichtsrat von Gazprom wären eine passende Belohnung für ihre Loyalität“.

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EU wird Kriegspartei

Ungarn hat die Sanktionsbeschlüsse von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gegen Russland mitgetragen. Die Entscheidung zur Waffenlieferung an die Ukraine (Kampfjets und Munition) im Wert von 500 Mio. US-Dollar, ließ sich Brüssel über den Europäischen Friedensmechanismus (European Peace Facilty) „freischalten“. Dieses außerbudgetäre Instrument ist Teil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (CFSP) der EU und wurde – in dieser Form – bisher noch nie aktiviert.

Das Instrument ermöglicht es Brüssel, „mehr zu tun und schneller zu handeln, um Frieden und Sicherheit in der Welt durch Maßnahmen mit militärischen und verteidigungspolitischen Bezügen zu unterstützen“. Darin wird ausdrücklich festgehalten, dass die EU einem Partner Militärausrüstung bereitstellen kann, um dessen Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen. Zusätzlich liefern Deutschland, das Nicht-NATO-Mitglied Schweden, Dänemark und Belgien Panzerabwehr-Waffen, Stinger-Raketen, Maschinengewehre, Munition und andere Kriegsausrüstung.

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