von Hans Hofmann-Reinecke
Warum nehmen wir die Windgeneratoren mit ihrem Flatterstrom eigentlich nicht vom Netz und laden damit die derzeit so unbeliebten E- Autos auf? Das wäre mal eine echte Win-Win Situation. Nicht möglich sagen Sie? Lesen Sie weiter
Ein Regal voller Strom
Nehmen wir eine handelsübliche Windmühle, auf deren Typenschild 2 Megawatt steht. Das heißt auf Deutsch, dass sie im Durchschnitt pro Tag um die
2 MW × 24 h × 20% = 9,6 MWh oder 9600 KWh
liefert. Die 20% stehen für den Zeitraum, an dem vernünftiger Wind weht. Betrachten wir jetzt ein generisches Elektroauto, dessen Batterie 48 kWh fasst, dann könnte die Windturbine täglich 9600 / 48 = 200 Stück davon betanken – oder mehr, sofern die nicht alle total leer waren. Das wäre doch etwas: Je Windmühle eine „Tankstelle“.
Und wie sähe die Rechnung für das ganze Land aus? Da werden derzeit pro Jahr ca. 40 Milliarden Liter Benzin in die Ottomotoren unserer Autos gepumpt, und die erzeugen pro Liter 2,5 kWh mechanischer Leistung. Insgesamt ist also der jährliche Leistungsbedarf unserer Autos 40 Mrd. × 2,5 kWh = 100 Terawattstunden (TWh). Und was liefern unsere Windkraftanlagen? „Onshore“ wurden in Deutschland im Jahre 2023 etwa 120 TWh erzeugt. Das käme also hin!
Nicht mit meiner Batterie
Aber wie soll das gehen, wenn Sie ihren elektrischen Liebling auftanken möchten und es herrscht Windstille? Und hier kommt der Trick: Der Windmüller hat da ein ganzes Regal voller Batterien herumstehen, die gerade mit Flatterstrom geladen werden, und ein anderes mit solchen, die bereits voll sind; und die warten nur darauf, auf die Reise zu gehen. So ein frisch geladenes Exemplar wird jetzt in Ihr Fahrzeug eingebaut, und die leere Batterie bleibt beim Windmüller. Vielleicht protestieren sie jetzt: Aber das ist doch MEINE Batterie, die habe ich gehegt und gepflegt und die gebe ich nicht her, auch nicht wenn sie leer ist.
Tatsache ist aber, dass Ihnen die Batterie nie gehört hat, sondern dass sie beim Kauf des Fahrzeugs als Leihgabe mit dabei war. Die kommt jetzt beim Windmüller an die Steckdose und wird demnächst mit jemand anderem auf die Reise gehen.
Das geht doch nicht
Jetzt höre ich ganz deutlich Ihren Einwand: die e-Autos haben doch alle ganz verschiedene Batterien, wie soll das gehen? Gut, die Batterien müssten normiert werden; ein Alltagswagen hätte dann vielleicht eine 48 kWh Standard Batterie an Bord, und die schwere Limousine zwei Stück davon. Dass das kein Problem ist, das sieht man bei den Spielzeugautos unserer lieben Kleinen; da hat das rosa Cabrio des Töchterchens zwei AA Zellen an Bord, und der „Humvee“ ihres Bruders fährt mit vier oder sechs, je nach Bewaffnung.
Aber trotzdem wollen Sie ja nicht den halben Tag warten, bis das Teil aus – und eingebaut ist! Der Austausch dauert doch etwas länger als bei den AA Zellen der Spielzeugautos! Ja, etwas länger schon, aber nicht viel. Ein freundlicher Roboter erledigt das in der „Swap Station“ in fünf Minuten. Schauen Sie sich das hier an und staunen Sie.
Der Ingenieur wird jetzt einwenden, dass die Batterien der e-Autos nicht einfach mit einem Schnappverschluss eingeklickt und mit einer Lüsterklemme angeschlossen werden. Diese Batterien müssen dem Chassis ganz wesentliche mechanische Stabilität verleihen. Aber ich sagen Ihnen: wenn ein Ingenieur heute ein Problem erkennt, dann kommt er morgen mit einer Lösung. Bei den Reifen hat das ja auch geklappt, und die müssen auch was aushalten.
Zu viele Vorteile
Diese Lösung hätte sehr viele Vorteile:
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Die vielen Windmühlen, die das Netz durch Flatterstrom instabil machen, und die als Backup zusätzlich konventionelle Kraftwerke erfordern, hätten endlich eine nützliche Verwendung.
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Es wird kaum mehr überschüssigen Strom geben, der ins Ausland verklappt werden muss, da man das System insgesamt so auslegen kann, dass zu jedem Zeitpunkt ein gewisser Anteil der Batterien aufgeladen werden muss.
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Der Aufbau ist dezentral. Einer oder ein paar Windgeneratoren versorgen eine „Swap Station“ direkt mit Strom. Das macht einige der heute für die Einspeisung ins Netz erforderlichen Transformatoren und Leitungen überflüssig.
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Es gibt keine Notwendigkeit für das von den Batterien so gefürchtete Schnellladen.
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Die lange Wartezeit für das Aufladen entfällt als Argument gegen den Kauf eines E-Autos.
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Der Wiederverkaufswert von E-Autos bleibt erhalten, da der Zustand der Batterie für den Käufer kein Risiko darstellt. Beim nächsten Tanken bekommt er ja sowieso eine andere.
Wird man diesen Weg in Deutschland verfolgen? Vermutlich hätte diese Sache zu viele Vorteile für die Bevölkerung und wird deswegen abgelehnt – so wie die Kernkraft. Man wird unsere Autos lieber mit Kraftstoff aus Feuerland betreiben, wo Strom in Wasserstoff, dann mit CO2 verbunden in Methanol verwandelt und um die halbe Welt zu uns transportiert wird.
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