Der gebürtige Russe und heutige US-amerikanische Finanzexperte Dmitry Orlov kommt in der Beurteilung der westlichen Sanktionen gegen Russland zu einem ganz anderen Urteil als die westlichen Medien: Russland werde langfristig davon ausgesprochen profitieren. Russland werde auch kulturell wieder mehr zu sich selber finden. Und Russland habe auch keinen Grund, sich im Krieg in der Ukraine zu beeilen, die von Russland vorgegebene Geschwindigkeit sei kein Schwächezeichen, sondern eine gut austarierte Lösung. – Orlovs Analyse müsste etlichen europäischen Politikern sehr zu denken geben. (cm)
Sind Sie mit dem Verlauf des Krieges in der ehemaligen Ukraine zufrieden? Die meisten Menschen sind es nicht – aus dem einen oder anderen Grund. Einige hassen die Tatsache, dass es dort überhaupt einen Krieg gibt, während andere ihn lieben, aber die Tatsache hassen, dass er noch nicht gewonnen wurde, weder von der einen noch von der anderen Seite. Auf beiden Seiten des neuen Eisernen Vorhangs, der in aller Eile quer durch Eurasien zwischen dem kollektiven Westen und dem kollektiven Osten errichtet wird, finden sich reichlich Vertreter dieser beiden Arten von Hassern. Das scheint vernünftig zu sein; schließlich ist es für die meisten Menschen normal, den Krieg zu hassen (Krieg ist die Hölle, das wissen Sie doch!), und folglich ist ein kleiner Krieg besser als ein großer und ein kurzer Krieg besser als ein langer. Außerdem ist eine solche Argumentation banal, abgedroschen, platt, fade, vorhersehbar, phantasielos und … bromid (wie es in Englisch heisst).
Selten findet sich ein Kriegsbeobachter, der mit dem Verlauf und der Dauer des Krieges zufrieden ist. Glücklicherweise zeigt das russische Staatsfernsehen fast täglich den wichtigsten Kopf dieses Krieges. Es ist der russische Präsident Wladimir Wladimirowitsch Putin. Ich beobachte ihn seit mehr als zwanzig Jahren und kann mit Überzeugung sagen, dass er noch nie eine so ruhige, selbstsichere Gelassenheit ausstrahlte, die sogar von einem skurrilen Humor durchzogen war, wie jetzt. Das ist nicht das Verhalten von jemandem, der das Gefühl hat, einen Krieg verlieren zu können. Die hohen Tiere im Verteidigungsministerium wirken vor der Kamera eher mürrisch und bedrückt – ein Verhalten, das zu Männern passt, die andere Männer in den Kampf und möglicherweise in die Verwundung oder den Tod schicken; aber hinter der Kamera schenken sie sich gegenseitig ein kurzes Mona-Lisa-Lächeln. (Russische Männer grinsen nicht mit dummen Fischaugen nach amerikanischem Vorbild, zeigen beim Lächeln selten ihre Zähne und niemals in Gegenwart von Wölfen oder Bären.)