Horst D. Deckert

Schriftsatz des Bundesverwaltungsgerichts belegt: BND setzt Journalisten als Spitzel ein

Der Bundesnachrichtendienst (BND), der Auslandsgeheimdienst der Bundesrepublik Deutschland, welcher aus der vom ehemaligen Chef der Abteilung Fremde Heere Ost (FHO) der Wehrmacht, Reinhard Gehlen, gegründeten Organisation gleichen Namens hervorging, setzt nach wie vor Journalisten als Informanten oder wie es im BND-Fachjargon so schön heißt als „nachrichtendienstliche Verbindungen (NDV)“ ein. Dies geht aus einem Schriftsatz des BND an das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hervor. Pikant dabei: Eigentlich hatte das Bundeskanzleramt, dem der BND direkt untersteht, 2006 nach einem Bespitzelungsskandal mit sofortiger Wirkung verfügt, dass Medienvertreter nicht mehr vom BND als Quellen oder Informanten geführt werden dürfen. Selbst die staatstragende Führung des Deutschen Journalistenverbands (DJU) spricht von einem Skandal. Von Florian Warweg

“Eine Heranziehung von Vertretern der Medienbranche als NDVen ist auch heute noch möglich.”

So die lapidare Darlegung des BND in einem Schriftsatz vom 26. April 2022 an das Bundesverwaltungsgericht, der mehreren Medien vorliegt – unter anderem auch dem juristischen Fachmagazin LTO. Das Schreiben steht im Zusammenhang mit einem presserechtlichen Auskunftsersuchen der BILD-Zeitung (Aktenzeichen BVerwG 20 F 5.22).

Hierbei lässt insbesondere die Formulierung „heute noch möglich“ aufhorchen. Denn 2006 hatte der damalige Regierungssprecher unter Angela Merkel, Ulrich Wilhelm, auf der Bundespressekonferenz am 15. Mai öffentlich erklärt:

„Das Bundeskanzleramt hat heute den Bundesnachrichtendienst angewiesen, dass bei operativen Maßnahmen seiner Eigensicherung keine Journalisten als Quellen zu führen sind“.

Außerdem so Wilhelm damals weiter, sei der BND angewiesen worden, zu diesem Zweck „künftig keine operativen Maßnahmen gegen Journalisten durchzuführen“.

Damit reagierte das Kanzleramt auf Vorwürfe gegen den Auslandnachrichtendienst der BRD im Zuge der jahrelangen Bespitzelung und Anwerbung von Journalisten. Der Dienst hatte nachweislich bis 2005 Journalisten benutzt, um undichte Stellen bei der Weitergabe geheimer Informationen ausfindig zu machen. Dabei haben einzelne Journalisten im BND-Auftrag und teilweise gegen Bezahlung auch Informationen über eigene Kollegen geliefert.

Von diesem Verbot will der BND heute scheinbar nichts mehr wissen. Im Gegenteil, der Dienst scheint von einer uneingeschränkten Erlaubnis auszugehen, Journalisten als Spitzel und Quellen nutzen zu können. Laut LTO verneine der bundesdeutsche Auslandsnachrichtendienst in seinem Schreiben an das Bundesverwaltungsgericht, dass Medienvertreter eine Sonderstellung gegenüber anderen Berufsgruppen inne hätten. In dem fraglichen Schriftsatz heißt es dazu im Wortlaut:

„Allerdings ist eine Heranziehung von Vertretern der Medienbranche als NDVen auch heute noch möglich. Die Methoden in der Quellenführung unterscheiden sich darüber hinaus nicht maßgeblich, je nachdem in welcher Branche eine NDV tätig ist.“

Diese Einschätzung des BND sorgt sogar beim sonst als sehr staatstragend bekannten Vorsitzenden des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) Frank Überall, der zugleich auch CDU-Mitglied ist, für Empörung:

“Diese Aussagen sind skandalös. Journalistinnen und Journalisten sind keine Spitzel und stehen deshalb dem deutschen Auslandsgeheimdienst auch nicht als Quellen zur Verfügung.”

Weiter erklärt Überall gegenüber LTO, dass es “um nichts weniger als um die Glaubwürdigkeit von Journalisten und ihren Medien und um das Redaktionsgeheimnis, das auch der BND zu achten hat” ginge. Zudem verweist er in diesem Zusammenhang auf den Pressekodex, welcher Spitzel-Tätigkeit von Journalisten explizit ausschließt. Unter Richtlinie 5.2. des Kodex heißt es unmissverständlich:

“Nachrichtendienstliche Tätigkeiten von Journalisten und Verlegern sind mit den Pflichten aus dem Berufsgeheimnis und dem Ansehen der Presse nicht vereinbar.”

Die Frage, die sich nun auftut, lautet, ob der BND mit seiner Auffassung wissentlich gegen geltende Weisungen des Kanzleramtes verstößt und welche Konsequenzen daraus resultieren könnten. Doch diesbezügliche Presseanfragen beantworten BND und Kanzleramt mit der immergleichen copy/paste-Antwort:

„Der Bundesnachrichtendienst nimmt zu Angelegenheiten, die etwaige nachrichtendienstliche Erkenntnisse oder Tätigkeiten betreffen, grundsätzlich nicht öffentlich Stellung. Damit ist keine Aussage getroffen, ob der Sachverhalt zutreffend ist oder nicht.“

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch, wie unterschiedlich das Agieren des BND von Opposition und Regierungsvertretern beurteilt wird.

Während beispielsweise der Vertreter der Linksfraktion im für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr), Dr. André Hahn, das Thema für höchstproblematisch hält und den Sachverhalt daher schnellstmöglich auf die Tagesordnung des Gremiums bringen will, erklärt der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Helge Limburg, er halte es grundsätzlich für legitim, dass der BND Im Ausland auch auf Journalisten als Informanten setzt. „Befremdlich“ fände der Grünen-Sprecher es lediglich, „wenn der Auslandsnachrichtendienst versuchen würde, deutsche Korrespondenten anzuwerben.“

Man sieht, die praktizierte Doppelmoral der Grünen in Regierungsverantwortung macht selbst bei der Frage zur Nutzung von Journalisten als Spitzel von deutschen Nachrichtendiensten keinen Halt. Anwerbung von Journalisten beim russischen Kommersant, der kubanischen Granma oder der französischen Le Monde diplomatique sind nach dieser Logik völlig legitim, nicht goutiert wird lediglich, wenn der BND sich dem Korrespondenten der Grünen-nahen taz oder der Süddeutschen Zeitung zuwenden würde.

Titelbild: shutterstock / bofotolux

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