Horst D. Deckert

Selbstzensur verändert die Gedanken und schadet der Gesundheit

Eine aktuelle Studie beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Selbstzensur von Menschen mit (angeblichen) Minderheitenmeinungen auf die Gedanken und auf das Verhalten der Betroffenen. Die Ergebnisse überraschen nicht. Selbstzensur verändert das Wesen von Menschen – und kann sie auch depressiv machen.

Es gibt ein Sprichwort, das besagt, dass Gedanken zu Worten und Worte zu Taten werden würden. Dies mag in manchen Fällen durchaus zutreffend sein, wenngleich nicht jeder einzelne Gedanke auch zu entsprechenden Taten führt. Doch in der jüngsten Zeit nehmen Tendenzen zur Einschränkung der Meinungsfreiheit und -vielfalt zu, weil die Politik in ihrem Zensurwahn unangenehme Meinungen verbieten möchte. Ein höchst ungesundes gesellschaftliches Klima entsteht.

In einer kürzlich im Journal of Environmental Psychology veröffentlichte Studie mit dem Titel “Self-silencing predicts behavioral conformity in sustainability contexts” wurden etwa 250 Studenten zu ihrer Meinung über die Hochschulrichtlinie zur Erhöhung pflanzlicher (also vegetarischer bzw. veganer) Lebensmitteloptionen befragt. In Zweiergesprächen wurde dann überprüft, ob sie ihre tatsächliche Meinung äußern und ob sich diese von der öffentlich geäußerten Meinung unterscheidet.

Selbstzensur führt zu Handlungen gegen die eigene Überzeugung

Die Ergebnisse zeigten, dass Studenten, die mehr vegetarische/vegane Lebensmittel nicht unterstützten, dazu neigten, ihre wahren Meinungen nicht zu teilen, weil sie sich in der Minderheit wähnen. Sie erläuterten ihre Ansichten seltener, besonders im Gespräch mit Befürwortern der Mehrheitsmeinung. Selbst in Paarungen mit Gleichgesinnten neigten sie zur Selbstzensur, wenn auch in geringerem Maße. Dabei verwendeten sie insbesondere Vermeidungstaktiken, wie beispielsweise Gleichgültigkeit oder Themenwechsel.

Und nicht nur das – die Selbstzensur führte sogar dazu, dass die Betroffenen gegen ihre eigene Meinung handeln. In einer Folgeaktivität konnten Studienteilnehmer ihre Unterstützung nämlich für die verstärkte pflanzliche Ernährung durch schnelles Mausklicken zeigen. Überraschenderweise klickten diejenigen, die dies eigentlich ablehnten, etwa genauso häufig wie die Befürworter – und das entgegen ihren eigenen Überzeugungen. Diese Ergebnisse zeigen: Wenn Minderheitsmeinungen unausgesprochen bleiben, entsteht der Eindruck einer dominierenden Mehrheitsmeinung, was einen Kreislauf des Schweigens erzeugen kann.

Die Schweigespirale unterbrechen – für die eigene Gesundheit

Die Studienautoren kritisieren diese Schweigespirale, weil sie zu einem extremen Anpassungsdruck bei jenen Menschen führt, die sich in einer Minderheitenposition befinden – oder sich (wegen der schweigenden Mehrheit) darin wähnen. Sie fordern die Menschen dazu auf, zu ihrer Meinung zu stehen und darüber zu diskutieren, auch wenn es unangenehm ist. Aber auch die Gesellschaft müsse offener für einen zivilisierten Diskurs sein, da dies nur in beide Richtungen funktioniere.

Für die Betroffenen heißt Selbstzensur auch emotionaler Stress. Mehr noch, wenn man auch zusätzlich gegen die eigenen, persönlichen Überzeugungen handeln muss. Dies führt zu Depressionen und psychosomatischen Erkrankungen. Eine Gesellschaft, die sich stark für Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt engagiert, tut damit auch der eigenen seelischen Gesundheit einen Gefallen. Die Gesundheit der Bevölkerung spielt für die Politik allerdings eher keine Rolle – und wenn Meinungen nicht mehr geäußert werden, haben die Zensurwahnsinnigen ihr Ziel erreicht. Diesen Erfolg sollte man ihnen im Sinne der Demokratie nicht gönnen.

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