Horst D. Deckert

So versuchte Selenskyj Israels Premierminister Netanjahu zu erpressen

Abstimmungen zu UN-Resolutionen arten gerne zu einem politischen Kuhhandel aus. So auch jene kürzlich in Bezug auf die israelische Besetzung palästinensischer Gebiete, bei der der ukrainische Staatschef versuchte, den israelischen Premierminister zu erpressen.

Der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskyj, ignorierte die Aufforderung des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu, gegen die Resolution der UN-Vollversammlung zur Besetzung der palästinensischen Gebiete zu stimmen, weil Tel Aviv Kiew eine militärische Unterstützung verweigert, so ein aktueller Bericht von “Axios“, der sich auf anonyme israelische und ukrainische Beamte beruft. Selenskyj, der schon die Vorgängerregierung in Tel Aviv scharf kritisierte, setzt damit offensichtlich auf ein “Freund-Feind-Schema”: Wer nicht bedingungslos für die Ukraine ist, stellt sich gegen sie.

Nach Angaben eines ukrainischen Beamten hat der israelische Premierminister in einem Telefonat am vergangenen Freitag den ukrainischen Präsidenten gebeten, gegen die Resolution der UN-Generalversammlung zu stimmen. In der von Palästina eingebrachten Resolution wurde vorgeschlagen, den Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag um ein Gutachten über den rechtlichen Status der “anhaltenden Besetzung, Besiedlung und Annexion der seit 1967 besetzten palästinensischen Gebiete durch Israel” zu ersuchen. Der Antrag wurde schließlich am 30. Dezember von der UN-Generalversammlung mit 87 Ja-Stimmen, 24 Nein-Stimmen und 53 Enthaltungen angenommen.

Am Vorabend der Abstimmung führte Netanjahu eine Reihe von Gesprächen mit führenden Vertretern von Ländern, die ihre Unterstützung für die Initiative zum Ausdruck brachten, darunter Wolodymyr Selenskyj. Die Ukraine hatte bereits vor einigen Wochen in einer Abstimmung des UN-Ausschusses für die Resolution gestimmt. Kiew hatte sich israelischen Aufforderungen widersetzt, bei der Abstimmung im UN-Ausschuss gegen die Resolution zu stimmen, weil Israel der Ukraine militärische Hilfe verweigert, wie ukrainische Beamte erklärten. Beamte des israelischen Außenministeriums waren damals wütend und luden den ukrainischen Botschafter zu einem Gespräch vor.

Der ukrainische Staatschef sagte, dass er im Gegenzug für die Ablehnung der Resolution oder die ukrainische Stimmenthaltung bei der Abstimmung am 30. Dezember gerne erfahren würde, wie die neue israelische Regierung ihre Politik gegenüber Kiew ändern und der Ukraine Luftabwehrsysteme liefern würde. Netanjahu versprach nichts, erklärte sich aber bereit, die Wünsche des ukrainischen Führers in Zukunft zu erörtern. Den Berichten zufolge gefiel Selenskyj diese Antwort nicht und er erklärte sich nicht bereit, gegen die Resolution zu stimmen oder sich der Stimme zu enthalten. Infolgedessen war der ukrainische Vertreter bei der Abstimmung in der Generalversammlung nicht anwesend. Die israelischen Behörden seien von der Entscheidung Kiews enttäuscht, sagte ein hoher israelischer Beamter dem US-Politmagazin.

Israel hat eigenen Angaben zufolge der Ukraine bislang lediglich humanitäre und medizinische Hilfe zukommen lassen, will jedoch keine modernen Luftabwehrsysteme (Iron Dome) liefern. Doch israelischen Medienberichten zufolge (Report24 berichtete) wurde Tel Aviv von Washington zur heimlichen Unterstützung Kiews gedrängt. Demnach war Israel quasi der Mittelsmann für diverse Waffenkäufe und -lieferungen an die ehemalige Sowjetrepublik. Doch dem ukrainischen Staatschef ist das nicht genug. Und nun hieß es eben: Entweder bekommt die Ukraine israelische Luftabwehrsysteme, oder Kiew wird bei den UN-Resolutionen nicht (mehr) zugunsten Tel Avivs abstimmen.

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