Horst D. Deckert

Souveränität oder EU-Provinz? Präsidentenwahlen in Rumänien und Polen: Richtungsentscheidungen für Europa

„Unsere Nationen erwachen, wir werden nicht zulassen, dass die neomarxistische Ideologie oder der Green Deal dominieren!“ Und: Gemeinsam wolle man verhindern, dass Polen und Rumänien zu „Provinzen der EU“ degradiert würden.

Der Mann, der einige Tage zuvor diese forsche Ansage vor einer jubelnden Menge und einem Meer polnischer Nationalflaggen im oberschlesischen Hindenburg (polnisch Zabrze) macht, ist Karol Nawrocki, der als parteiloser Kandidat für die nationalkonservative polnische Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) an diesem Sonntag zur Präsidentenwahl in Polen antritt.

An seiner Seite stand bei dieser Wahlkampfkundgebung mitten im Kohlerevier Oberschlesiens der Rumäne George Simion, der an demselben Sonntag ebenfalls eine Schicksalswahl zu bestehen hat: Er geht als Favorit in die Stichwahl um die Neubesetzung des Präsidentenamts in Rumänien.

Die ungewöhnliche Allianz aussichtsreicher Kandidaten aus zwei EU-Ländern im Osten Europas, die in der Vergangenheit nur selten gemeinsame Ziele verfolgten, wirft ein Schlaglicht darauf, was bei dieser doppelten Präsidentenwahl auf dem Spiel steht.

Im Kern geht es darum, ob die EU-hörigen alten Eliten, die von Brüssel mit allen – auch unlauteren –Mitteln gestützt werden, weiterhin am Ruder bleiben und reibungslos mitspielen, oder ob sich neue Strömungen und Mehrheiten in den Nationen, die von der zentralistischen EU-Ideologie abweichende nationale Interessen verfolgen, auch in der Besetzung der höchsten Ämter im Staat niederschlagen können.

Kulturkampf in Polen

Nawrockis Opponent im Kampf um die Präsidentschaft in Polen, der Warschauer Stadtpräsident Rafał Trzaskowski, ist der Wunschkandidat der EU-Eliten. Er will im zweiten Anlauf die Nachfolge des Amtsinhabers von der PiS Andrzej Duda antreten, gegen den er 2020 noch verloren hatte und der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten kann. Trzaskowski gehört der „Bürgerkoalition“ (KO) an, der Regierungspartei des liberalen Ministerpräsidenten Donald Tusk.

Trzaskowski soll im Fall eines Wahlsiegs die brachiale Säuberung vollenden, die Tusk mit rechtsstaatlich fragwürdigen Mitteln, aber mit dem Segen der EU, gegen Anhänger und politische Weichenstellungen der zuvor regierenden PiS durchführt. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Polen hat Tusk sofort nach seiner Machtübernahme faktisch gleichgeschaltet; die Rückgängigmachung der PiS-Justizreform, die den Einfluss der alten sozialistischen Eliten zurückgedrängt hatte, blockiert vorerst noch der amtierende Präsident Duda mit seinem Veto.

Trzaskowskis Programm ist, was man in Brüssel gerne hört: Liberalisierung des Abtreibungsrechts und Sonderrechte für sogenannte „sexuelle Minderheiten“. Als Warschauer Stadtoberhaupt ließ er die Kreuze in den Amtsstuben abhängen und marschierte bei LGBT-Paraden mit.

Um auch auf dem Land zu punkten, wo man ihn für einen liberalen Großstadtschnösel hält, äußert Trzaskowski sich verschiedentlich auch im Sinne einer restriktiveren Migrationspolitik und schließt sich den antideutschen Tönen an, mit denen die PiS erfolgreich Stimmung macht.

Für deren alternden Chef Kaczynski geht es um die Rückkehr an die Macht. Sein Überraschungskandidat Nawrocki, ein Historiker aus Danzig (polnisch Gdańsk) und ehemaliger Sportler, der mit einer Arbeit über den öffentlichen Widerstand gegen die kommunistische Herrschaft in der Woiwodschaft Elbing (polnisch Elbląg) promoviert wurde, soll rechte Wähler mobilisieren und hatte auch schon eine Audienz mit Fototermin bei US-Präsident Donald Trump.

Da voraussichtlich keiner der Bewerber im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreichen wird, ist eine Stichwahl in zwei Wochen am 1. Juni wahrscheinlich.

Wahlthriller in Rumänien

In Rumänien steht die entscheidende Stichwahl bereits an diesem Sonntag an. Vorausgegangen war ein regelrechter Polit-Thriller, bei dem die Schurken-Rolle klar der Brüsseler EU-Nomenklatura und den von ihr gesteuerten rumänischen Eliten zufällt.

Nachdem im November 2024 Călin Georgescu mit einer professionellen Kampagne gegen die alten Eliten die erste Runde der Präsidentenwahl gewonnen hatte, war diese unter konstruierten Vorwänden annulliert worden. Der zentrale Vorwurf gegen den Überraschungssieger erwies sich schnell als haltlos: Die angeblich „von Russland“ illegal finanzierte TikTok-Kampagne, die Georgescu einen vermeintlich unredlichen Wahlerfolg gebracht haben sollte, war in Wahrheit von den herrschenden Eliten um den noch amtierenden Präsidenten Iohannis inszeniert worden.

Trotzdem wurde Georgescu wegen angeblicher weiterer Unregelmäßigkeiten auch von der neu angesetzten Wiederholungswahl ausgeschlossen worden. Als sein politischer Sachwalter trat der 38-jährige großrumänische Nationalist und Social-Media-Profi George Simion an, der den ersten Wahlgang souverän gewann und auch in den Umfragen für die Stichwahl mit großem Vorsprung führt.

Simion genießt, ebenso wie der polnische Anti-Establishment-Bewerber Karol Nawrocki, die Unterstützung der Trump-Regierung. Vizepräsident JD Vance hatte die von der EU veranlasste Annullierung des ersten Durchgangs der Präsidentenwahl 2024 durch das rumänische Verfassungsgericht in seiner aufsehenerregenden Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit scharfen Worten kritisiert.

Waterloo der EU-Eliten?

Zweiter Stichwahl-Kandidat ist Nicușor Dan, seit 2020 Bürgermeister der Hauptstadt Bukarest. Der promovierte Mathematiker, der sich als Denkmalschützer und Anti-Korruptions-Kämpfer einen Namen gemacht hat, gilt als konservativer Liberaler und ist Hoffnungsträger der Pro-EU-Kräfte, obwohl auch er eine Außenseiterposition vertritt. Die von ihm gegründete „Union rettet Rumänien“ (USR) hatte er verlassen, weil er sich mit seiner pragmatischen Einstellung zur gleichgeschlechtlichen Ehe nicht durchsetzen konnte.

Trotzdem unterstützt ihn die USR in der Präsidentenwahl; die etablierten alten Parteien waren schon im ersten Durchgang ausgeschieden. Für die EU-Eliten ist Dan das „kleinere Übel“; Georgescu und Simion, die sich gegen eine tiefere Verwicklung Rumäniens in den Ukraine-Krieg und gegen den massiven Ausbau der Nato-Präsenz in dem Land am Schwarzen Meer stellen, sind für sie das größere Problem.

Im ersten Wahlgang lag Dan allerdings zwanzig Prozentpunkte hinter Simion, der 41 Prozent holte. Sollte er die Wahl gewinnen, will Simion den handstreichartig aus dem Rennen genommenen Georgescu zum Ministerpräsidenten ernennen. Für die EU-Eliten könnte die rumänische Präsidentenwahl zum Waterloo werden.

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