Horst D. Deckert

SPD-Doppeldenk: Sarrazin, Schröder und die moralische Konsequenz

Angebrachte Streitlust: SPD-Renegat Thilo Sarrazin (Foto:Imago)

In „Bild” übte gestern der Autor und frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin, der von öffentlich-rechtlichen Journalisten und anderen „seriösen“ Medien inzwischen munter und undifferenziert als „Rassist” tituliert werden darf, heftigste Kritik an der SPD wegen deren inkonsequentem Umgang mit ihrem Ex-Star und Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder: Indem er, Sarrazin, 2020 nach jahrelangem Hickhack von der SPD wegen seiner in Buchform dargelegten pointierten Meinung zu den katastrophalen Folgen kulturfremder und vor allem muslimischer Problemzuwanderung ausgeschlossen wurde, Schröder jedoch trotz erwiesener Nähe zu einem russischen Kriegsverbrecher und Despoten weiter in der Partei sei, zeige die SPD ihre ganze Doppelmoral.

Für die Parteiführung, so Sarrazin, sei Islam-Kritik somit also nachweislich ein größeres Sakrileg als „die aktive Unterstützung eines Kriegsverbrechers und Massenmörders durch Gerhard Schröder”. In der Tat lässt die von Sarrazin angeprangerte moralische Heuchelei tief blicken – und zeigt, wie opportunistisch und wahl- bzw. stimmungstaktisch die Genossen bei der Definition und Sanktionierung ihrer jeweiligen Tabus und No-Gos verfahren. Bei Sarrazin hört es sich zwar leicht wehleidig an, wenn er beklagt, der Parteivorstand habe bei ihm wegen seiner Islam-Kritik den Ausschluss prompt beantragt, doch dasselbe Gremium tue bei Schröder so, „als habe es damit nichts zu tun, als sei das eine bürokratische Angelegenheit von Orts- oder Kreisverbänden”, doch im Kern hat er recht: Es zeugt von Feigheit und Verlogenheit, wenn die Parteichefin Saskia Esken darauf setzt, dass Schröder den „notwendigen Schritt” eines Parteiaustritts selbst vollziehen solle. Soviel Gesichtswahrung wurde Sarrazin nie zugestanden.

Tomaten auf den Augen

Und natürlich trifft Sarrazin ins Rote bzw. Schwarze, wenn er der SPD um die Ohren haut, dass sie selbst im Grunde nicht viel besser ist als ihr Altkanzler. Jahrelang habe die Partei die Augen vor den Vorgängen im Kreml fest verschlossen: „Die Probleme und Fehler von Gerhard Schröder, die Inhalte, die er vertreten hat, stehen exemplarisch für die ganze Partei, vor allem für die Parteiführung: Bundespräsident Steinmeier und auch Olaf Scholz selbst, haben über Jahre nichts anderes vertreten als Schröder. Bundeskanzler Scholz sprach noch kurz dem Einmarsch bei Nord Stream 2 von einem rein wirtschaftlichen Projekt, obwohl die ganze Welt sehen konnte, dass das nicht stimmt”, ätzt Sarrazin berechtigterweise.

Noch im letzten Bundestagswahlkampf habe Parteichef Lars Klingbeil mit Schröder zusammen auf der Bühne Wahlkampf für sich gemacht, und Schröder somit also „als Aushängeschild und Stimmenfänger genutzt“ Dabei sei die von SPD-Granden wie Frank-Walter Steinmeier, zuvor auch Matthias Platzeck und natürlich Manuela Schwesig betriebene Russland-Politik ein strukturelles Grundproblem der SPD insgesamt. Man müsse, so Sarrazin, „Tomaten auf den Augen haben, um nicht zu erkennen, dass Putin von Beginn an sein Land auf einen faschistisch-diktatorischen Weg führt.” Für Sarrazin hat sich die SPD jedenfalls erledigt: „In so eine Partei würde ich im Leben nicht wieder eintreten.

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