Horst D. Deckert

Steffen Kotré: „Wir werden als Nazis verunglimpft“

Der 50-jährige Steffen Kotre ist einer von fünf AfD-Vertretern aus Brandenburg, die seit 2017 im Bundestag sitzen. Ein Streitgespräch über Sprachverrohung, Kernenergie, den Klimawandel und warum er Björn Höcke gut findet.

Als wirtschafts- und energiepo­litischer Sprecher seiner Partei spricht Steffen Kotre häufig im Bundestag. Privat ist der 50-Jäh­rige mit der AfD-Abgeordneten Lena Duggen aus dem Brandenburger Landtag ver­lobt und hat mit ihr ein kleines Kind.

Herr Kotre, mich interessiert, wie man AfD-Politiker wird. Ich habe gelesen, dass Sie in der DDR eine Berufsausbildung mit Abitur als Elektromonteur vollendet haben?

Ich bin in Berlin-Friedrichshain groß ge­worden und habe ab 1987 eine Berufs­ausbildung mit Abitur im VEB Elektroprojekt- und Anlagenbau absolviert. An­schließend habe ich ein Jahr Zivildienst in der Charité gemacht.

Die Berufsausbildung mit Abitur war eine gute Sache, oder?

Ja, vor allem sehr praxisbezogen. So et­was fehlt heute eigentlich. Ich war ab dem zweiten Lehrjahr im Halbleiterwerk Frankfurt (Oder). Wir haben dort einen Rohbau elektrifiziert. Das wurde aller­dings bis zum Ende der DDR nicht mehr fertig.

Was waren Ihre Eltern von Beruf?

Ich bin ein reinrassiges Lehrerkind. Mein Vater war Lehrer für Deutsch und Ge­schichte, meine Mutter für Russisch und Sport.

Und was sagen sie dazu, dass Sie heute in der AfD sind?

Meine Mutter ist schon verstorben. Mit meinem Vater habe ich früher darüber diskutiert, aber inzwischen lassen wir es, weil wir uns zu sehr fetzen. Mein Vater hat immer noch den Glauben, dass man Deutschland mit linksliberalem Denken politisch führen könnte, was ja nicht der Fall ist.

Wie ging Ihr Weg im vereinten Deutschland weiter?

Die Wende kam für mich goldrichtig. 1991 habe ich ein Wirtschaftsingenieurstudi­um an der TU Berlin begonnen. Im An­schluss habe ich in Unternehmensbera­tungen gearbeitet, die kleine und mittel­ständische Unternehmen aus Berlin und Brandenburg bei ihren Finanz- und Ge­schäftsplänen, aber auch bei Insolvenzen unterstützt haben.

Und wann begannen Ihre politischen Aktivi­täten?

Ich bin in den 1990er-Jahren in die FDP eingetreten, weil damals Jörg Haider und die FPÖ aus Österreich zu uns als konser­vativ-liberales Beispiel herübergeleuch­tet haben. Aber dieses Modell hat sich in der FDP leider nicht verwirklichen las­sen. Deshalb bin ich zehn Jahre später wie­der raus.

Ist Ihnen die FDP zu links?

Sie ist mir nicht genügend patriotisch und auf die Wahrung deutscher Interes­sen bedacht. Man kann nicht immer nur liberal sein, sondern muss auch – wenn es notwendig ist – klare Kante zeigen. Ich kann auch nicht immer nur von Europa schwafeln, sondern muss eigene Interes­sen wahrnehmen, so wie das alle anderen Staaten in der Welt auch tun.

Niemand profitiert doch so viel von Europa wie die die deutsche Wirtschaft mit ihrer Ex­portstruktur?

Das wage ich zu bezweifeln. Der Portugie­se kauft keinen Kühlschrank von Siemens, weil wir in der EU sind, sondern weil das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Wir würden unsere Produkte auch bei einer anderen Form der Zusammenarbeit in Eu­ropa verkaufen und wenn wir nicht im­mer nur unser Geld nach Europa transfe­rieren würden.

Was gab den Ausschlag, dass Sie Mitglied der AfD wurden?

Ich las 2013 in der Zeitung, dass hier Pro­fessoren am Werk sind. Und dass das end­lich mal eine ernst zu nehmende konser­vative Partei ist, die auch die Chance hat, Erfolg zu haben. Mich interessiert in der Politik, wenn jemand auf die eigenen Leu­te und deren Interessen schaut und nicht immer fremdländelt, um es mal so aus­zudrücken.

Was halten Sie von dem Argument: In Europa wurden jahrhundertelang Kriege geführt, weil alle Staaten ihre eigenen Interessen durch­setzen wollten. Die EU verhindert dies durch gemeinsame Interessen?

Dass man sich nach der furchtbaren Kata­strophe des Zweiten Weltkriegs und den Nazi-Verbrechen zusammengefunden hat, ist eine ganz wunderbare Sache und auch notwendig. Aber wir sehen heute die Pervertierung dieser europäischen Idee. Eine Wirtschaftsunion hat uns Erfolge ge­bracht, aber jetzt die Währungsunion und die Ausrichtung an Zielen, die vom Bür­ger weit, weit weg sind, sind völlig falsch.

Gerade dadurch wächst auch wieder die Entfremdung: Die Griechen sind auf uns sauer, wir sind auf die Griechen sau­er. Die Polen machen eine Justizreform und werden dafür gemaßregelt, Ungarn sagt zu Recht: Wir wollen keine Migran­ten aufnehmen, und wird auch gemaßregelt. Die real existierende EU ist nicht zu vergleichen mit der Idee des Zusammen­kommens souveräner Staaten.

Sie scheinen von dem, was Sie sagen, sehr überzeugt zu sein. Manchmal ist es auch ganz gut, wenn man sich mit Leuten austauscht, die andere Meinungen haben, und davon et­was annimmt?

Wenn es richtig wäre, ja. Aber in Deutsch­land kommen immer weniger Leute zu Wort, die ideologiefrei argumentieren, weil sie weggebissen werden. Bestes Bei­spiel ist der Umweltbereich, der längst links-grün-versifft und mit ideologischen Funktionären verseucht ist, die andere Meinungen unterdrücken.

Worte wie „versifft“ und „verseucht“ sind be­leidigend. Können Sie nicht anders argumen­tieren?

Kann man, ja, aber wir werden auch als Nazis verunglimpft. Diese angebliche Ver­rohung, die immer beklagt wird, geht nicht von uns aus, sondern von den anderen. Wenn ich „versifft“ sage, meine ich damit eine Handlung oder eine Meinung, aber nicht den Menschen als solchen. Soviel Freiheit möchte ich schon haben, dass mir nicht ständig einer damit kommt, dass ich lieb sein soll. Denn die Auseinanderset­zung ist zu ernst dafür, als dass man hier weich bemäntelt.

Diskreditiert es nicht Sie selbst, wenn Sie Be­griffe wie „versifft“ gebrauchen?

(Lacht) Wenn Sie mit diesem Maßstab rangehen, müssten Sie eigentlich fast den kompletten Bundestag austauschen. Ich gebe zu, dass das nicht fein ist, und eigent­lich bin ich auch eher harmoniebedürftig. Aber wir haben mittlerweile eine Säube­rung in diesem Land. Nehmen Sie etwa den Chef des Bundesverfassungsschut­zes Maaßen. Der ist aus dem Amt ent­fernt worden, weil er die AfD nicht beobachten wollte. Wenn ich solche Begrif­fe nicht mehr verwenden darf, dann hat das schon mit einer gewissen Verbotskul­tur zu tun, um Dinge nicht beim Namen zu nennen. Das ist mit mir nicht zu machen.

Sie haben im Bundestag erklärt: Kernenergie ist sauber, sicher und umweltfreundlich!

Ja, genau.

Nach der Fukushima-Katastrophe war es doch Mehrheitsmeinung, aus der Atomkraft auszusteigen?

Das bezweifle ich. Das ist vielleicht die veröffentlichte Meinung, die die Medien bringen, weil das Merkel plötzlich so wollte. Fukushima kann nicht bei uns passieren und auch Tschernobyl nicht. Da ist Panik­mache im Gange. Wir brauchen doch nur nach Frankreich zu schauen, wie Kern­kraft funktioniert.

Wenn die Wirtschaft auf neue Umweltbedin­gungen reagiert, ist das doch auch eine in­genieurtechnische Herausforderung, um an Ihren beruflichen Hintergrund anzuknüpfen!

Es ist auch unsere Meinung, dass wir mit dem Klimawandel umgehen müssen. Aber Menschen können das Klima nicht beein­flussen, zumindest wüsste ich nicht, wie.

Wir haben es doch durch unsere Wirtschaft beeinflusst. Tiere und Pflanzen bauen nun mal keine Kohlekraftwerke, die CO2 aussto­ßen!

Es gibt keine Beweise dafür, dass die Men­schen maßgeblich zur Erwärmung beige­tragen haben. Das sind ideologische Äu­ßerungen. Ich bestreite nicht, dass CO2 ein Klimatreiber ist. Aber so, wie immer die nahende Katastrophe dargestellt wird, das wage ich zu bezweifeln. Dazu kommt noch: Wenn wir unsere Wirtschaft in Deutschland kaputt machen, hat das auf den Temperaturanstieg einen Effekt von 0,000 und ein paar zerquetschten Grad. Es ist also völlig sinnlos, was wir hier tun.

Themenwechsel: Können Sie sich – als Kon­servativ-Liberaler, wie Sie sagen – mit der Aussage von Alexander Gauland identifizie­ren: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogel­schiss in der mehr als tausendjährigen deut­schen Geschichte?“

Das kann man durchaus falsch verstehen. Aber nicht mit dieser Vehemenz und Dif­famierung, die damit verbunden ist. Dr. Gauland meinte, dass in den Medien und auch sonst in unserer Gesellschaft im­mer wieder nur auf diese zwölf Jahre re­flektiert wird und die Menschen dadurch zermürbt werden. Darunter hat der deut­sche Nationalstolz gelitten. Die Deutsch­land-Fahne sieht man ja jetzt erst wieder, wo doch in anderen Ländern die jeweili­gen Nationalfahnen immer mit Stolz ge­tragen wurden. Natürlich sind die Verbre­chen der Nationalsozialisten kein Vogel­schiss. Aber das meinte er auch nicht.

Ich finde, dass wir eher stolz darauf sein soll­ten, welche Lehren die deutsche Gesellschaft aus diesem schlimmen Kapitel ihrer Ge­schichte gezogen hat!

Das sollten wir durchaus sein. Nur wenn es überbetont wird, dann stecken hand­feste politische Interessen dahinter. Etwa das Ziel, aus Deutschland immer wieder Gelder locker zu machen. Oder dass man solche Nichtregierungsorganisationen ali­mentiert, wie etwa die unsägliche Ama- deo-Antonio-Stiftung, oder die Bundes­zentrale für politische Bildung, die an­derslautende politische Meinungen dif­famieren.

Es gibt ja außer Herrn Gauland noch Herrn Höcke. Ist es Ihnen angenehm, mit dem in ei­ner Partei zu sein?

Durchaus schon. Wenn Sie mal eine Ver­anstaltung mit ihm erleben, dann ist da schon so eine Stimmung, in der dankbar aufgenommen wird, dass das keiner ist, der dieses miefige BRD-Sprech draufhat. Keiner, der hinter dem Berg hält, sondern der uns aus der Seele spricht.

Wenn ich Herrn Höcke höre, habe ich das Ge­fühl: Hier spricht ein Scharfmacher, der die Menschen dazu aufhetzt, die bestehende Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland zu stürzen!

Das wird uns zwar immer vorgeworfen. Aber gerade wir sind es doch, die das Grundgesetz mit Leben füllen wollen, das von den Regierungsparteien mit Füßen ge­treten wird. Das Problem, welches auch durch Ihre Fragen durchschimmert, ist je­doch, dass alles ständig moralisierend be­trachtet wird.

Ich würde das nicht als moralisierend be­zeichnen. Ziel meiner Fragen ist auch festzu­stellen, wo das Stück gemeinsamer Grundla­ge ist, auf der wir miteinander reden können.

Da würde ich aus dem Bauch sagen: Das ist die freiheitlich-demokratische Grund­ordnung.

Gestehen Sie Grünen, Linken oder Leuten aus Ihrer ehemaligen Partei FDP zu, eine andere Meinung zu haben?

Also ich billige gerade den Links-Grünen zu, dass sie Überzeugungstäter sind. Was ich dagegen von Teilen der SPD und vor allem auch von der CDU nicht glaube. Denn das sind Machtopportunisten, die andere Dinge sagen als das, was sie als Überzeugungen im Inneren haben.

Ich habe mich auch mal mit einer grü­nen Kollegin im Bundestag angenehm un­terhalten. Aber da führt kein Weg zusam­men und wir werden uns immer politisch bekämpfen. Wenn ich aber sehe, dass die­jenigen, die ständig den moralischen Zei­gefinger heben, damit einverstanden sind, dass unser Grundgesetz millionenfach ge­brochen wird, dann fällt mir dazu nichts mehr ein.

Was meinen Sie damit konkret?

Na zum Beispiel den Artikel 16 a im Grund­gesetz, in dem es heißt, dass sich niemand auf politisches Asyl in Deutschland be­rufen kann, der aus einem Mitgliedsstaat der EU oder aus einem anderen sicheren Drittstaat einreist. Die ein bis zwei Milli­onen Flüchtlinge, die über Österreich ein­gereist sind, dürften gar nicht bei uns sein.

Ich fand es während der Flüchtlingskrise gut, dass gerade auch die zumeist katholischen Bayern gesagt haben: Es geht nicht so weiter, dass wir täglich Zehntausend Menschen auf­nehmen. Aber jedem Einzelnen, der vor mei­ner Tür steht und nichts hat, dem wird ge­holfen, gerade auch Frauen und Kindern. Das war einfach menschliches Handeln aus ei­nem christlichen Impuls. Ich vermisse da das Menschliche bei Ihrer Partei.

Genau diese Argumentation ist falsch, weil sie wieder dieses Moralische hat. Mit dieser Politik der falschen Hilfe drohen wir Deutsche eine Minderheit im eige­nen Land zu werden. Die gesamte Politik meiner Partei wird darauf zielen, dies zu verhindern. Außerdem könnte jeder Euro, den wir hier bei uns für Flüchtlinge aus­geben, das Dreißigfache bewirken, wenn wir ihn in den Herkunftsländern ausgeben würden. Die Leute nach Deutschland zu holen, führt nur zu sozialen Spannungen und zu Konflikten. Das gilt vor allem für Menschen, die aus orientalischen und is­lamischen Ländern kommen.

Als Drittplatzierter auf der Brandenburger Landesliste werden Sie wahrscheinlich auch dem künftigen Bundestag angehören. Aller­dings wieder in der Opposition. Oder sehen Sie Chancen auf eine Regierungsbeteiligung der AfD?

Natürlich nicht. Aber wir wissen, dass ent­weder der Knall in der Wirtschaft oder durch sonstige Spannungen in der Gesell­schaft kommen wird, nach dem wir ge­fragt sein werden. Und wir wissen auch, dass wir im Osten eindeutig näher an die­sem Punkt sind als im Westen. Und wenn wir im Osten erst einmal in einer Landes­regierung sind, wird sich auch eine Nor­malisierung zur AfD herstellen.

Bei der Bundestagswahl 2017 wurde die AfD von rund 20 Prozent der Wähler in Bran­denburg gewählt und lag damals in diesem Bundesland auf Platz zwei hinter der CDU. Dass ihr der erneute Einzug in den Bundestag gelingt, ist sehr wahrscheinlich.

Quelle: Steffen Kotré/Telegram (mit Genehmigung von Steffen Kotré)


Ähnliche Nachrichten