Horst D. Deckert

Sterben für Staatsbürgerschaft? Hungerstreik für 104-jährige Südtirolerin

Als Hermine Orian 1919 geboren wird, gehört Südtirol noch zu Österreich. Wenig später wird das Land widerrechtlich von Italien annektiert. Seit vielen Jahren kämpft die 104-Jährige dafür, ihre österreichische Staatsbürgerschaft zurückzuerlangen. Vergeblich. Das zuständige Innenministerium spielt offenbar auf Zeit. Nun soll ein Hungerstreik die Verantwortlichen zum Handeln zwingen.

1918 wird Südtirol von Italien besetzt, Ende 1920 annektiert. Genau dazwischen wird Hermine Orian in Kurtatsch (Südtiroler Unterland) geboren. Und zwar als österreichische Staatsbürgerin. Diese wird ihr mit der Annexion ihrer Heimat aberkannt, die italienische aufgezwungen.

Letzte Katakomben-Lehrerin Südtirols

Seit vielen Jahren kämpft Hermine Orian nun für die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Bisher vergeblich. Man verweist dabei auf den Vertrag von St. Germain, der dies verunmöglichen würde. Dieser aufgezwungene Staatsvertrag regelte 1919 die Auflösung Österreich-Ungarns. Für Kritiker nur eine Ausrede. Immerhin könnte Frau Orian auch die Staatsbürgerschaft wegen besonderer Leistungen verliehen werden.

So ist Hermine Orian die letzte noch lebende Katakomben-Lehrerin Südtirols. Bereits mit 13 Jahren lehrte sie – trotz faschistischen Verbots – Südtiroler Kindern die deutschen Sprache. Deshalb erhielt sie in den 1960er einen Verdienstorden des Landes Tirol sowie zahlreiche weitere Ehrungen. Auch im österreichischen Außenministerium finden sich deshalb Befürworter für die Verleihung des österreichischen Passes an Frau Orian. Ein positives Gutachten bestätigt dies.

Innenministerium spielt auf Zeit

Das österreichische Innenministerium sieht das offenbar anders. Erst im März wurde der Antrag Orians deshalb abgelehnt. Der Ministerrat wollte sich dennoch im Laufe des ersten Halbjahres 2023 mit dem Fall beschäftigen. Mittlerweile wurde jedoch bekannt, dass auch dieser Termin nicht eingehalten werden wird. Für Kritiker ein Spiel auf Zeit.

Der Obmann des Andreas-Hofer-Bund, Mag. Alois Wechselberger, trat deshalb nun in den Hungerstreik. Aus Protest gegen ein „schamloses, menschenverachtendes Spiel“. Wechselberger setzt sich bereits seit Längerem für das Anliegen Orians ein.

Staatsbürgerschaft oder zwei Tote?

Seit 10. Juni, also seit nunmehr 19 Tagen, befindet sich Wechselberger im Hungerstreik. Sein Gesundheitszustand hat sich dabei stark verschlechtert. Ihm mussten bereits mehrfach Infusionen verabreicht werden. „Seine Stimme ist viel leiser geworden. Wenn er geht, muss er sofort stehen bleiben, weil er keine Kraft mehr hat“, bestätigt Johann Moser, der aktuell geschäftsführende Obmann des Andreas-Hofer-Bundes.

Sollte sich der Gesundheitszustand Wechselbergers nicht verbessern, droht der behandelnde Arzt sogar damit, ihm Ende dieser Woche eine Magensonde zu setzen. Dennoch bleibt Wechselberger kämpferisch. Erst im April 2023 hatte der Tiroler den Fall Orian im Gespräch mit AUF1 dargelegt.

Unter Druck steht nun das österreichische Innenministerium unter Innenminister Karner und seiner rechten Hand, Frau Dr. Pfleger (Abteilung Staatsbürgerschaft). „Wir sind besorgt, dass Frau Orian die „Rückgabe“ der österreichischen Staatsbürgerschaft – durch gezielte politische Vereitelung aus Wien – nicht erleben wird. Und wenn unser Obmann am Hungerstreik weiter festhält, müssen wir auch hier mit dem Schlimmsten rechnen“, erklärt der Andreas-Hofer-Bund in einer Aussendung.

Hier können Sie das Interview mit Alois Wechselberger, das wir im April 2023 geführt haben, nachsehen.

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