Horst D. Deckert

Studie sorgt für Aufsehen: Nanobots in Impfstoffen nachgewiesen?

Immer wieder wurden im Zuge der Corona-Impfkampagnen Befürchtungen laut, es könnten mit den neuartigen mRNA-Vakzinen Chips und Nanobots injiziert werden. Was für die einen lächerlich anmutet, machte anderen Angst. Nun wollen zwei Wissenschaftler solche Nanobots in den mRNA-Präparaten mikroskopisch nachgewiesen haben. Was ist dran? Eine Biochemikerin überprüfte die Studie.

Für einige hält die Veröffentlichung von Lee & Broudy, die im (leider nicht immer seriösen) International Journal of Vaccine Theory, Practice and Research publiziert wurde, bereits als Bestätigung einer weiteren Verschwörungstheorie her: Die Autoren wollen „Nanobot-artige“ Strukturen in den mRNA-Präparaten von Pfizer und Moderna entdeckt haben.

Die Autoren verstiegen sich zu folgendem Fazit:

Sowohl die Morphologie als auch die Verhaltenscharakteristika dieser beobachteten Phänomene legen nahe, dass diese injizierbaren Stoffe bei weitem nicht rein sind (Finn, 2011, S. 138), sondern dass sie sich aus bisher unbekannten zusätzlichen technischen Komponenten zusammensetzen, die auf eine Reihe von internen und externen Energieformen reagieren, die alle in der wissenschaftlichen Literatur nachweisbar und beschrieben sind.

Überprüfung durch erfahrene Biochemikerin

Prof. Dr. Anne S. Ulrich ist ordentliche Professorin für Biochemie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und blickt auf jahrzehntelange Erfahrung mit Membranbiophysik zurück. Sie hat sich die Studie von Lee & Broudy genauer angesehen und die Ergebnisse eingeordnet. Sie gibt Entwarnung – aber nur teilweise:

Bezüglich der “Nanobots” möchten wir aus langjähriger wissenschaftlicher Erfahrung grundsätzlich Entwarnung geben. Die selbst-assemblierenden Strukturen in den mRNA Impfstoffen sind weder künstliche Roboter noch Verunreinigungen, sondern vielmehr Reifungs- bzw. Abbauprodukte. Sie
bilden sich bei entsprechender (falscher) Lagerung aus den vorhandenen Lipid-Nanopartikeln.
Lipide machen bekanntlich den Hauptbestandteil der Impfstoffe aus, d.h. 2,5 mg/ml (ein Viertel davon ist Cholesterin), verglichen mit nur 0,1 mg/ml modRNA, in Gegenwart von etwa 100 mg/ml Saccharose und Salzen (laut Herstellerangaben für das gebrauchsfertige Comirnaty/BNT162b2). Anstatt nun irgendwelche unbekannte Zusätze für die kuriosen Objekte verantwortlich zu machen, ist es wesentlich plausibler, sich mit den Materialien zu befassen, die in den injizierbaren Formulierungen allemal reichlich vorhanden sind. Die typischen selbstassemblierten Strukturen von derartigen Lipiden sind seit Jahrzehnten bekannt und folgen einem natürlichen physikalischen Prozess. Daher sollten die mikroskopischen Strukturen an und für sich keinen Anlass zur Sorge geben. Allerdings sind die eingesetzten kationischen Lipide dafür bekannt Entzündungen hervorrufen oder verstärken zu können (Chen & Blakney, 2024). Sie haben auch ein hohes immunogenes und allergenes Potenzial, was gegen einen unbedachten Einsatz am Menschen spricht.

Quelle: Prof. Dr. Ulrich, Hervorhebungen durch Redaktion

Entwarnung – aber nur in einem Punkt

Die Lipid-Nanopartikel fungieren quasi als Trojanische Pferde, die modRNA in Zellen hineinschmuggeln, wo diese dann wiederum die Spike-Protein-Produktion initiieren kann. Zwar sollten bei frischen und ordnungsgemäß gelagerten modRNA-Präparaten keine Strukturen unterm Lichtmikroskop zu sehen sein – jedoch werden die Impfstoffe bei zu langer oder zu warmer Lagerung instabil:

Kürzlich wurde gezeigt, dass die Injektionspräparate von Pfizer/BioNtech und Moderna bis zu acht Tage lang gegenüber physikalischen Einflüssen recht beständig sind. Das darin enthaltene Cholesterin und die RNA sind jedoch lichtempfindlich und neigen unter Bestrahlung, die hellem Sonnenlicht entspricht, dazu oxidiert zu werden (Fongaro et al., 2023). Infolge eines solchen Abbauprozesses ordnen sich die Lipide neu an, sobald sie ihren Zusammenhalt durch Fragmentierung der RNA-Ketten verloren haben oder sich die molekulare Zusammensetzung verändert hat.

Quelle: Prof. Dr. Ulrich, Hervorhebungen durch Redaktion

Die merkwürdigen Anordnungen, die Lee und Broudy in ihrer Studie zeigen, überraschen die Biochemikerin wenig: Die Forscher haben ihr Material nicht nur über lange Zeiträume von bis zu zwölf Monaten inkubiert, sondern auch einige Proben mit destilliertem Wasser oder Blutplasma verdünnt oder ihnen Oxidationsmittel, Elektrolytlösungen oder kolloidale / mineralische Suspensionen hinzugefügt. Das alles nimmt Einfluss auf die Stabilität von Nanopartikeln und führt zur Umgruppierung von Lipiden. Die gezeigten Strukturen lassen sich biophysikalisch vollständig erklären. (Wen die exakten Erörterungen interessieren, dem sei die Lektüre des Kommentars von Prof. Dr. Anne Ulrich ans Herz gelegt.)

Die Lipide selbst können eine zytotoxische Wirkung entfalten. Viel gefährlicher als die Lipide seien aber die genetisch aktiven Komponenten der sogenannten Impfstoffe. Die Entwarnung vor Nanorobotern ist also keineswegs eine Entwarnung vor der Impfung und der mRNA-Technologie. In ihrem Fazit konstatiert Prof. Dr. Ulrich:

Zusammenfassend besteht als kein Grund, sich vor „Nanobots“ in den Impfstoffen zu fürchten. Es dürfte jedoch klar sein, dass neuartigen modRNA-Produkte erhebliche Risiken in sich bergen, und zwar nicht so sehr wegen der Toxizität der Lipide, sondern vielmehr aufgrund ihrer genetisch aktiven Komponenten. Obwohl hier potenziell schädliche Lipide eingesetzt werden, lassen sich deren verabreichten Mengen im Wesentlichen kontrollieren, und ihre zytotoxische Aktivität kann bewertet werden, wie es auch bei anderen traditionellen Arzneimitteln der Fall ist. Die Expression des Spike-Proteins hingegen entzieht sich grundsätzlich der Kontrolle, u.a. was die Verteilung der modRNA betrifft, den Typ der transfizierten Gewebes, die Persistenz der Proteinexpression, die Lebensdauer der aktiven modRNA, Kontamination mit DNA und deren möglichen Einbau in den Zellkern, und etwaige langfristige Auswirkungen auf das Immunsystem. Diese Risiken werden mit der nächsten Generation von selbstverstärkenden oder selbstreplizierenden RNA-Vektoren für Impfstoffe noch verschärft. Unserer Meinung nach sollte sich die weitere Forschung und öffentliche Diskussion auf diese kritischen Aspekte konzentrieren, anstatt übertriebene Ängste vor futuristischen, transhumanistischen Manipulationen durch Nanotechnologie zu schüren.

Quelle: Prof. Dr. Ulrich, Hervorhebungen durch Redaktion

Abschließend merkt sie an, wie leicht die Menschen durch Bilder dazu gebracht werden können, an das Schlimmste zu glauben – bei Lipidstrukturen unterm Mikroskop ebenso wie bei Konvois in Bergamo. Leider untergräbt es die Glaubwürdigkeit von berechtigter und notwendiger Kritik an den Corona-„Impfstoffen“, wenn bekannte Phänomene gefällig oder aus Unwissenheit falsch interpretiert werden. Wie so oft zeigt sich: Die Menschen müssen kritisch bleiben – auch und gerade dann, wenn Informationen die eigenen Ängste allzu gut zu bestätigen scheinen.

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