Horst D. Deckert

Tabulos und in einfacher Sprache: Physik für Politiker – am Beispiel des australischen Wombats

von Hans Hofmann-Reinecke

Es gab da einmal diesen Woody-Allen-Film über Alles was Sie schon immer über Sex wissen wollten, sich aber nicht zu fragen getraut haben. Ich bin sicher, Sie haben inzwischen alle Fragen zu dem Thema geklärt. Allerdings habe ich den dringenden Verdacht, daß Sie auf einem anderen Gebiet hochgradig naiv sind – und Sie wissen genau, wovon ich rede.

Es geht hier und jetzt um diese Problematik der Mega-Giga-Tera-Watt oder Wattstunden, welche sogar die kognitiven Fähigkeiten unseres hochkarätigen Personals in Politik und Medien überfordert. Dazu werde ich Ihnen jetzt alle Fragen  beantworten, tabulos und in einfacher Sprache.

Dinge bewegen

Wenn wir im Alltag etwas bewegen wollen – das Auto reparieren oder eine Reise machen – dann brauchen wir dazu Geld; ohne das geht’s nicht. Das ist die treibende Kraft hinter allen Veränderungen, die wir durchführen wollen. Auch in der technisch – physikalischen Welt brauchen alle Veränderungen solch eine magische Kraft, ohne die nichts geht.

Diese wird Energie genannt und sie kann in unterschiedlichen Formen kommen – Bewegung, Wärme, Strahlung, Elektrizität etc. Diese unterschiedlichen „Währungen“ der Energie kann man auch gegeneinander eintauschen, allerdings nicht immer ohne Verluste.

Eine besonders angenehme Form der Energie ist die Elektrizität. Sie lässt sich leicht transportieren und recht verlustlos in die anderen Energieformen verwandeln. Man kann damit das Wasser für den morgendlichen Kaffee heiß machen, ein Tesla-Auto betreiben, einen Christbaum beleuchten oder einen Computer rechnen lassen. Und wie beim Geld brauchen wir auch hier für verschiedene Anwendungen unterschiedlich Mengen von dieser magischen Kraft.

Der Wombat in Aktion

Das morgendliche Kaffeewasser braucht weniger Energie als der ICE auf der Fahrt von München nach Frankfurt. Und so wie wir Einheiten für die Geldmenge definiert haben, etwa den Euro (Eu) oder den Wumms (Wu), so brauchen wir auch eine Einheit um Energiemengen zu beschreiben. Vorübergehend möchte ich dieser Einheit den Namen „Wombat (Wb)“ geben, in Anlehnung an den Wumms. Ich bemühe mich hier um einfache Sprache

Für den Morgenkaffee wird rund ein zehntel Wombat = 0,1 Wb verbraucht. Zusammen mit Kühlschrank, Heizung und anderem hilfreichen Gerät im Hause ziehen wir jeden Monat so um die 350 Wb aus den diversen Steckdosen; diese Zahl kann von Haushalt zu Haushalt etwas abweichen.

Für jeden Wombat bezahlen wir dem Hersteller einen gewissen Preis, sagen wir rund 0,30 Euro.

Ein unglücklicher Name

Es kann nun interessant sein, wie viele Wombats in jedem Moment aus der Steckdose kommen, so wie es auch beim Autofahren interessant ist zu wissen, wie viel Strecke wir jeden Moment zurücklegen. Wir nennen das die „Geschwindigkeit“ und messen die in Kilometern pro Stunde (km/h), auch wenn wir keine ganze Stunde unterwegs sind. Entsprechend messen wir den momentanen Energieverbrauch in Wombats pro Stunde (Wb/h), und  nennen das „Leistung“.

Wie es der Teufel nun will haben sich die Ingenieure für die „Wombats pro Stunde“ einen eigenen Namen einfallen lassen, nämlich das „Kilowatt“ = 1.000 „Watt“ . Für den Wombat selbst aber gibt es noch keinen Namen. Man half sich nun damit, indem man sagte, ein Wombat ist die Energiemenge, wenn eine Stunde lang die Leistung von ein Kilowatt aus der Steckdose geflossen ist. Und dann hat man dem armen Tier den Namen Kilowatt mal Stunde, oder kurz „Kilowattstunde“ verpaßt.

Also:

Leistung: 1 Wombat pro Stunde = 1 Kilowatt

Oder 1 Wb/h = 1 kW

und

Energie: 1 Wombat = 1 Wombat/Stunde  x 1 Stunde = 1 Kilowatt x 1 Stunde

Oder 1 Wb = 1 kWh

Liegt es an den großen Zahlen?

Wer sich berufsmäßig mit der Sache befaßt, der hat die Zusammenhänge entweder im Laufe der Zeit verstanden oder er hat sich zumindest daran gewöhnt. In dem Masse aber, wie die „Energie“, oder besser gesagt die „Energieprobleme“ den Alltag und die Politik bestimmen, desto häufiger kommt es hier zu Mißverständnissen.

Potenziert wird das Problem nun dadurch, daß es bei dem Thema oft um sehr große Zahlen geht. Will man etwa wissen, wie viele Wombats = kWh  alle deutschen Haushalte in einem Jahr verbrauchen, dann muß man den durchschnittlichen monatlichen Verbrauch mit 12 multiplizieren und dann mit 40 Millionen, also

350 kWh x 12 x 40 000 000 = 168 000 000 000 kWh = 168 000 000 MWh = 168 000 GWh = 168 TWh

Durch die Vorsilben k = Kilo = tausend, M = Mega =  1 Million, G = Giga = 1 Milliarde, T = Tera = 1 Billion lassen sich die großen Zahlen einfacher schreiben.

Wie viele Kernkraftwerke bräuchten wir, um all diese Haushalte zu versorgen? Dazu rechnen wir die benötigte Leistung aus, das sind die Wombats  pro Stunde = Kilowatts, also  der gesamte jährliche  Energieverbrauch dividiert durch die 8766 Stunden des Jahres:

168 000 000 000 kWh / 8766  = 19 160 000 kW  = 19 160 MW ≈ 19 GW

Ein Kernreaktor gibt so um die 1,2 Gigawatt (GW) ab, man bräuchte also 19 GW / 1,2 GW ≈ 16 Reaktoren. So viele gab es schon einmal in Deutschland. Was es damals nicht gab, das waren Stromprobleme und Angst vor Frieren und Blackout.  Dafür retten wir heute den Planeten.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

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