Horst D. Deckert

Türkei reicht Antrag für BRICS-Beitritt ein: Erdogans riskantes Spiel zwischen Ost und West

Bereits beim kommenden BRICS+-Gipfel in Russland könnte die Türkei offiziell zum Beitrittskandidaten der multipolaren Staatengruppe avancieren. Die offizielle Einreichung eines Beitrittsantrags wurde bereits durchgeführt. Präsident Erdogan hält nicht viel von einer einseitigen geopolitischen Ausrichtung seines Landes.

Die Türkei hat offiziell einen Antrag auf Beitritt zur BRICS-Staatengruppe gestellt, wie der Nachrichtendienst Bloomberg berichtet. Dieser überraschende Schritt unterstreicht das Bestreben von Präsident Recep Tayyip Erdogan, die globale Rolle seines Landes neu zu definieren und Allianzen jenseits der traditionellen westlichen Partner zu schmieden.

Schon vor Monaten hat die Türkei ihr Interesse an einem BRICS-Beitritt bekundet. Report24 berichtete damals darüber. Der Zeitpunkt ist brisant: Das Land ist seit Jahrzehnten NATO-Mitglied, pflegt aber gleichzeitig enge Beziehungen zu Russland – auch nach dessen Invasion in der Ukraine. Der BRICS-Beitrittsantrag spiegelt Erdogans Vision einer multipolaren Weltordnung wider, in der die Türkei als Brücke zwischen Ost und West fungieren soll.

„Die Türkei kann ein starkes, wohlhabendes, angesehenes und effektives Land werden, wenn sie ihre Beziehungen zum Osten und Westen gleichzeitig verbessert“, erklärte Erdogan, der auch als „Sultan vom Bosporus“ bekannt ist, kürzlich in Istanbul. „Jede andere Methode wird der Türkei nicht nützen, sondern schaden.“

Die Annäherung an die BRICS-Staaten – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – ist auch eine Reaktion auf die stockenden EU-Beitrittsverhandlungen. Seit Jahren gibt es kaum Fortschritte bei der türkischen EU-Kandidatur, was in Ankara für Frustration sorgt.

Erdogans außenpolitischer Kurs ist allerdings nicht ohne Risiken. Die neoosmanische und nationalistische Ausrichtung seiner Politik kollidiert regelmäßig mit westlichen Interessen. Die Beziehungen zu den USA und anderen NATO-Partnern sind angespannt, nicht zuletzt wegen der türkischen Haltung im Ukraine-Konflikt.

Gleichzeitig versucht die türkische Führung, sich alle Optionen offenzuhalten. Ende August nahm der türkische Außenminister erstmals seit fünf Jahren wieder an einem EU-Ministertreffen teil – ein Zeichen des guten Willens gegenüber Brüssel. Auch die Teilnahme am BRICS+-Treffen in Russland wurde angekündigt.

Experten sehen in der türkischen Außenpolitik einen riskanten Balanceakt. Einerseits will das Land seine NATO-Verpflichtungen erfüllen, andererseits neue Partnerschaften im Osten aufbauen. Ob diese Strategie langfristig aufgeht, bleibt abzuwarten.

Der BRICS-Beitrittsantrag verdeutlicht jedenfalls Erdogans Ambitionen, die Türkei als globalen Akteur zu positionieren. In einer sich wandelnden Weltordnung setzt er auf Flexibilität und Pragmatismus – auch wenn dies die westlichen Verbündeten vor den Kopf stoßen könnte. Allerdings kann Erdogan aufgrund der geostrategisch günstigen Lage seines Landes hoch pokern und sich mehr erlauben, als so manch andere NATO-Staaten.

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