Im Ukraine-Konflikt verletzt Österreich seine Neutralitäts-Pflichten und übt wirtschaftliche Gewalt aus. Ihre kriegerische Politik habe die EU von den USA abgekupfert, sagt Völkerrechtler Prof. Dr. Michael Geistlinger in Teil 2 des exklusiven AUF1.INFO-Interviews.
Bezüglich des Ukraine-Konflikts hat Österreich seinen Weg der Neutralität verlassen. Wie ist es einzuordnen, dass auch Österreich die Sanktionen gegen Russland unterstützt hat?
Sanktionen ohne Genehmigung des UN-Sicherheitsrats zu verhängen, bedeutet einen Bruch der UN-Satzung und zweier Grundprinzipien der UN-Satzung, des Interventionsverbots und des Gewaltanwendungsverbots. Der Gewaltbegriff der UN-Satzung umfasst auch wirtschaftliche Gewalt. Wenn Sanktionen gegen einen Staat verhängt werden, um in dessen politisches, wirtschaftliches, soziales oder kulturelles System einzugreifen und/oder diesen zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen, liegt Intervention in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates vor und wird wirtschaftliche Gewalt ausgeübt. Sanktionen ohne Genehmigung des Sicherheitsrats zu verhängen, war die übliche Praxis der USA, vor allem gegen die damalige Sowjetunion und mit ihr verbündete Staaten, insbesondere Kuba. Diese Sanktionen waren schlichtweg Machtmissbrauch und ein Völkerrechtsbruch.
Leider ist der EU nichts Besseres eingefallen, als diese Fehlentwicklung der Außenpolitik der USA abzukupfern und insbesondere gegen Russland und Venezuela einzusetzen. Eine Genehmigung des Sicherheitsrats der vereinten Nationen gemäß Artikel 41 UN-Satzung liegt nicht vor.
Österreich hat sich damit doppelt schuldig gemacht: Einmal, indem es die Erlassung von EU-Sanktionen ohne Genehmigung des UN-Sicherheitsrats grundsätzlich als außenpolitisches Instrument der EU zugelassen und unterstützt hat und zum Anderen, dass es sich an deren Umsetzung gegen Russland, Venezuela und andere Staaten beteiligt. Österreich bricht damit die UN-Satzung und die genannten Grundprinzipien und zugleich seine Neutralitätsverpflichtung, dass es 2014, als noch kein international bewaffneter Konflikt in der Ukraine vorlag, seine Pflichten als dauernd neutraler Staat in Friedenszeiten, und seit Februar 2022, seitdem ein international bewaffneter Konflikt in der Ukraine gegeben ist, seine Neutralitätspflichten im Kriegsfall verletzt. Österreichs Verhalten ist vom völkerrechtlichen Gewohnheitsrecht in Bezug auf die Verantwortlichkeit für völkerrechtliches Unrecht nicht gedeckt.
Österreich darf keine Waffen oder andere militärische Unterstützungen in die Ukraine liefern. Wie verhält sich das im Falle von Waffenlieferungen durch die EU?
Ob Österreich direkt Waffen liefert oder genehmigt und finanziert, dass die EU Waffen liefert, macht hinsichtlich seiner Neutralitätsverpflichtungen keinen Unterschied. In beiden Fällen behandelt Österreich die Kriegsführenden nicht gleich und begünstigt die Kriegsführung eines der beiden Kriegführenden. Es verletzt sowohl das Gleichbehandlungsgebot, als auch das Abstinenzgebot eines Neutralen im Kriegsfall.
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In Teil 3 der exklusiven Interview-Reihe wird abschließend auf die Bestrebungen in Österreich und der Schweiz eingegangen, die Neutralität abzuschaffen, was z.T. über massive Hetze betrieben wird.
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