Horst D. Deckert

“Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun…”

Im 19. Jahrhundert wurde die Soziale Frage immer brennender. Als Antwort bildeten sich in einer Vielzahl von Ländern Parteien und Bewegungen, die den Anspruch erhoben, diese klären und im Sinne der Betroffenen lösen zu können. Eine davon war die sozialdemokratische Bewegung. Während in vielen Ländern inzwischen die Sozialdemokratie auf einem absteigenden Ast ist, umgibt in Österreich die SPÖ noch immer der Nimbus einer Partei, die für Fortschritt und soziale Gerechtigkeit steht.

Viele Errungenschaften des Sozialstaats werden in Österreich der SPÖ, der Sozialdemokratischen Partei Österreichs – von 1945 bis 1991 firmierte sie als Sozialistische Partei Österreichs – zugerechnet. Bestimmend für die Sicht auf die SDAP bzw. SPÖ ist dabei das sogenannte „Rote Wien“. Sozialer Wohnbau, Krankenhäuser, Kindergärten, Horte, Bäder und Kinderfreibäder, Lehrlingsheime, Schulzahnkliniken, Mütterberatungsstellen, Säuglingswäschepakete, Kinderausspeisungen usw. werden damit in Verbindung gebracht. Dabei ist der kommunale Wohnbau der Stadt Wien in den 1920er und 1930er-Jahren wirklich ein Projekt, welches auch heute internationales Ansehen und auch eine gewisse Vorbildwirkung genießt. Neben klotzigen und festungsartigen Gemeindebauten ist dabei die zwischen 1930-32 entstandene Werkbundsiedlung in Wien Hietzing besonders hervorzuheben.

Gegen die Wohnungsnot

Insgesamt entstanden zwischen 1923 und 1933 rund 64.000 Gemeindewohnungen in Wien, zumeist im Stil von Großwohnanlagen, von denen heute noch, auch nach 1945 erbaute Gemeindebauten zeugen. Dies war auch nötig, denn die kriegsbedingte Inflation sowie während des Krieges eingeführte Mietbindung an den sogenannten „Friedenszins“ und der Etablierung eines Mieterschutzes hatten den privaten Wohnbau zum Erliegen gebracht. Zudem waren durch Kriegsflüchtlinge die ohnehin schon oftmals überbelegten Wiener Quartiere und Wohnungen zusätzlich belastet. Aber schon zuvor waren die Mieten hoch. Viele konnten sie sich kaum leisten oder nur, weil sie untervermieteten oder sogenannte „Bettgeher“ aufnahmen. Das waren Personen, die keine Wohnung hatten und sich nach ihrer Schicht oder nach Feierabend ein freies Bett in einer Wohnung mieteten, wobei sich oftmals mehrere Personen ein Bett teilten. Diesen prekären Wohnverhältnissen sagte das Rote Wien den Kampf an. Als ein gewisses Glück stellte sich dabei für die ab 1918 in Wien regierenden Roten heraus, dass sie aufgrund der stagnierenden Bautätigkeit günstig Grundstücke erwerben konnte und Grundgroßbesitzer wurde. Die Bautätigkeit finanzierte man mit Luxussteuern, wie der Wohnbausteuer. Diese wurden für Luxuswohnungen oder Villen, Pferde, Autos, Besuche von Vergnügungslokalen – die Vergnügungssteuer gibt es noch heute – Hauspersonal, Sekt etc. fällig. Insgesamt brachten die vom Wiener Finanzstadtrat Hugo Breitner initiierten Steuern mehrere Millionen Schilling im Jahr in die Stadtkassen.

Überfremdeter Gemeindebau

Während die Gemeindebauten damals dazu geeignet waren, die Wohnverhältnisse für die Arbeiter maßgeblich zu verbessern, ist heute davon wenig übrig. Die Mieten steigen, viele der Gemeindebauten sind dringend renovierungsbedürftig und auch das Zusammenleben ist verstärkt von sozialen Konflikten geprägt. Vor allem seit der Öffnung der Gemeindebauten für nicht EU-Ausländer durch den damaligen SPÖ-Wohnbaustadtrat und späteren Bundeskanzler Werner Faymann. Dadurch sank die Zahl der Bewohner ohne Migrationshintergrund stetig, wer konnte, zog weg. Zehn Jahre später waren nur noch 43 Prozent ohne Migrationshintergrund, 46 Prozent waren Menschen aus Drittstaaten oder deren Nachkommen. Der Anteil der EU-Ausländer blieb konstant bei 11 Prozent. Probleme mit Müll, Lärm etc. gehören zur Tagesordnung.
Zwar entstanden öffentliche Badeanstalten natürlich nicht erst unter sozialdemokratischer Ägide, zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs gab es in der Hauptstadt immerhin 19 Volksbäder und Tröpferlbäder, aber auch hier griff das sozialistische Bauprogramm. Mit neuen Bädern sollten die hygienischen Verhältnisse verbessert werden, hatten doch viele Wohnungen keine geeigneten Waschmöglichkeiten. Heutzutage ist von diesem Kümmern der SPÖ nicht mehr viel übrig. Dank Corona werden die Leute vielmehr schikaniert. Saunen, Bäder und Thermen wurden geschlossen. Gesundheit reicht nur noch so weit, wie der Bürgermeister unter seiner Maske denken kann. Dass es wie früher den Arbeitern bzw. den Menschen gut gehen soll, ist zweitrangig.

Goldene Kreisky-Zeiten

Als „Goldene Jahre“ der österreichischen SPÖ gelten neben dem roten Wien der 20er und 30er-Jahre auch die Ära Kreisky. Von 1970 bis 1983 stellte die SPÖ mit Bruno Kreisky den österreichischen Bundeskanzler. Zunächst mit einer Minderheitsregierung unter Duldung der FPÖ und seit 1971 mit einer absoluten Mehrheit. Kritik an der Besetzung seines Kabinetts mit ehemaligen NSDAP-Mitgliedern ließ er dabei nicht gelten. Offenbar waren ihm fachliche Eignung und vor allem auch Wählermaximierung wichtiger.

Geld für die Österreicher

Vielen Österreichern erscheinen die Jahre des zunächst ungeliebten Kreiskys – SPÖ-Granden drängten ihn nach 1945 wegen seiner Provenienz zunächst in Schweden zu bleiben, auch wollte man keine Remigranten – nun in der Nachschau als Zeiten des Wohlstands. Mit Slogans wie „Wählen Sie das moderne Österreich! Fortschrittliche Bildung. Aufstieg für jeden, alle sollen es besser haben“, gelang es von Wahl zu Wahl die absolute Mehrheit zu erhalten. Mit sozialen Themen wie „Schulbücher kostenlos – Regierung Kreisky hält Wort“ oder „Budget 1971 So bauen wir das moderne Österreich! Für Forschung 1,3 Milliarden Schilling, Für Soziales 26,4 Milliarden S, Für Schulen 11,6 Milliarden S, Für Strassen 6,1 Milliarden S und 1971 5.000 Wohnungen mehr“. Dass die Staatsschulden durch den Aufbau des Sozialstaats stark stiegen – 1970 betrugen sie noch 12,5 Prozent des BIP, 1983 bereits 43,5 Prozent – wurde immer kritisiert. Inzwischen betragen die Staatsschulden Österreichs rund 82,8 Prozent des BIP und die EZB-Geldpolitik brachte eine massive Teuerungswelle. Statt Geld für die eigenen Leut wird nun mit Netto-Zahlungen an die EU und weiteren Hilfszahlungen in alle Welt der Schuldenberg zwar nur vergrößert statt abgebaut, den eigenen Bürgern bleibt aber immer weniger zum Leben.

Nur noch Geld für die Welt

Auch die Sozialdemokratie lebt nur noch von ihrem Nimbus der angeblichen Leistungen von vor 100 oder 40-50 Jahren. Von der klassischen Arbeiterpartei, die sich um soziale Belange kümmert, hat man sich schon lange verabschiedet. Stattdessen betreibt man den Abbau des Wohlstands fleißig mit, wenn man in Regierungsverantwortung ist oder betreibt Klientelpolitik für Minderheiten. Die abgehobenen Parteibonzen haben den Kontakt zum Normalbürger zwischen Sektempfang der Bilderberger und Feierabendausklang im Nobellokal mit der eigenen Entourage schon lange verloren.

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