Horst D. Deckert

Verdunstung: Der übersehene Schlüssel zum Klimawandel

In der Klimadebatte rückt ein bisher wenig beachteter Faktor in den Fokus: die Evapotranspiration (ET). Dieser Begriff beschreibt die Gesamtmenge an Wasser, die von Erdoberfläche und Pflanzen in die Atmosphäre verdunstet. Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Veränderungen der ET durch menschliche Eingriffe in die Landschaft weitreichende Folgen für das globale Klima haben könnten.

Charles Blaisdell, ein Chemieingenieur, hat eine Theorie entwickelt, die er als „Cloud Reduction Global Warming“ (CRGW) bezeichnet. Diese Theorie beschreibt einen sich selbst verstärkenden Kreislauf: Eine lokal verringerte Verdunstung, etwa durch Urbanisierung, führt zu weniger Wolkenbildung. Dies wiederum erhöht die Sonneneinstrahlung und Temperatur, was global zu mehr Verdunstung führt.

Um diese Theorie zu untermauern, nutzte Blaisdell Satellitendaten der NASA, die von Forschern um Atieh Mazrooei ausgewertet wurden. Mithilfe eines „Bullseye“-Ansatzes verglichen sie die ET-Werte von Stadtgebieten mit dem umliegenden Land.

Die Ergebnisse zeigen eine bemerkenswerte Bandbreite: In trockenen Regionen kann die städtische ET bis zu 10 Prozent höher sein als im Umland. In feuchten Gebieten hingegen liegt sie oft bis zu 50 Prozent niedriger. Im globalen Durchschnitt ergibt sich eine Differenz von -12 Prozent – Städte verdunsten also deutlich weniger Wasser als natürliche Landschaften.

Besonders interessant ist, dass die Veränderungen der ET mit beobachteten Klimatrends der letzten Jahrzehnte korrelieren. Seit 1970 steigen Temperatur und spezifische Luftfeuchtigkeit, während die relative Luftfeuchtigkeit und Wolkenbedeckung abnehmen. Diese Beobachtungen passen zu den Vorhersagen der CRGW-Theorie.

Die Forschung wirft auch ein neues Licht auf die Untersuchungen zu den klimatischen Veränderungen und den menschlichen Einfluss darauf. Landnutzungsänderungen müssen möglicherweise stärker berücksichtigt werden. Aufforstung oder die Begrünung von Städten könnten einen größeren Effekt haben als bisher angenommen.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Datenlage noch lückenhaft ist. Langfristige globale ET-Messungen fehlen weitgehend. Zudem sind die Wechselwirkungen im Klimasystem hochkomplex und nicht vollständig verstanden. Die Ergebnisse könnten auch Auswirkungen auf die derzeit recht fehlerhaften Klimamodelle haben. Bislang wird die ET dort oft vernachlässigt oder stark vereinfacht dargestellt. Eine genauere Berücksichtigung könnte demnach zu präziseren Vorhersagen führen.

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