Wenn Regierungen bei den Wahlen abgestraft werden, liegt dies nicht an mangelhafter Kommunikation, Missverständnissen oder Fehlern im Wahlkampf. Vielmehr darf man die Schuld an der politischen Inkompetenz, fehlendem Gespür für den Willen des Volkes und der Abgehobenheit so mancher Spitzenpolitiker suchen.
Ein Kommentar von Heinz Steiner
Die Reaktionen auf die jüngsten Wahlergebnisse in Deutschland und Österreich zeigen wieder einmal auf, dass sehr viele Politiker inzwischen völlig weltfremd sind. Wenn AfD und BSW bzw. die FPÖ so deutlich zulegen, während insbesondere die Regierungsparteien massiv abgestraft werden, hat das durchaus seine Gründe. Doch diese sind kaum jene, welche die Kaste der Politiker der etablierten Parteien gerne anführen.
Immer wieder heißt es aus den Reihen dieser Politiker, man habe die eigenen Ziele im Wahlkampf nicht gut genug kommunizieren können. Aber einmal ganz ehrlich – wie viele Wähler entscheiden sich tatsächlich erst während der kurzen Wahlkampfzeit für ihre Partei? Klar, es gibt auch Wechselwähler und Wahltaktiker, doch die Sympathien und die Antipathien für die einzelnen Parteien bauen sich im Laufe der Zeit auf.
Wenn nun beispielsweise die SPD, die Grünen und die FDP in Deutschland dramatisch abschmieren, dann liegt das wohl mehr am regierungspolitischen Versagen dieser drei Parteien als am Wahlkampf. Dasselbe gilt für die deutlichen Verluste von ÖVP und Grünen in Österreich. Auch in der Alpenrepublik ist der Unmut über die Corona-Maßnahmen und die ganze politische bzw. wirtschaftliche Entwicklung, sowie die anhaltende Massenzuwanderung als Gesamtpaket wohl mit ein Grund dafür, warum die FPÖ als praktikable Alternative betrachtet wird.
Die Menschen bemessen die Parteien – insbesondere jene in den Regierungen – vor allem an ihren Leistungen, nicht an ihren Versprechungen für die nächste Legislaturperiode. Bei den Oppositionsparteien gilt es, sich als bessere Alternative darzustellen und auch in den Parlamenten entsprechende Initiativen zu ergreifen.
In Deutschland profitieren von der Ampel-Schwäche vor allem Union, AfD und BSW, während in Österreich insbesondere die FPÖ erstarkt, während sich die SPÖ und die liberalen NEOS nicht wirklich als alternative Kräfte profilieren konnten und deshalb auch nicht vom Fleck kommen. Wer als konstruktive Opposition versagt, wird vom Wähler auch nicht als potentielle Regierungspartei in Betracht gezogen.
Doch nach den Wahlen sind immer „die Anderen“ Schuld an schlechten Ergebnissen – und im Zweifel einfach die Russen. Aber wer hat denn die Regierungsparteien daran gehindert, eine Politik zu betreiben, welche auch von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen wird? Wenn die sogenannten „Populisten“ Wahlen gewinnen, dann liegt das vielleicht auch daran, dass sie sich mehr für die Interessen der Menschen interessieren als nur für ideologische Eigeninteressen. Zu sagen „Wir haben Alles richtig gemacht, nur die Wähler begreifen das nicht“ zeugt hierbei nur von völliger Weltfremdheit und mangelnder Selbstreflexion.
Wer nur auf Eigeninteressen und ideologisch geprägte Maßnahmen setzt, anstatt „dem Volk aufs Maul zu schauen“, darf sich nicht wundern, wenn dieses Volk sich bei den Wahlen für jene Parteien entscheidet, die dies eben doch tun. Und wenn diese dann in Regierungsverantwortung gelangen, liegt es an ihnen, auch entsprechend zu handeln – oder aber bei den folgenden Wahlen ebenfalls wegen Wählerignoranz abgestraft zu werden.