Horst D. Deckert

Warum Solarstrom in Afrika nicht vom Fleck kommt: Es fehlt an allem

In Afrika gibt es kaum ein Land, das nicht von der Sonne verwöhnt wird. Das sollte eigentlich die perfekte Voraussetzung sein für einen Boom der Photovoltaik, zumal diese auch autonom in Kleinanlagen betrieben werden kann und damit keine große Infrastruktur von Nöten ist. Aber es hakelt, irgendwie will es nicht so recht vorangehen.

Selbst in Ländern mit relativ hohem pro Kopf BIP wie etwa Namibia mit knapp 6.000 Dollar geht es nur bedingt voran, wie man am Satellitenbild von Windhoek in Namibia ablesen kann, einer Stadt täglich Schnitt mindestens acht Stunden von der Sonne beschienen wird. Zwar gibt es dort durchaus einige Stellen mit Dächern, die einem tiefblau entgegenblicken. Jedoch sucht man beim großen Krankenhaus der Stadt, als auch beim Flughafen vergeblich nach einer installierten Anlage. Lediglich die Shopping Malls in Windhoek bieten ihrem Publikum ein ökologisch heruntergekühltes Klima.

Die Gründe für diesen Rückstand nicht nur in Namibia, sondern überall in Afrika sind vielschichtig. Sie lassen leider vermuten, dass sich auch in diesem Geschäft künftig Südasien den Kuchen schnappen wird und der wohl sonnigste aller Kontinente wieder einmal die Reste bekommt.

 

Oilprice: Warum der Boom der erneuerbaren Energien in Afrika weiterhin auf sich warten lässt

 

Afrika hat ein Solarenergiepotenzial von bis zu 1.000 GW und ein Windpotenzial von 110 GW, ganz zu schweigen von 350 GW Wasserkraftpotenzial und weiteren 15 GW geothermischem Potenzial. Dennoch bleibt dieses riesige Potenzial bislang weitgehend ungenutzt, obwohl Solar- und Windenergie so billig sind, dass sie in einigen Teilen der Welt preislich inzwischen die Kohleverstromung unterbieten. Die dürftige Gesamtsituation wird wahrscheinlich all jene erstaunen, die nur die positiven Schlagzeilen zum Thema wahrnehmen. Doch wer sich damit auskennt, wie erneuerbare Energien tatsächlich funktionieren und wie Unternehmen im Alltagsgeschäft funktionieren, den wird die Lage in Afrika – und anderen Entwicklungsregionen der Welt – in dieser Hinsicht kaum überraschen.

 

Keine Netze

 

Solar- und Windkraftanlagen erzeugen Strom, indem sie das Licht der Sonne oder die Energie des Windes einfangen und in Elektrizität umwandeln. Dieser Strom muss dann dorthin übertragen werden, wo er genutzt oder gespeichert werden soll. An diesem Punkt taucht eine sehr spezifische afrikanische Herausforderungen auf: Die Übertragung.

Vielen afrikanischen Ländern fehlt schlicht die notwendige Übertragungsinfrastruktur, um Solar- und Windkraftanlagen wirtschaftlich betreiben zu können. Denn in den seltensten Fällen ist es möglich, einen Solarpark nur deswegen an einem Ort zu errichten, weil sich in der Nähe die notwendige Infrastruktur befindet. Sollen Solar- und Windparks optimal funktionieren, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden.

Dieses Problem ist laut Toby Gill, dem Geschäftsführer von Intelligent Power Generation, nicht nur auf Großanlagen beschränkt. Gill sprach mit Oilprice über die Herausforderung der erneuerbaren Energien für afrikanische Länder und verwies auf das Beispiel Kenias – einem Land in Afrika, das über ein gut ausgebautes Stromnetz verfügt. Trotz dieses gut ausgebauten Netzes, so Gill, sei es für Kenia eine Herausforderung, sein Solar- und Windpotenzial auszuschöpfen, was selbst für dezentral betriebene Kleinanlagen gilt, obwohl sie eigentlich wirtschaftlicher sind als der Ausbau des zentralen Netzes. Der Grund: Erneuerbare Energien als Gesamtsystem sind nach wie vor wirtschaftlich nicht tragfähig.

 

Kaum Umsatzpotenzial

 

„Vor zwei Jahren lagen die Kosten dezentrale Kleinanlagen in Haushaltsgröße bei etwa 1.000 Dollar“, so Gill. „Bedenkt dazu, dass der durchschnittliche Kunde aktuell weniger als ein oder zwei Dollar pro Tag für seinen Stromverbrauch zahlt, dann streckt sich die Amortisationszeit für derartige Anlagen auf einen kaum tragfähige Zeitraum.“

In dieser Rechnung ist wichtig, dass Unternehmen – auch solche, die Haushalte mit billigem Strom aus Sonne und Wind versorgen wollen – Gewinne erwirtschaften müssen, um ihre Tätigkeit fortsetzen zu können. Zu diesem Zweck brauchen diese Unternehmen Kunden, die fortlaufend in der Lage sind, die Kosten für diese Art der Stromversorgung zu bezahlen und das ganze inklusive der Infrastruktur, zu der jene für den Strom genauso gehört, wie etwa für die Zahlungsmöglichkeiten der Rechnungen. Die Erzeugungsanlagen seien billig, so Gill, doch sie machen nur einen Teil des System aus, das die Stromversorgung über erneuerbare Energien ausmacht.

„Der Flaschenhals einer zuverlässigen Versorgung liegt nicht bei der Maximalleistung von Wind-, Solar- oder Wasserkraft und es kommt auch nicht auf die Mischung der genauen Energieträger an“, sagte er gegenüber Oilprice. „Es ist die Tatsache, dass die Kosten für die Bereitstellung und Installation der Strominfrastruktur im Verhältnis zum Ertragspotenzial der Kunden zu hoch sind.“

Dennoch könnte die dezentrale Stromerzeugung dank des generellen Abwärtstrends Branchenpreise vielleicht irgendwann für viele erschwinglich werden. In einigen Teilen Afrikas gibt es bereits erfolgreiche Projekte in diesem Segment, so Cecily Davis, Partnerin bei Fieldfisher und für das Afrikageschäft zuständig.

 

Lückenfüller Entwicklungshilfe

 

Davis sagte gegenüber Oilprice, dass in Uganda, Äthiopien und Sierra Leone durchaus einige erfolgreiche dezentrale Kleinanlagen betrieben werden. Einige dieser Projekte werden von der Europäischen Union und Großbritannien subventioniert und zielen darauf ab, derzeit noch abseits des Stromnetzes lebende Menschen mit zuverlässigem Strom zu versorgen.

„Kleinanlagen gelten als die wirtschaftlichste Option für die Versorgung von Gebieten, die zwar einerseits zu teuer sind, um eine Erweiterung des Hauptnetzes in Erwägung zu ziehen, die aber dennoch eine ausreichende Bevölkerungsdichte aufweisen, um die wirtschaftliche Rentabilität zu gewährleisten“, so Davis gegenüber Oilprice. „Die dort aufgebauten kleinen Netzsysteme sind überaus erfolgreich. Allerdings fehlt ihnen noch die Erzeugungskapazität großer Wind- oder Solaranlagen. So wird im ländlichen Afrika sukzessive eine Gemeinde nach der anderen mit Elektrizität ausgestattet.“

 

Sonstige Hindernisse

 

Eine Gemeinde nach der anderen ist sicherlich besser als gar keine Gemeinde, dennoch gab es in der Vergangenheit aber auch schon Ambitionen, das in verschiedenen afrikanischen Ländern vorhandene Potenzial im größeren Maßstab zu erschließen. Diese Ambitionen sind jedoch alle auf Hindernisse gestoßen, die nichts mit den Kosten für die Erzeugung oder Übertragung zu tun haben.

Einer der Stolpersteine ist der Ölfluch. Fieldfishers Davis verweist auf Algerien als Beispiel: Ein Land, das stark von seinen Öl- und Gaseinnahmen abhängig ist und nun versucht, auf Solarenergie umzusteigen, sich damit aber wegen seiner Abhängigkeit von den Öl- und Gaseinnahmen schwer tut, zumal die Pandemie zu einem starken Einnahmerückgang führte. Algeriens Probleme in dieser Beziehung sind fast identisch mit jenen von Saudi-Arabien, das immer noch große Pläne für eine Umstellung auf erneuerbare Energien hat, die mit Ölgeldern finanziert werden sollen.

„Es ist bedauerlich, dass eine Reihe afrikanischer Länder, besonders in Nord- und Westafrika, so abhängig von Öl und Gas geworden sind, dass sie sich in einer Zwickmühle befinden, wenn es darum geht, in erneuerbare Energieprojekte zu investieren“, sagte Davis. „Wenn sie die fossilen Brennstoffe zurückfahren, verlieren sie die Steuereinnahmen, um andere Infrastrukturen zu finanzieren; wenn sie die Öl- und Gasproduktion beibehalten, wird es für erneuerbare Energien schwieriger, zu konkurrieren.“

Hinzu kommt die politische Herausforderung: Viele afrikanische Regierungen sind auf den Zug der erneuerbaren Energien aufgesprungen und haben ehrgeizige Pläne gemacht, um ihre Länder vollständig auf erneuerbare Energien umzustellen. Allerdings haben sie bislang alle die Zeiträume überschritten, bis zu denen ihre Pläne umgesetzt sein sollten und mussten akzeptieren, dass die anvisierte Geschwindigkeit des Umbaus illusorisch ist. Die politische Komponente in dem Geschäft lässt viele Investoren in Afrika vor der Finanzierung von Projekten in erneuerbare Energien zurückschrecken.

Alles in allem lässt sich feststellen, dass Afrika durchaus mit erneuerbaren Energien flirtet, doch es muss immer wieder feststellen, dass es sich um einen teuren Flirt handelt. Es könnte durchaus eine Beziehung daraus werden, aber dafür muss erst einmal der Wohlstand wachsen. Denn Solar- und Windkraft sind heute zwar billig in ihrer Erzeugung, allerdings gilt das nicht für die Übertragung des Stroms oder dessen Speicherung, wenn das dafür notwendige Netz – und sei es nur ein Mikronetz – erst noch gebaut werden muss.

Quelle Titelbild

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