Horst D. Deckert

Wenn die Blätter von alten Windkraftanlagen fallen

Windkraft soll umwelt- und klimaneutral sowie emissionsfrei sein. Keiner der drei Punkte stimmt. Unstrittig ist die zunehmende Belastung von Menschen und Tieren, Umwelt und Klima durch den weiteren Ausbau der Windkraft mit immer größeren Anlagen. Problematisch sind auch ihre Weiterverwendung und Entsorgung. 

Von Frank Hennig

Der Herbst naht, es wird kälter. Der jährliche Klimawandel setzt ein. Sogar Blätter regnen dann von den Bäumen, in der Regel ohne Zutun des Menschen. Es fallen auch immer mehr andere alte Blätter, die von alten Windkraftanlagen. Die krachen zum Glück meistens nicht von allein herab, sondern werden von Kranen abgeseilt. Was dann? Zusammenharken und kompostieren kann man sie nicht.

Jedes technische Gerät altert und hat irgendwann sein Lebensende erreicht. Das gilt auch für Windkraftanlagen (WKA), die sogar relativ jung sterben. Bisher galt die Schwelle von 20 Jahren als Lebensdauer, weil dann die Förderung über das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) erlosch und die fehlende Konkurrenzfähigkeit am Markt dem Weiterbetrieb die wirtschaftliche Basis entzog. Vermutlich richteten manche Projektanten und Konstrukteure ihre Produkte nach dieser Zeitspanne aus.

Mit dem starken Anstieg der Großhandelspreise ab etwa Mitte 2021 rechnete sich ihr Betrieb allerdings auch ohne EEG-Umlage. Nun können sie weiter betrieben werden, bevor am Ende der Badewannenkurve die Betriebskosten zu stark steigen. Somit können die Anlagen vermutlich ein Alter von 30 Jahren, in Einzelfällen vielleicht mehr, erreichen. Kohlekraftwerke bringen es auf mehr als 50 Jahre, Kernkraftwerke auf über 60 Jahre. Bei entsprechenden Ertüchtigungen und dem Austausch von Hauptkomponenten kann die Lebensdauer auch weiter verlängert werden.

Was wird aus den alten WKA?

Einige Anlagen sind nach Osteuropa oder in die Dritte Welt verkäuflich und laufen dort noch ein paar Jahre. Mit zunehmender Anlagengröße wird das allerdings am Transport scheitern. erneuerbareenergien.de geht davon aus, das bis Ende 2025 etwa 16.000 installierte Megawatt Anlagen zurückgebaut werden müssen, was etwa 5.300 Anlagen entspricht. Die Demontage verläuft umgekehrt wie der Aufbau. Nach Ablassen aller Betriebsstoffe (Öle) werden zunächst mit einem Großkran der Rotor (bei größeren Anlagen die Blätter einzeln) abgenommen, es folgen die Gondel (Maschinenhaus mit oder ohne Nabe). Der Turm kann ebenso in Teilen demontiert, aber auch gesprengt oder umgestürzt werden. Kleinanlagen werden zum Teil auch komplett gesprengt oder umgestürzt.

Alle Metallteile wie auch Kabel und der Betonbruch können ordnungsgemäß nach Abfallgesetzen entsorgt werden. Kupfer und Aluminium machen nur ein Prozent der Masse aus. Bei der Metalltrennung, insbesondere der Generatoren, lässt sich auch das teure und seltene Neodym in Teilen zurückgewinnen.

Für den Rückbau der Fundamente gelten mehrere Gesetze: Das BImSchG (Bundesimmissionsschutzgesetz), das BauBG (Bundesbaugesetz) sowie das BBodSchG (Bundesbodenschutzgesetz). Zudem wirken Ländergesetze und der Ermessensspielraum der Behörden. Fast immer werden die rückstandslose Entfernung gefordert und das Verfüllen mit wurzelfähigem Boden. Das Sprengen und Zerkleinern des Altbetons ist energieintensiv und teuer.

Ob die großen Mengen an Recyclingbeton künftig absetzbar sind, ist angesichts des Rückgangs in der Bauindustrie und nachlassenden Industrieinvestitionen fraglich. In Schleswig-Holstein verlangt man „in der Regel“ den kompletten Fundament-Rückbau, was Ausnahmen zulässt. Dann reichen ein Abtrag bis unter die Geländeoberkante und die Bodenverfüllung. Die unterirdische Bodenversiegelung, die die Grundwasserbildung behindert, bleibt erhalten.

Ob für alle Anlagenteile ordnungsgemäße Entsorgungsnachweise gefordert und beigebracht werden, ist ungewiss. Insbesondere die Öle und das in den Schaltanlagen enthaltene SF6 (Schwefelhexafluorid) würden besonderer Aufmerksamkeit bedürfen.

Herbst im Windkraftwald

Bis Mitte der zwanziger Jahre dürften weit mehr als 100.000 Tonnen alter Rotorblätter anfallen. Sie bestehen aus hochkomplexen Verbundwerkstoffen, daher ist ihre fachgerechte Entsorgung schwierig. Enthalten sind glasfaserverstärkter Kunststoff (GfK), neuerdings karbonfaserverstärkter Kunststoff (CfK), der „fiese Fasern“ bildet, die auch „Asbest der Windindustrie“ genannt werden. Weiterhin sind Epoxidharz (besteht fast zur Hälfte aus östrogenähnlichen Verbindungen, zum Beispiel Bisphenol-A, das schon in kleinen Dosen als krebserregend gilt), zudem PVC, Polyurethan (PUR)-Schaum und in geringeren Anteilen Polyamid, Polyethylen, Gummi und Lack enthalten.

Hinzu kommt Balsaholz, ein Tropenholz, das vor allem aus Ecuador und Papua-Neuguinea geliefert wird. Dieses Holz wird in den Flügeln mit den Kunststoffen fest verklebt.

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In einem 75-Meter-Rotorblatt, wie sie im Offshore-Bereich zum Einsatz kommen, sind etwa 10 Kubikmeter Balsaholz enthalten. Je nach Konstruktion des Blattes können die Anteile schwanken.

„Rettet den Regenwald e.V.“ startete eine Petition, die die weitere Verwendung von Balsaholz verhindern soll, aber es gibt absehbar keinen anderen Werkstoff, der so wie das Balsaholz Stabilität, Elastizität und geringe Dichte auf sich vereint. Rückgewinnbar ist das Holz aus den Flügeln (noch) nicht, es gibt Forschungen zur chemischen Trennung der Verbundwerkstoffe. Aber auch dann wäre das Balsaholz nur für Dämmzwecke oder ähnliches einsetzbar.

Was also tun mit den alten Flügeln? In Deutschland gibt es ein Deponieverbot, das verhindert, die Teile einfach in der Landschaft zu verbuddeln. Das ist in den USA gängige Praxis und auch in Australien nimmt man diese Art von Schrott nicht sonderlich ernst.

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In Deutschland ist das staubige Zerschneiden und Schreddern der GfK-Flügel (hierAufnahmen davon) derzeit gängige Praxis. Das Granulat kann in den Drehrohröfen der Zementindustrie mitverbrannt werden, dabei entwickelt der Plastikanteil bei hohen Emissionen einen guten Heizwert und die Glaskomponente liefert einen Quarzanteil als Zuschlagsstoff. Das künftige Problem wird schlicht eines der Menge sein, der Umfang der Beimischung ist begrenzt.

Schwieriger gestaltet sich die Entsorgung der CfK-Flügel. Bei deren Verbrennung entstehen sehr dünne, lungengängige Fasern, die Asbest ähnlich sind. Sie schädigen die Elektrofilter der Verbrennungsanlagen, die Zementindustrie hat kein Interesse an ihnen. Möglich wäre eine Rückgewinnung der Kohlefasern durch Pyrolyseverfahren. Sie könnten auch ermöglichen, synthetischen Kraftstoff herzustellen. Andere Verwendungsmöglichkeiten wären Dämmstoffe, Teile der Flügel als Unterbau für Solarparks zu verwenden oder die Fertigung von Skiern oder Snowboards.

Die alten Fasern können auch Beton zugesetzt werden und wirken stabilisierend. Eine Firma aus Stade und die TU Dresden forschen an diesem „Carbonbeton“. Gängige Praxis ist diese Variante noch nicht. Absehbar ist, dass viele alte Rotorblätter vor ihrer Entsorgung „zwischengelagert“ werden müssen.

Besser wären Materialien, bei denen man schon vor der Herstellung an die Entsorgung denkt. Zu empfehlen wäre auch eine Rücknahmeverpflichtung der Hersteller, ähnlich wie bei Elektrogeräten. Mit einer eigenen Entsorgungsbranche hätten sie ein neues Standbein, das auch nach dem Hype der Windenergie noch etwas einbringt. Ein echtes Recycling der Materialien ist nur bei den Metallen möglich, alles andere ist Weiterverwendung auf niedrigerem Niveau, also Downgrading.

Zahlen, bitte

Die Entsorgung kostet natürlich Geld. Aus einer Antwort des niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung auf eine FDP-Anfrage geht hervor, dass es keine gesetzlichen Verpflichtungen für die Betreiber von Windenergieanlagen gibt, Rücklagen für den Rückbau zu bilden. „Sofern der Betreiber nach Nutzungsaufgabe der Anlage nicht über ausreichende Mittel für den Rückbau verfügt, wird die Bauaufsichtsbehörde im Falle der Ersatzvornahme auf die Sicherheitsleistung, die im Regelfall aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer Bank besteht, zurückgreifen.“ Wie hoch diese Sicherheitsleistung ist und ob sie inflationsbereinigt betrachtet wird, geht aus der Antwort nicht hervor.

Da die Betreiber in vielen Fällen Kommanditgesellschaften sind, haften andernfalls die Kommanditisten mit ihrem Privatvermögen. Ein interessanter Aspekt hinsichtlich der sogenannten Bürgerwindanlagen.

Mit Sicherheit werden die Rückbaukosten den zum Zeitpunkt der Errichtung vermuteten Rahmen überschreiten. Inflation und hochgetriebene Energiepreise lassen zweifeln, dass alle Betreiber während der Laufzeit der Anlagen ausreichend Rücklagen bilden können (und wollen). Im Insolvenzfall müssten der Staat oder der Flächeneigentümer einspringen. Für heute zufriedene Land-Verpächter könnte es ein böses Erwachen geben.

In einem Windindustriepark im sächsischen Jöhstadt fehlt das Geld für den Rückbau der Fundamente von 12 demontierten Anlagen. Da die Betreiber-GmbH zu 51 Prozent der Stadt gehört, müssen nun die Mitarbeiter des örtlichen Bauhofs einspringen und das Werk vollenden. Zwar sollen die Kosten der GmbH in Rechnung gestellt werden, aber die Firma hat zurzeit keine Einnahmen mehr und ob ein Gewinn für die Stadt aus geplanten Neuanlagen unter dem Strich stehen wird, ist höchst fraglich.

Einige schillernde Pleiten gibt es in der Branche bereits. Prokon, Windreich und Green City mussten die Segel streichen. Viele Betreiber müssen feststellen, dass die erwarteten Renditen nicht erreicht werden. Tendenziell sinkende Windgeschwindigkeiten („Terrestrial Stilling“), zu optimistische Windprognosen und permanent steigende Wartungskosten schlagen in die Bilanzen. Finanzberater betonen den unternehmerischen Charakter der Geldanlage als grünes Risiko-Investment.

Brennen, Stürzen, Fallen

Vergleichsweise selten, aber mit deutlich negativen Auswirkungen auf die Umwelt geschehen Havarien an WKA. Die häufigsten Vorfälle sind Brände, Rotorblatt-Abwurf oder Turmfall. Weiterhin treten Kranunfälle und tödliche Arbeitsunfälle auf. Arbeit in großer Höhe ist immer gefahrgeneigte Tätigkeit, 12 tote Beschäftigte an WKA listet die Statistik im Zeitraum 2000 bis 2021 auf (siehe Störfallregister). Man stelle sich das öffentliche Echo vor, wenn der Betrieb der deutschen Kernkraftwerke so viele Menschenleben gefordert hätte. Auf vernunftkraft.de (unter dem Link ganz unten auf der Seite) findet sich eine aktuelle Zusammenstellung der Ereignisse.

Obwohl es keine offiziellen Schadensstatistiken der Branche und selbst des Klimaministeriums gibt, lehnt dieses eine TÜV-Untersuchungspflicht für WKA ab.

Am umweltschädlichsten sind Brände, diese sind nicht bekämpfbar und setzen Emissionen an giftigen Stoffen wie auch den „fiesen Fasern“ frei. Bei Bränden werden Temperaturen über 650 Grad erreicht, es entstehen Schadstoffe, die die WHO als krebserregend einschätzt. Diese Emission ist im Brandfall nicht beherrschbar, da ein Löschen brennender WKA nicht möglich ist. Brände sind in dieser Höhe nicht beeinflussbar, selbst das Löschen abgeworfener Teile ist für die Feuerwehr zu gefährlich. Für Anlagen im Wald ein katastrophales Szenario.

Kontaminierte Flächen in der Umgebung dürfen dann nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden auf Grund der Gefahr, dass diese Schadstoffen über Weidetiere oder Feldfrüchte in den Nahrungskreislauf geraten. Per Hand muss auf solchen Flächen kleinteilig das Material aufgelesen werden. Abrisse von Rotorblättern oder umstürzende Anlagen verteilen ebenso Schadstoffe in die Umgebung.

Emissionen der Windkraft

Es geht die Botschaft, Windkraft sei umwelt- und klimaneutral sowie emissionsfrei. Keiner der drei Punkte stimmt. Die Umweltbelastung erklärt sich aus der Materialschlacht und den Eingriffen in die Landschaft, Wetteränderungen sind in regionalem Maßstab durch internationale Studien bestätigt und die Emissionsfreiheit bezieht sich nur auf die Abgas-Emissionsfreiheit, dies trifft auch nur während der Betriebszeit zu.

Aber nicht nur im Havarie oder Schadensfall, auch im Nomalbetrieb kommt es zur Emission derartiger Materialien. Ursache ist die Blattkantenerosion, bei der Material an den Blattkanten der Rotoren abgetragen wird.

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Die Flügelspitzen erreichen Umlaufgeschwindigkeiten von über 300 Kilometern pro Stunde, so dass Sandkörner, Hagelkörner, Regentropfen und Insekten eine deutliche abrasive Wirkung ausüben und Material abtragen. Diese Mikroplastik von Lacken und Verbundwerkstoffen kann nicht zurückgehalten werden und verteilt sich direkt in der Umgebung oder bei Offshore-Anlagen direkt in die See. Die Zulieferbranche forscht an verschleißfesteren Materialien, dennoch bleibt dieser Abrieb ein ärgerlicher und die Betriebskosten treibender Punkt. Die Rotorblätter müssen nicht nur regelmäßig vom Belag toter Insekten gereinigt werden, sondern auch nachlackiert, getaped oder sogar gewechselt werden.

Maßgebend für die Stärke der Blattkantenerosion ist die Windgeschwindigkeit, so sind Anlagen im Binnenland, speziell im Süden der Republik kaum betroffen. Dagegen sind die Blätter von Offshore-Anlagen, die zusätzlich durch die Salzwasser-Atmosphäre belastet werden, in der Lebensdauer stärker begrenzt. Intern geht man von 10 Jahren Haltbarkeit eines Flügels aus bis zu dessen Wechsel – auch wenn zwischendurch neu beschichtet wird. Die Branche spricht nicht gern darüber, die dafür anfallenden Kosten könnten Investoren verunsichern.

Windenergie als Endstadium

Wenn die Erneuerbaren-Branche verächtlich von konventionellen Kraftwerken als „Dreckschleudern“ spricht, so muss man die Windkraft als großen Emittenten von Mikroplastik hinzuzählen.

Unstrittig ist die zunehmende Belastung von Menschen und Tieren, Umwelt und Klima durch den weiteren Ausbau der Windkraft mit immer größere Anlagen. Die Erklärung der Wind- und Solarenergie zum Endstadium energietechnischer Entwicklung in Deutschland ist ein schwerer interessen- und ideologiegeleiteter Irrtum. Wir sind mit diesem Rückgriff auf volatile Naturenergie, die wir zur Grundlage unseres Energieversorgungssystems machen wollen, allein und isoliert in der Welt, die uns verwundert zuschaut. Die Erkenntnis, dass mit Zufallsenergie kein Industrieland und auch kein anderes sicher versorgt werden kann, wird noch Zeit brauchen, um in der Berliner Blase anzukommen.

Zunächst wird noch Habecks Gaskraftwerksstrategie scheitern, mit der durch eine Vielzahl neuer Anlagen die Flauten überbrückt werden sollen. Es wird weder die Anzahl dieser Kraftwerke geben noch die Mengen an Gas und künftig an Wasserstoff.

Auf Steuergeld basierte Theorien können lange leben. Jede realitätsferne Theorie hat aber irgendwann ihr Lebensende erreicht und wird entsorgt werden. Dann gilt es, wie immer, die Schuld bei anderen zu suchen. Aber das Land wird dann ein anderes sein.

Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier

 

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