Horst D. Deckert

«Wenn wir wieder die Regie in diesem Land übernehmen wollen, dann muss jetzt jeder beginnen, sich gegen die Massnahmen zu wehren»

Simone, du bist seit über einem Jahr permanent aktiv. Der Stille Protest hat zahlreiche grosse Demos organisiert. Ist die Zeit der Demonstrationen vorbei?

Das sehe ich durchaus so. Jetzt ist nicht mehr Zeit für Demonstrationen. Jetzt ist die Zeit gekommen für eine Revolution.

Was verstehst du unter einer Revolution?

Die Bürger müssen wiederbeginnen, selber zu denken, sich eine eigene Meinung zu bilden. Jeder muss selber in die Verantwortung kommen. Eine Revolution muss von allen kommen. Tief aus der Bewegung heraus muss sie entstehen. Es braucht jetzt ein Umdenken. Wir müssen alle zwingend auch einen Gang hochschalten, denn unsere Gegner machen dies schon lange. Wenn wir wieder die Regie in diesem Land übernehmen wollen, dann muss jetzt jeder beginnen, sich gegen die Massnahmen zu wehren.

Viele haben aber Angst vor Bussen, vor Verfahren und so weiter. Die Leute haben viel zu verlieren.

Das stimmt. Wir sollten aber keine Angst mehr haben vor Bussen. Mit einer solchen Einstellung wird das Ganze nie enden. Dann wird die Regierung weiterhin mit uns machen, was sie wollen. Deshalb ist es so enorm wichtig, Widerstand gegen das Zertifikat zu leisten. Jeder soll jetzt tagtäglich persönlich Widerstand leisten.

Wie könnte dieser Widerstand aussehen?

Zum Beispiel damit, dass die Bürger aufhören, die Maske weiter zu tragen. Schliesslich wissen wir, dass diese mehr schadet als nützt. Auch die Geschäfte sollten nicht mehr mitspielen. Ladenbesitzer oder Wirten dürfen sich auf keinen Fall noch länger als Polizisten einspannen lassen. Es sollte den Unternehmern klar sein, dass sie dadurch längerfristig alle nur verlieren. Deshalb sollten sie sich dagegen wehren.

Der Stille Protest hat unter anderem grosse Kundgebungen in Liestal und Neuenburg auf die Beine gestellt. Demonstrationen, zu denen mehrere tausend Menschen kamen. Am Wochenende habt ihr eine weitere bewilligte Demonstration in Uster organisiert. Innerhalb der Bewegung kritisierte man euch zuweilen dafür, dass ihr euch die Demo bewilligen lässt. Wie stehst du dazu?

Ich bin mir bewusst, dass wir für einige zu wenig weit gehen. Die Gründe dafür sind folgende: Wir, der Stille Protest, sind als Verein organisiert. Entsprechend haften wir auch als juristische Person. Wir haben eine gewisse Verantwortung gegenüber unseren Mitgliedern und nehmen diese sehr ernst. Wenn nicht zwingend nötig, riskieren wir nicht die Existenz des Vereins.

Der Verein könnte dadurch nur verlieren

Den Stillen Protest würde es dann vermutlich nicht mehr geben. Schliesslich müssten wir für die potenziellen Schäden haften. Und da sprechen wir dann nicht von Kleinigkeiten. Bis jetzt war es uns nicht wert, dieses Risiko in Kauf zu nehmen. Demonstrieren kann man friedlich und im legalen Rahmen. Das war von Anfang an auch unser Ziel, die Leute auf die Strasse zu bewegen. Wichtig war uns dabei, auch die ganz normalen Bürger zu erreichen. Viele Schweizer sind sich das Demonstrieren nicht gewohnt und verbinden Kundgebungen immer noch mit etwas Negativem.

Warten die Behörden nicht sehnlichst darauf, dass ihr den legalen Rahmen verlässt? Dass ihr Fehler macht?

Ja natürlich. Es ist kein Geheimnis, dass staatliche Stellen uns akribisch beobachten. Sie warten nur darauf, dass wir einen Fehler machen, an dem man uns aufhängen kann. Würden wir zu unbewilligten Demos aufrufen, dann hätten wir ein riesiges Problem.

Die Behörden ihrerseits haben euch nach Liestal lange keine Bewilligungen mehr erteilt. Die staatlichen Stellen halten sich ja selbst nicht an die Regeln.

Ja, nach der Demo in Liestal Mitte März hat man mehrfach Demoverbote ausgesprochen. Dies immer mit fadenscheinigen Argumenten. Ich bin überzeugt, dass die Behörden nach Liestal Angst bekamen, dass die Bewegung immer grösser wird. Liestal war ein Wendepunkt.

Könnte bald der Moment kommen, wo ihr auch zu unbewilligten Demos aufruft?

Wie das Ganze so weitergeht, werden wir sehen. Je weiter die Regierung mit ihren Massnahmen geht, desto mehr Risiken müssen wir auch in Kauf nehmen. Letztlich geht es um die Zukunft der nächsten Generation. Das Gute ist: Inzwischen sehen immer mehr Menschen, was auf dem Spiel steht. Man denke an den 12. August. An diesem Tag versammelten sich in Bern innert kürzester Zeit zigtausende Bürger, um gegen die verschärften Massnahmen zu demonstrieren.

Einzelne Bürger empfehlen, sich in diesen Zeiten eine Waffe zu verschaffen. In meinen Augen ist das keine gute Idee. Wie siehst du das?

Das sehe ich auch so. Waffengewalt kann und darf keine Lösung sein. Diese Art von Gewalt verschafft vielleicht kurzzeitig eine Änderung, bringt aber keine dauerhafte Lösung. Ebenso wenig halte ich von der Mensch-Person-Philosophie, die vereinzelt von Leuten propagiert wird.

Lehnst du Waffen grundsätzlich ab?

Ich wuchs in einer Familie auf, in der Waffen kein Tabu waren. Ich habe eigentlich nichts gegen Waffen. Finde aber auch: Waffen sind nicht die Lösung des Problems. Ich stehe ein für den friedlichen, unbewaffneten Widerstand. Friedlich und beharrlich Widerstand zu leisten ist in meinen Augen der Weg. Auf keinen Fall darf er bewaffnet und blutig werden.

Letzterer könnte brandgefährlich werden

Ja, nach dem bewaffneten Widerstand gibt es nichts mehr. Wenn die Leute mit Waffen auf die Strassen gehen, dann haben wir ein Problem.

Gibt es Momente, in denen du eine Waffe zur Notwehr als legitim erachtest?

Ich muss zugeben: Als ich letztes Jahr begann nicht mehr mit der Maske einzukaufen, habe ich mir einen Pfefferspray zugetan. Ich bin eine Frau. Ich kann mich zwar bis zu einem gewissen Grad wehren. Aber ich wollte schlicht und einfach gerüstet sein für den Fall.

Kam das schon vor?

Nein. Zum Glück nicht. Es gab den einen oder anderen Konflikt. Ich konnte diese aber fast immer lösen. Den Pfefferspray habe ich nur für den Notfall dabei. Für den Fall, dass mich jemand angreifen würde.

Kommen wir zurück zu den Massnahmen: Am 28. November stimmen wir zum zweiten Mal über das Covid-19-Gesetz ab. Weshalb ist dieses Gesetz so gefährlich?

Das Gesetz hätten wir nie annehmen dürfen. Man wusste von Anfang an, wie gefährlich es ist. Und deshalb gehört es schleunigst begraben. Das Covid-19-Gesetz dient einzig und allein dazu, dem Bundesrat weiterhin noch mehr Macht zu verschaffen.

Die Regierung sagte anfangs, dass das Gesetz nur von kurzeitiger Dauer sei.

Das ist natürlich falsch. Das Gesetz will die Regierung möglichst lange aufrechterhalten. Kürzlich hat der Bundesrat ja bereits bekannt gegeben, dass er dem Parlament einen Verlängerungsantrag stellen wird. Das Gesetz soll um ein weiteres Jahr verlängert werden. Dies, weil viele Bestimmungen Ende Jahr auslaufen. Mit diesem Machtinstrument, das die Regierung durch das Covid-19-Gesetz hat, wird der ganze Wahnsinn nie enden. Klar sollte uns auch sein: Die Regierung wird ihre Macht nicht freiwillig abgeben. Das wissen wird aus der Geschichte. Das Vollmachtenregime, mit dem die Schweizer Regierung während des Zweiten Weltkrieges regierte, war auch noch mehrere Jahre nach dem Krieg in Kraft.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass wir heute in der Situation sind, in der wir sind?

Meiner Ansicht nach begannen die Probleme schon weit vor Corona. Zum einen wurden die Abstimmungen in den vergangenen Jahren immer komplexer. Dazu kommt: Viele Bürger schauten nicht mehr so genau hin. Viele waren auch stets gutgläubig und vertrauten den Behörden ohnehin. Ein Grossteil der Bürger interessierte sich schlicht und einfach nicht für Politik. Nur wenige Menschen hinterfragten das Vorgehen der Behörden. Nur vor diesem Hintergrund ist es verständlich, weshalb es dem Bundesrat gelang, sich innert kürzester Zeit so viel Macht zu verschaffen.

Eine Mehrheit der Bürger sprach schon vor Jahren der Regierung umfassende Kompetenzen zu. Stichwort Epidemiengesetz, dem stimmten die Bürger 2013 ja zu.

Genau. Damit hat man der Regierung überhaupt erst die Grundlage für das verschaffen, was wir heute haben. Obwohl man sagen muss, dass nicht alles schlecht ist, was im Epidemiengesetz steht. Aber alles, was sich gut anhört, kann früher oder später missbraucht werden.

Zum Beispiel?

Das Gefährlichste ist in meinen Augen, dass die Bundesverfassung heute eigentlich nur noch Papier ist. Sie hat keinen Wert mehr. Ob Covid-19-Gesetz oder Epidemiengesetz: All diese Gesetze stellt man heute über die Verfassung. Das darf doch nicht sein. Das ist ein riesiges Problem. Denn dadurch sind die Grundpfeiler unserer Demokratie nichts mehr wert.

Was müsste dann passieren?

Es ist Zeit, dass wir die Bundesverfassung wieder ernst nehmen. An dieser müssen wir uns orientieren. Die Verfassung verbietet es nämlich der Regierung, uns mit einem Zertifikat zu diskriminieren. Auch gibt die Verfassung der Regierung keinerlei rechtliche Grundlage dafür, dass die Behörden einfach willkürlich Geschäfte schliessen und ganze Branchen lahmlegen. All dies verstösst diametral gegen die Verfassung. Man denke an die Wirtschaftsfreiheit, die Bewegungsfreiheit, das Diskriminierungsverbot um nur einige Artikel zu nennen.

Weshalb wehren sich so wenige Juristen gegen die Massnahmen?

Aus irgendeinem Grund kommen die nicht aus ihren Löchern heraus. Dabei wären sie geradezu prädestiniert, um etwas gegen diese himmelschreienden Ungerechtigkeiten zu tun. Es gibt aber leider nur sehr wenige Anwälte, die versuchen, auf dem juristischen Weg die willkürlichen Massnahmen zu bekämpfen. Wie jeder Arzt hat doch auch jeder Anwalt einen gewissen Berufsstolz und sollte merken, dass hier etwas breitflächig schiefläuft.

Grosse Teile der Medien und der Ärzte machen auch einfach mit.

Ja, das ist das Problem. Es geht nicht um einzelne Berufsfelder. Im Rahmen der Covid-19-Krise hat unsere Gesellschaft als Ganzes versagt. Es braucht jetzt mutige Menschen aus unterschiedlichen Berufsfeldern, die gegen den Wahnsinn aufstehen.

Wenn du zurückblickst auf die letzten 18 Monate: Was nimmst du alles an positiven Erfahrungen aus dieser Zeit mit?

Zum ersten Mal öffentlich aktiv geworden bin ich am 7. November 2020. An diesem Tag organisierten mein Mann Martin und ich mit rund 50 Menschen eine Demonstration gegen die Massnahmen in der Stadt Zürich. Die letzten 18 Monate waren für mich die lehrreichste Zeit meines Lebens. Ich lernte zahlreiche neue und spannende Menschen kennen, die ich sonst nie kennengelernt hätte. Dafür bin ich äusserst dankbar. Ich nehme ganze viel Positives mit aus der Zeit des Widerstands.

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Simone von «Stiller Protest» während einer Demo. Bild: z.V.g.

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Morgen Samstag organisiert der Verein «Stiller Protest» eine Kundgebung in Uster. Treffpunkt: 13.00 Uhr auf der Püntwiese, 14.00 Uhr startet der Abmarsch.

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