
In Zeiten der “globalen Verkochung” ist für Warnungen vor den gesundheitlichen Risiken niedriger Temperaturen wenig Platz: Alles hat sich um “Hitze” zu drehen. Das treibt Stilblüten: Nicht nur, dass Meteorologen gern mit “gefühlten Temperaturen” jonglieren und sich Katastrophenwerte herbeimodellieren: Beim Deutschen Wetterdienst hat man beim “Thermischen Gefahrenindex” auch eine spannende Temperatureinteilung auf Lager, wie diese “gefühlten Temperaturen” sich anfühlen. Sie finden doch sicher auch, dass Temperaturen bis -13 Grad höchstens “leicht kühl” und bis -26 Grad nur “kühl” sind, oder?
Ein Kommentar von Vanessa Renner
Auf X ist jüngst eine Debatte über den “Thermischen Gefahrenindex” des Deutschen Wetterdienstes entbrannt: Die Skala, die auf der Website gezeigt wird, sorgt für einige Verwunderung. So sollen gefühlte Temperaturen von 0 Grad Celsius (!) bis 20 Grad Celsius “behaglich” sein. Bis -12 Grad Celsius sei das thermische Empfinden “leicht kühl”, bis -26 Grad Celsius “kühl” und erst ab da nehme der Durchschnittsmensch die Temperaturen dann als “kalt” wahr. “Sehr kalt” wird es aber erst ab -39 Grad Celsius.
Zunächst sei darauf hingewiesen, dass der Deutsche Wetterdienst keine unabhängige Behörde ist, sondern eine Bundesanstalt im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. Damit dürfte vieles zu erklären sein.
“Gefühlte Temperaturen” modelliert man sich mit dem sogenannten “Klima-Michel” von 1998 zurecht. Das wiederum beruht auf der sogenannten “Behaglichkeitsgleichung” nach Fanger von 1972. Zugrunde liegt die Annahme, dass eine bestimmte Gradzahl sich ja nach zusätzlichen Faktoren wie Wind, Luftfeuchte und Strahlung unterschiedlich anfühlen kann.
Das ist zwar korrekt – doch die Folge dieser Berechnung ist, dass man halbwegs robuste Werte kaputtmodelliert und ihnen jede Aussagekraft nimmt. Man kann nämlich nicht für jeden Typus Mensch gefühlte Temperaturen errechnen, nein, man nimmt natürlich einen “Durchschnittsmichel” her – einen gesunden 35-jährigen Mann mit 75 Kilo, einer Größe von 1,75 Metern, der sich mit vier Kilometern pro Stunde bewegt und seine Kleidung beliebig situativ anpassen kann. (Damit wird der Widerspruch des “Gefahrenindex” schon deutlich, denn von den Temperaturen in Deutschland geht für diesen Standardmenschen schlicht keine Gefahr aus.)
Was bringt’s also? Während ein Mensch aus konkreten Informationen wie Lufttemperatur, Windgeschwindigkeit und Luftfeuchtigkeit seine ganz individuellen Schlüsse für seinen Tagesablauf ziehen kann, hat man durch das Überstülpen des “Klima-Michels” eine Verfälschung erreicht, die die relevanten Daten verwässert, wenn nicht gar verschleiert. Für den Bürger, der einfach nur wissen will, wie das Wetter wird, erschließt sich der Vorteil nicht. Forscher derweil lieben bekanntlich Modelle. Doch wie zuverlässig die sind, zeigen nicht nur die Klimamodelle, die wichtige Faktoren außen vor lassen, sondern auch die verschiedenen Modelle zur Wetterprognose, deren Daten mitunter Warnungen vor einer drohenden “Hitze” nach sich ziehen, die dann gar nicht eintritt.
Nur “Hitze” ist böse!
Was die stetige Klima-Wetter-Agitation besonders ärgerlich macht, ist die auffallende Ignoranz gegenüber der tatsächlichen Gefahr: Kälte. Der “Thermische Gefahrenindex” ist hier auch keine Hilfe. Der Deutsche Wetterdienst gibt auf seiner Website folgende Tabelle an:
Screenshot: DWD
Demnach sind also gefühlte 27 Grad Celsius genauso gefährlich wie gefühlte -14 Grad Celsius. Beides wird mit einer “mittleren” gesundheitlichen Gefährdung assoziiert. Wer kennt sie nicht, die Obdachlosen, die im Sommer reihenweise “erschwitzen”! Es wird freilich darauf hingewiesen, dass die Beziehung “über eine Standardisierung des Menschen” ermittelt wurde (den bereits erwähnten Klima-Michel), die Reaktion des Individuums also abweichen könne.
Doch warum postuliere ich einen Gefahrenindex, wenn ich die tatsächlich gefährdeten Gruppen außen vor lasse? Stellen Sie sich einen bettlägerigen Senioren im Krankenhaus vor, der nach dem Waschen luftig bekleidet und ohne Bettdecke zurückgelassen wurde. Da liegt er nun mit zum Lüften geöffneten Fenster, weil die Krankenschwester auf dem Weg zum Wäscheschrank zu einem Notfall gerufen wurde. Was ist für diesen Menschen wohl die größere Gefahr: +27 Grad Celsius oder -14 Grad Celsius? Der gefährdete Mensch kann seine Kleidung eben nicht variabel anpassen, ist nicht gesund und kreislaufstabil und hat oftmals noch Über- oder Untergewicht, mit entsprechenden Folgen für den Metabolismus und den Wärmehaushalt.
Entlarvend: “Klimaneutralität” statt Klimaanlagen gefordert
Dem Standardmenschen geht’s in Deutschland aller Wetterpanik zum Trotz bestens. Die Alten und Kranken behelligt man zwar mit “Hitzetelefonen” und Co., zwingt sie aber in kalten Wintern durch grün forcierte Kostenexplosionen zum Heizverzicht – und erzählt ihnen dann noch, gefühlte -13 Grad Celsius wären ja auch nur “leicht kühl”.
Es bleibt übrigens dabei: Wer Menschen vor einer angeblich drohenden Hitzeapokalypse schützen will, fördert Klimaanlagen. Auch und gerade in medizinischen Einrichtungen. Das ist nicht der Fall. Im Gegenteil: Stattdessen wird offiziell gefordert, dass Kliniken “klimaneutral” werden, sich von bislang bezahlbaren Energieformen lossagen und Angestellte wie Patienten (!) sich gefälligst “klimaneutral” verhalten sollen. Wer die Lage in den Kliniken kennt, könnte hier glatt Menschenhass vermuten…