Kopfschmerzen nach einem langen Arbeitstag. Rückenschmerzen vom Sport. Schnell ein Ibuprofen einwerfen – das kennt wohl jeder. Schließlich gilt das Zeug als harmlos, steht frei verkäuflich in jeder Apotheke. Aber was passiert eigentlich in unserem Körper, wenn wir eine solche Tablette schlucken? Eine aktuelle Studie zeigt jetzt etwas ziemlich Verstörendes: Dieses weit verbreitete Schmerzmittel macht aus runden, gesunden Blutzellen stachelige Monster.
Stellen Sie sich vor, Sie könnten durch Ihre Adern reisen wie in einem Science-Fiction-Film. Millionen von roten Blutkörperchen würden an Ihnen vorbeiströmen – perfekte kleine Scheiben, die aussehen wie winzige Donuts. Nur ohne Loch in der Mitte. Diese Form ist genial durchdacht: Die Zellen können sich zusammendrücken wie ein Schwamm und durch die allerengsten Blutgefäße quetschen. Dort angekommen, geben sie ihren wertvollen Sauerstoff ab und nehmen das verbrauchte Kohlendioxid mit zurück zur Lunge. Ein ewiger Kreislauf des Lebens, millionenfach pro Sekunde.
Was die roten Blutkörperchen so besonders macht? Sie sind unglaublich flexibel. Wie Gummibälle verformen sie sich, passen sich an, schlängeln sich durch Engstellen. Diese Beweglichkeit hält uns am Leben – ohne sie würde unser Gewebe binnen Minuten absterben.
Plötzlich wachsen Stacheln
Dann kommt Ibuprofen ins Spiel. Forscher haben das Schmerzmittel unter ein spezielles Mikroskop gelegt – eine Art 3D-Scanner für Zellen. Was sie sahen, war alarmierend. Sobald das Medikament die Blutzellen berührte, begannen diese sich zu verändern. Nicht langsam über Stunden, sondern ziemlich fix. Aus der glatten Oberfläche sprossen kleine Stacheln hervor, wie bei einem Igel oder Seeigel. Mediziner nennen solche verformten Zellen „Stechapfelzellen” – der Name sagt schon alles.
Stechapfelzellen sind keine Neuheit. Ärzte kennen sie von verschiedenen Krankheiten. Bei der Sichelzellanämie zum Beispiel verformen sich die roten Blutkörperchen sichelförmig und verstopfen die Blutgefäße. Das kann richtig gefährlich werden – Organschäden, extreme Schmerzen, sogar der Tod droht. Auch bei falscher Lagerung von Blutkonserven oder bestimmten Lebererkrankungen entstehen solche Deformationen.
Niedrige Dosis – kein Problem?
Zum Glück ist nicht jede Ibuprofen-Tablette ein Todesurteil für unsere Blutzellen. Bei normalen Dosen können sich die verformten Zellen wieder erholen. Die Stacheln verschwinden, die ursprüngliche Donut-Form kehrt zurück. So weit, so beruhigend. Aber – und das ist ein großes Aber – bei höheren Konzentrationen wird’s kritisch.
Die Wissenschaftler testeten verschiedene Dosierungen. Bei 800, 1200 und 2400 Milligramm war Schluss mit lustig. „Die Fähigkeit der roten Blutkörperchen, ihre doughnut-ähnliche Form wieder anzunehmen, wurde nur bei hohen Ibuprofen-Dosen gehemmt”, schreiben sie in ihrer Studie. Diese Mengen sollte niemand ohne ärztliche Aufsicht schlucken. Trotzdem passiert es häufiger, als man denkt.
Das Problem mit der Selbstmedikation
Hier liegt der Hase im Pfeffer. Ibuprofen gibt’s ohne Rezept, fast überall zu kaufen. Viele Menschen denken: Was frei verkäuflich ist, kann nicht schaden. Ein fataler Irrtum. Bei hartnäckigen Kopfschmerzen nehmen manche einfach die doppelte Dosis. Oder sie kombinieren verschiedene Präparate, ohne zu wissen, dass alle Ibuprofen enthalten. „Die Tatsache, dass Ibuprofen als frei verkäufliches Schmerzmittel erhältlich ist, erhöht das Risiko für eine Überdosierung”, warnen die Forscher. Eine berechtigte Sorge.
Was besonders nachdenklich stimmt: Viele ahnen gar nicht, welche Folgen eine Überdosis haben kann. Magenschmerzen kennt jeder als Nebenwirkung. Aber dass das Zeug unsere Blutzellen verformt? Davon haben die wenigsten je gehört.
Was bedeutet das für uns?
Diese Entdeckung ändert vermutlich nicht die Welt der Medizin von heute auf morgen. Ibuprofen bleibt ein wichtiges und oft notwendiges Medikament. Aber die Studie zeigt: Auch harmlos wirkende Medikamente können auf Zellebene ziemlich drastische Veränderungen auslösen. Vielleicht führt das zu besseren Dosierungsempfehlungen oder zur Entwicklung sichererer Alternativen.
Eins ist jedenfalls klar geworden: Respekt vor Medikamenten – auch den rezeptfreien – ist angebracht. Der schnelle Griff zur Tablette sollte wohlüberlegt sein. Manchmal hilft schon ein Glas Wasser, etwas Ruhe oder ein Spaziergang genauso gut. Und wenn’s wirklich ein Schmerzmittel sein muss, dann bitte mit Verstand und Maß.