Der gesamte Planet ist mittlerweile damit verseucht, vom Gipfel des Mount Everest bis in die tiefsten Ozeane, wie The Guardian letztes Jahr feststellte. Im Wasser, in der Luft und in Böden wurde es entdeckt: Die Rede ist von Mikroplastik. Es entsteht aus dem Zerfall von Kunstoffen, welche in der Umwelt aufgrund ihrer Stabilität nicht vollständig abgebaut werden: Sie zerfallen im Laufe der Zeit in immer kleinere Teilchen. Wenn diese kleiner als 5 Millimeter sind, werden sie als Mikroplastik bezeichnet.
Von der Umwelt gelangen solche Partikel auch in Lebewesen: Pflanzen, Tiere und Menschen. Laut einer Studie der Universität von Victoria nehmen Menschen pro Jahr etwa 200’000 Mikroplastikpartikel über Wasser und die Ernährung auf. Allein über die Ernährung sind es gemäss Forschern der Universität Newcastle in Australien circa 2000 pro Woche. Das seien etwa 5 Gramm Plastik, was dem Gewicht einer Kreditkarte entspreche.
Dabei gilt: Je kleiner die Partikel, desto leichter können sie sich verteilen. So konnten sie bereits in Fäkalien von Säuglingen und Erwachsenen, in menschlichem Blut und in menschlichen Organen nachgewiesen werden. Und in den Organen können sie laut Wissenschaftler der Universität des Saarlandes die Zellmembranen mechanisch destabilisieren, wie Forschung und Wissen berichtet.
Ende 2021 fanden nun südkoreanische Wissenschaftler Hinweise darauf, dass Mikroplastik die menschliche Blut-Hirn-Schranke durchdringen kann. Zuerst konnten sie das bei Mäusen feststellen, denen Plastikpartikel oral verabreicht wurden. Die Konsequenz: die Teilchen, die kleiner als 2 Mikrometer waren, erreichten das Gehirn. Danach ermittelten sie in Kulturen, dass sich die Partikel auch in menschlichen Zellen anreichern. Laut den Forschern löst das Mikroplastik ausserdem Entzündungen aus. Sie haben «Veränderungen der Zell-Morphologie, der Immunreaktion und des Zelltods» beobachtet.
Ein Teil des Mikroplastiks gelangt wie erwähnt über die Nahrung in unsere Körper. Und dorthin kommt es vor allem über die Ackerböden. Wie der Naturschutzbund Deutschland (NABU) mitteilt, kann Mikroplastik nicht aus dem Boden zurückgeholt werden und sammelt sich dort somit immer weiter an. Es verändere die Bodenstruktur und stelle eine potenzielle Gefahr für die Bodenorganismen dar. Daher sei es «im Sinne des Vorsorgeprinzips wichtig, die Einträge von Plastik in Böden möglichst zu unterbinden».
Das Schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU) schreibt, es sei «davon auszugehen, dass Mikroplastik in fast allen Schweizer Böden zu finden ist».
Angesichts dieser gravierenden Sachlage sollte man annehmen, dass die Behörden die Konzentration derartiger Partikel in den Böden im Auge behalten. Schliesslich sind so sehr um unsere Gesundheit besorgt, dass sie Milliarden an Steuergeldern ausgegeben haben, um alle auf ein Virus zu testen und dagegen zu impfen. Grundrechte wurden sogar eingeschränkt, um uns vor diesem zu schützen.
Weitere Milliarden werden ausgegeben, um den vom Menschen verursachten CO2-Ausstoss zu reduzierten. Und das, obwohl nicht erwiesen ist, dass damit massgeblich auf die Temperatur der Erdatmosphäre Einfluss genommen werden kann.
Weit weniger Aufmerksamkeit erhält hingegen das Problem des Mikroplastiks – bei dem der menschliche Einfluss ausser Frage steht – und es werden dafür nicht annähernd so viele finanzielle Mittel aufgewendet.
So hat zum Beispiel das BAFU tatsächlich noch keine Ackerböden auf die Belastung von Mikroplastik untersucht, wie die Behörde dem Konsumentenmagazin K-Tipp mitteilte und gegenüber Transition News bestätigte.
In Deutschland sieht es nicht besser aus. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) erklärt: Der maritime Bereich sei «in Sachen Plastik» schon recht gut erforscht, doch bei den Böden bestünden noch «Wissenslücken». Es gebe zwar einige Studien, diese seien aber aufgrund «methodischer und experimenteller Unterschiede nur schwer vergleichbar». Das BLE erwähnt das Thünen-Institut für Agrartechnologie, laut dem es bislang an geeigneten und einheitlichen Analysemethoden fehlte, um die Mengen an Plastikpartikeln in Böden hinreichend bemessen zu können. Die Behörde weiter:
«Daher liegen noch keine belastbaren Zahlen vor, die ausdrücken, wie viel Plastik sich tatsächlich in unseren (Acker-)Böden angereichert hat.»
Standardisierte Methoden zur Vorbereitung und Analyse von Mikroplastik in Umweltproben fehlen auch in der Schweiz, wie das BAFU Transition News mitteilt. Die Behörde finanziere daher die Etablierung einer solchen Methode. Erst danach würden zuverlässige Analysen durchgeführt werden können. Auf seiner Website räumt das BAFU ein, dass ein «Forschungsbedarf über Kunststoffe in der Umwelt» besteht.
In der Schweiz oblag es somit dem K-Tipp, die Belastung landwirtschaftlicher Böden mit Mikroplastik zu untersuchen. Dabei stellte sich heraus, dass alle zehn an ein spezialisiertes Labor eingesandten Proben von Schweizer Äckern Mikroplastik enthielten. Dabei handelte es sich sowohl um Erde von Ackerland in der Nähe von grossen Siedlungsgebieten als auch um Erde von Ackerflächen, die weit entfernt von Wohngebieten liegen. Die zwei am stärksten belasteten Proben kamen aus den Kantonen Thurgau und Aargau, bei denen in einem Kilo Erde über 100‘000 respektive 50‘000 Mikroplastikteilchen gefunden wurden.
Das seien sehr hohe Werte, so der K-Tipp. Das Magazin zitiert das österreichische Umweltbundesamt, dem zufolge der bisherige Höchstwert bei 18‘760 Plastikteilchen pro Kilo Ackerboden lag. So ist es bezeichnend, dass in fünf der K-Tipp-Proben mehr als 10‘000 Mikroplastikteilchen gefunden wurden. Sämtliche Proben enthielten Polyethylen.
Ein Teil dieser Partikel verursacht die Landwirtschaft selbst, zum Beispiel durch die Verwendung von Kunstoffen für Siloballen, Tunnelfolien und Vogelschutznetze. Wie das Magazin informiert, werden Berechnungen der Bundesforschungsanstalt Agroscope zufolge auf Schweizer Feldern rund 16‘000 Tonnen Plastikmaterial pro Jahr eingesetzt. Sie geben rund 160 Tonnen an Plastikteilchen ab, die im Boden zurückbleiben.
Gemäss dem BAFU sind die wichtigsten Quellen von Kunststoffen in den Böden: Reifenabrieb, Littering sowie Verschmutzung der Grüngutsammlung durch Kunststoffe. Die Behörde erwähnt eine Modellberechnung der sieben meistverwendeten Kunststoffarten in der Schweiz, laut welcher der jährliche Eintrag von Mikroplastik auf und in die Böden auf rund 600 Tonnen geschätzt wird. Zusätzlich würden nach einer Folgestudie jährlich rund 6’000 Tonnen Reifenabrieb in die Strassenböschung sowie 300 Tonnen auf die anderen Böden gelangen.
Das deutsche Fraunhofer Institut für Umwelttechnik machte in einer Studie von 2018 als die drei wichtigsten Quellen für Mikroplastik aus: Abrieb von Fahrzeugreifen, Abrieb von Kunststoffzusätzen im Asphalt und Staub aus der Abfallentsorgung.
So erstaunt es doch, dass sich die bisherigen Massnahmen der Behörden vor allem auf das Littering konzentrieren. Das BAFU erwähnt zum Beispiel «ein gut funktionierendes Abfallbewirtschaftungssystem» und «die Reinigungsmassnahmen im öffentlichen Raum».
Noch erstaunlicher und besorgniserregend ist, dass für manche Quellen von Mikroplastik so gut wie keine konkrete Massnahmen geplant sind. Das BAFU listet beispielsweise lediglich einige «mögliche Massnahmen zur Verminderung der Kunststoffeinträge» auf, die zudem insbesondere auf Eigenverantwortung abzielen.
Was den von der Landwirtschaft selbst benutzten Kunststoff betrifft, schlägt das BAFU vor, Landwirtschaftsfolien nicht unterzupflügen und das Folienrecycling zu fördern. Die Behörde mahnt ausserdem zur «Vorsicht bei vermeintlich abbaubaren Landwirtschaftsfolien». Bezüglich dem Reifenabrieb empfiehlt das BAFU hingegen unter anderem abriebarme und schmale Reifen, leichte Autos, korrekt eingestellter Reifendruck und eine «stetige Fahrweise (Stop-and-go vermeiden)».
Dem K-Tipp zufolge will die Behörde erst Massnahmen ergreifen, wenn die EU definitiv Beschränkungen für Mikroplastik beschliesst. Das Magazin kommentiert:
«Es kann also noch Jahre dauern, bis Massnahmen gegen die Verseuchung von Böden und Wasser durch Mikroplastik ergriffen werden.»
Diesbezüglich teilt das BAFU Transition News mit, dass die Europäische Kommission im August 2022 «einen Regelungsentwurf für weitreichende Beschränkungen von Mikroplastik in Produkten (z.B. mit Polymeren ummantelte Dünger, die Nährstoffe dosiert abgeben) veröffentlicht» hat. Damit in der Schweiz dasselbe Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt gewährleistet werden könne, prüfe das BAFU, ob die in der EU vorgesehenen Beschränkungen in das Schweizer Chemikalienrecht übernommen werden sollen. Das BAFU weiter:
«Sobald die EU eine definitive Regelung beschlossen hat, wird das BAFU eine entsprechende Änderung der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) vorbereiten.»
Transition News wollte vom BAFU auch wissen, was die Schweizer Behörden unternehmen, um die gesundheitlichen Auswirkungen von Mikroplastik auf Menschen und Tiere zu untersuchen. Die Behörde weist in ihrer Antwort auf den letzten September vom Bundesrat veröffentlichten Bericht «Kunststoffe in der Umwelt» hin, in dem auch die Auswirkungen von Mikroplastik auf Menschen und Tiere thematisiert werden.
Im Bericht, der als Antwort auf vier Nationalrats-Postulate erschien, ist zu lesen, dass die meisten Kunststoffe biologisch inerte Materialien seien. Laut Untersuchungen könnten jedoch gewisse Additive, Monomere und Oligomere toxische Effekte wie Entzündungsreaktionen verursachen. Der Bundesrat weiter:
«Es gilt jedoch auch festzuhalten, dass Kunststoffe, wie viele andere Stoffe, negative Auswirkungen auf Menschen haben, wenn eine bestimmte Dosis über einen längeren Zeitraum überschritten wird – insbesondere dann, wenn die Stoffe nicht abgebaut werden können und sich akkumulieren. Eine Gesundheitsgefährdung kann auch mit einer erhöhten Exposition generell gegenüber Umweltschadstoffen, einschliesslich Mikroplastik, zusammenhängen.»
Der Bundesrat räumt im Bericht ein, dass das Wissen über die Auswirkungen der Exposition von Kunststoffen auf die menschliche Gesundheit «noch begrenzt» ist. Das führe zu hohen Unsicherheiten bezüglich der Risikoabschätzung. Es bestehe grosser Forschungsbedarf, um die «Aufnahme- und Transferprozesse sowie Effekte der Langzeit-Exposition von Kunststoffen auf den Menschen besser zu verstehen». Der Bericht macht auf fünf grosse EU-Forschungsprojekte aufmerksam, die im Jahr 2021 gestartet wurden, in welchen die Auswirkungen von Mikroplastik auf die menschliche Gesundheit erforscht werden.
Gegenüber Transition News erwähnt das BAFU auch eine Stellungnahme des Bundesrats vom August 2022, welche als Antwort auf eine Interpellation erfolgte. Darin wird bestätigt, dass die Ergebnisse einer niederländischen Studie darauf schliessen lassen, dass:
«..die Exposition des Menschen gegenüber Kunststoffpartikeln zu einer Absorption der Partikel in den Blutkreislauf führt und dass ihre Elimination aus dem Blut über Galle, Nieren oder Transfer in andere Organe möglicherweise langsamer erfolgt als ihre Aufnahme ins Blut.»
Der Bundesrat stellt weiter fest, dass «eine übergeordnete Einschätzung, ob und gegebenenfalls welche Mikrokunststoffe für die menschliche Gesundheit als bedenklich einzustufen sind», auf der Basis des aktuellen Kenntnisstandes noch nicht möglich sei.
Die betroffenen Bundesämter würden die internationale Entwicklung entsprechender Forschung verfolgen und gezielt Forschungsprojekte fördern. Zudem sei eine Schweizer Gesundheitsstudie in Vorbereitung, in der auch Messungen von Chemikalien in Humanproben vorgesehen sind. Diese sollten Analysen von Mikroplastik beinhalten, sofern dies «methodisch machbar» sei.
Somit ist klar: Es tut sich zwar was, doch in absehbarerer Zeit müssen wir auf die wöchentliche Kreditkarte auf unserem Teller nicht verzichten.