Horst D. Deckert

Xavier Naidoos peinliche Rolle rückwärts – und was wir daraus lernen können

„Wendehals“ Xavier Naidoo: Gestern Hü, heute Hott (Foto:Imago)

Bereits vor der „Pandemie“ hatte sich der Sänger Xavier Naidoo in der alternativ-politischen Szene einen Ruf als selbstdenkender Kopf gemacht. Immer wieder kritisierte er die aggressive Vormachtstellung der Amerikaner oder sprach Klartext in puncto Zuwanderungspolitik sowie Ausländerkriminalität. Daher wurde er für viele AfD-Anhänger, manche Konservative, zuletzt dann auch für „Querdenker“ ein Idol, dessen Musik gerne auf Demos gespielt wurde. In den letzten zwei Jahren veröffentlichte der Sänger auch immer wieder systemkritische Lieder, oft auch mit anderen Musikern zusammen.

Naidoo wurde vor ziemlich genau zwei Jahren im Mainstream endgültig zur persona non grata degradiert, als er bei „Deutschland sucht den Superstar” (DSDS) als Jurymitglied gefeuert wurde – nachdem er es gewagt hatte, durchaus legitime Kritik an kriminellen Zuwanderer, vorzugsweise aus muslimischen Ländern, zu üben. Da in Deutschland so etwas wie echte Meinungsfreiheit, die auch die Äußerung unliebsamer Ansichten deckt, nicht mehr existiert, dauerte es nicht lange, bis sich der einst populäre Sänger quasi auf einer moralischen Stufe mit den von ihm angeprangerten Kriminellen (oder sogar noch darunter) wiederfand. Spätestens damals schieden sich die Geister an dem einstigen (im Gegensatz zu den übrigen Teilnehmern der Retorten-Sendung DSDS: wirklichen) deutschen Superstar die Geister: Für die einen war er ein durchgeknallter, trotz seines eigenen Migrationshintergrunds rassistischer Verschwörungstheoretiker; für die anderen ein echter Held, der sich traut, die Wahrheit auszusprechen.

Merkwürdige Thesen schmälerten nicht die künstlerische Leistung

Zugegebenermaßen vertrat Xavier Naidoo zumindest teilweise wirre und merkwürdige Thesen. Beispielsweise glaubte er an die Behauptung, die „Eliten” dieser Welt, auch Angehörige der Familien Rockefeller und Rothschilds sowie führende US-Demokraten (auch die Clintons) würden das Blut von Kindern trinken, um so in den Genuss ewiger Jugend zu geraten und sogar unsterblich zu werden. Besagte Verschwörungstheorie rund um das im Blut unter dem Einfluss von Stress und Angst gebildete Stoffwechselprodukt Adrenochrom besagte, dass für dessen Gewinnung angeblich Kinder im Auftrag der Mächtigen gefoltert würden und ihnen anschließend das Blut abgezapft würde. Die Hypothese korreliert eng mit der weiteren „Pizzagate-Verschwörung“; beide entsprangen dem geistigen Umfeld der „QAnon“-Szene. Auch wenn mancheiner den skrupellosen und korrupten Führungszirkeln des Westen praktisch allen zutrauen würde, so entbehren doch die entsprechenden Schilderungen und Netzbeiträge, die auch Xavier Naidoo teilte, jeglicher Beweisgrundlage.

Darüber hinaus trat Naidoo auch auf Demos von Reichsbürgern auf, die das Grundgesetz und das politische System der Bundesrepublik Deutschland rundheraus ablehnen und staatsrechtlich für ungültig halten. Sie sind der Meinung, es gälte – je nach Untergruppierung – noch die Verfassung des Kaiserreichs oder die des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937, Deutschland wäre nur ein „Vasallenstaat der Amerikaner” oder gar eine „Firma”, deren Geschäftsführer der Bundeskanzler sei. Die bis heute unbestreitbare weitgehende US-Hörigkeit der deutschen Politik (sofern dort nicht gerade Donald Trump regierte) wird von den Anhängern dieser dubiosen Theorien einseitig in ihrem Sinne interpretiert. Indem er mit solchen fragwürdigen Positionen sympathisierte, war Naidoo an seinem Ruf als kruder Verschwörungstheoretiker nicht ganz unschuldig. Allerdings schmälert all dies weder seine herausragenden Leistungen als Sänger, noch ändert es etwas daran, dass er mit seinen corona- und islamkritischen Äußerungen richtig lag. So wenig  wie eine politische Partei existiert, die eins zu eins deckungsgleich alle Positionen jedes einzelnen Wählers vertritt, so gibt es nun einmal auch kaum eine Person, deren Meinung sich haargenau mit der eigenen deckt.

Peinliche Selbstkasteiung, die ihr Ziel verfehlt

Was meiner Meinung nach jedoch sehr wohl Xavier Naidoos seinen Ruf und seine Glaubwürdigkeit schmälert, ist seine jetzige peinliche 180-Grad-Wende. Diese hat nämlich nichts mit Selbstkritik zu tun, sondern eher mit einem einstudierten „Widerruf“. Wie ein begossener Pudel entschuldigt sich Xavier Naidoo ganz kleinlaut für seine „Irrwege“. In einem selbst veröffentlichten Video, in dem er offensichtlich vom Teleprompter einen vorbereiteten Text herunterliest, behauptet er unter anderem: „Ich habe erkannt, auf welchen Irrwegen ich mich teilweise befunden habe und dass ich in den letzten Jahren viele Fehler gemacht habe.“ Aufhänger für seine Kehrtwende soll der Ukraine-Krieg sein; so spricht er, ganz im Sinne des politischen Mainstreams, von „der brutalen russische Invasion in der Ukraine“. Durch seine ukrainische Frau sei er aufgewacht und ihm bewusst geworden, welch unfassbares Leid der ukrainischen Bevölkerung zugefügt werde. Es erinnert ein wenig an vorgestanzte Ablassformeln.

Auch sonst gibt er sich überaus „geläutert“ und äußert sich ganz allgemein zu seinen bisherigen „Fehltritten„: „Ich war von Verschwörungserzählungen geblendet und habe sie nicht genug hinterfragt, habe mich zum Teil instrumentalisieren lassen.“ Ganz abgesehen davon, dass seine nunmehrige Sicht auf den Krieg recht einseitig anmutet (da die ukrainische Regierung die russischstämmige Bevölkerung im Donbass, unter Missachtung des Minsker Abkommens, seit nunmehr acht Jahren – vorsichtig formuliert – auch nicht mit Samthandschuhen anfasste), kommt seine plötzliche Wende einer reichlich würdelosen und peinlichen Selbstkasteiung gleich. Auch wenn Naidoo in seinen Formulierungen sehr vage bleibt und man deswegen höchstens spekulieren kann, auf welche seiner „früheren Äußerungen” er sich eigentlich genau bezieht – denn er behauptet ja immerhin, dass er sich nur „zum Teil“ habe instrumentalisieren lassen -, so müssen wir schon davon ausgehen, dass er damit auch seine flüchtlings- und impfkritischen Äußerungen bereut.

Was treibt Naidoo an?

Zumindest stellten diese einige seiner bekanntesten politischen Aussagen dar, die ihm der Mainstream noch mehr zum Vorwurf als alle früheren Verirrungen. Ausgerechnet diese allerdings stellten keine Verschwörungstheorien dar, sondern zeugten von einer berechtigten oppositionellen Haltung. Will Naidoo von diesen Stellungnahmen jetzt also auch nichts wissen? Offenbar; denn wenn sich seine Reuebekundungen nicht auch darauf bezögen, so hätte er dies vermutlich ausdrücklich klargestellt – um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Da er dies nicht tat, muss man annehmen, dass er einen völligen Bruch mit allem anstrebt, was er in den letzten Jahren vertreten hat – und sich um jeden Preis wieder dem Mainstream an den Hals schmeißen will.

Mir stellt sich in der Tat die Frage, was sich der geschasste Sänger von seiner beschämenden Kehrtwende verspricht. War er es etwa leid, dass ihn die breite Öffentlichkeit überall wie der Teufel das Weihwasser scheut? Vermisste er seinen einstigen Ruhm und soll nun in den Schoß der woken und heuchlerischen Bussi-Bussi-Gesellschaft zurückkehren? Plagten ihn möglicherweise sogar Geldsorgen? Was auch immer seine Motivation war – Fakt ist, dass Xavier Naidoo sich mit seiner Rolle rückwärts einen Bärendienst erwiesen und zugleich in eine Sackgasse manövriert hat. Seine einstigen Corona-, impf- und islamkritischen Anhänger, die ihn einst für seine Offenheit gefeiert haben, sehen in ihm nun einen unglaubwürdigen „Verräter”, in dem sie sich getäuscht haben. Bei ihnen ist er jetzt verbrannt.

Im Mainstream unten durch

Auf der anderen Seite kann er sich jedoch – anders als wohl von ihm erhofft – auch im Mainstream nicht wieder blicken lassen. Dort gilt er nun ebenso bestenfalls als unglaubwürdiger Heuchler, dem nicht mehr über den Weg zu trauen ist. Wer sich einmal als unbotmäßiger Rebell entpuppt hat, dem glaubt man eben nicht mehr. Es gibt genug andere prominente Beispiele, die dies belegen; man denke etwa an den Fall Patrick Mosters, des jetzt ehemaligen Sportdirektors des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), der seinen Posten und Ruf aufgrund einer politisch unkorrekten, aber doch lustigen Bemerkung verloren hat. Seine Entschuldigung hat ihm nichts gebracht – außer einen Gesichtsverlust. Weitere prominente Beispiele gibt es zuhauf. Auch die ehemaligen, damals beliebten AfD-Chefs Bernd Lucke, Frauke Petry und zuletzt Jörg Meuthen schnitten sich mit ihren Parteiaustritten und ihrer „Distanzeritis” von der eigenen konservativen Partei nur ins eigene Fleisch, denn von ihnen nahm das Establishment bis heute kein Stück Brot mehr. Sie alle verschwanden in der politischen Versenkung – und werden von den Altparteien bzw. dessen Anhängern trotz ihrer „Umkehr“ als Nazis gebrandmarkt. Wer sich von den „Rechten“ (anders als bei der politischen Linken) einmal politisch unkorrekt verhalten hat, wird – bis auf wenige Ausnahmen – im Mainstream in die Kaste der „Unberührbaren“ katapultiert. Am Ende sitzt er zwischen allen Stühlen.

Eine der wenigen Ausnahmen ist diesbezüglich der Fussballer Joshua Kimmich: Vergangenen Herbst wurde er in der alternativen Szene und bei Querdenken-Demos als Vorbild gefeiert, nachdem er mutig verkündete, sich wegen möglicher Nebenwirkungen und unabsehbarer Langzeitfolgen nicht impfen lassen zu wollen. Erwartungsgemäß prasselte im Mainstream ein Shitstorm auf den Sportler herein: Er wurde beschimpft, bedroht und medial regelrecht belagert. Irgendwann wurde der Druck auf Kimmich dann wohl so groß, dass er einknickte – und sich letzten Endes doch noch impfen ließ. „Natürlich wäre es besser gewesen, mich früher impfen zu lassen„, gab er anschließend im November duckmäuserisch von sich – nachdem er dann positiv auf Corona getestet worden war. Im März kam es dann zur würdelosen Wende und Kimmich gab offiziell bekannt, „geimpft“ zu sein, wie die „Berliner Zeitung” freudig verkündete („Endlich geimpft!„). Auch wenn angesichts dieses plötzlichen Sinneswandels durchaus Zweifel an Kimmichs tatsächlichem Impfstatus angebracht sind (als gut vernetzter und vermögender Fußballer dürfte es ein Klacks sein, an einen gefälschten Impfnachweis zu kommen), so ändert es nichts an der Tatsache, dass er nun „offiziell” ein geimpfter Wendehals ist.

„Wes‘ Brot ich ess, des‘ Lied ich sing“

Dass Kimmich aber, anders als viele andere Prominente im plötzlichen Rückwärtsgang, vom Mainstream offenbar restlos rehabilitiert wurde, dürfte daran liegen, dass er sich wenigsten nur in Sachen Corona-Impfung kritisch geäußert, sonst jedoch keine politisch unerwünschten Thesen verbreitet hatte. Fakt ist ja, zumindest offiziell, dass er nun die edlen mRNA-Tropfen in seinem Körper hat, die so schnell auch nicht mehr aus ihm heraus gehen werden – auch wenn der Mainstream uns gerne etwas anderes verklickern möchte. Insofern befindet er sich ja im erlauchten Kreise der „Geimpften“ und es besteht kein Grund mehr, ihn zu ächten. Hier wird tätige Reue mit Vergebung belohnt.

Gerade die Fälle Xavier Naidoo und Joshua Kimmich veranschaulichen sehr gut, dass man sich auf Prominente in Bezug auf ihre politischen Äußerungen nicht verlassen kann und sollte. Heute sagen sie Hü, morgen Hott. Daher sollten wir aufhören, irgendwelchen Idolen über den Weg zu trauen oder uns auf diese zu berufen – weil wir am Ende nie wissen können, wie sie wirklich denken und letzten Endes handeln. Viele sagen erst einmal unüberlegt ihre tatsächliche Meinung, doch sobald sie merken, was für sie auf dem Spiel steht, leben sie wieder ganz nach dem Credo „Wes‘ Brot ich ess, des‘ Lied ich sing.

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