Horst D. Deckert

«Zuckerbrot und Peitsche tun immer noch zuverlässig ihre Wirkung!»

Die Bewegung kassierte am Sonntag eine deutliche Niederlage. Rund 63 Prozent der Stimmbürger stimmten dem Covid-19-Gesetz am Wochenende zu. Mehr noch als am 13. Juni 2021 (wir berichteten). Dies, obwohl die Gegner während der Abstimmungskampagne omnipräsent waren, währenddem die Befürworter sich sehr zurückhaltend zeigten. Für die Organisationen der Bürgerrechtsbewegung stellen sich nun mehrere Fragen: Wie konnte das passieren? Und wie geht es weiter?

«Jetzt geht es darum, die Lage nüchtern zu beurteilen», schreibt das Aktionsbündnis Urkantone in seiner Medienmitteilung am Montag nach der Abstimmung. Die Gründe für die Niederlage sieht das Bündnis zum einen in der «intensiven Propaganda» der Medien, des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und des Bundesrats. Aber auch in den verschärften Massnahmen wie dem Zertifikat. «Bei einem kleineren Teil der Bevölkerung hat dies den Widerstand verstärkt, der grössere Teil hat sich aber angepasst und die Ideologie geschluckt», schreibt das Bündnis weiter.

Viele Bürger seien damit dem Glauben verfallen, dass sie mit dem Zertifikat wieder «Freiheit» erlangen würden. «Zuckerbrot und Peitsche tun immer noch zuverlässig ihre Wirkung!» Zur Kenntnis nehmen müsse die Bürgerrechtsbewegung aber auch, dass «Angstpropaganda und Gewalt durch Zwangsmassnahmen die Bedingungen für den Widerstand objektiv verschlechtert haben.»

Trotz der Niederlage nimmt das Aktionsbündnis aber auch Positives mit. «Die Kampagne hat uns enorm gestärkt, auch gestern nach der Abstimmung sind noch mehrere neue Mitgliedsbeitritte eingetroffen. Alle Gruppierungen verzeichneten während der gesamten Abstimmungskampagne einen massiven Zuwachs an Mitgliedern und Unterstützern», heisst es weiter in der Mitteilung.

Ebenso sieht sich das Bündnis darin gestärkt, dass die Regierung die Gegner nun nicht einfach mehr abqualifizieren könne. Die Exponenten der Bürgerrechtsbewegung seien inzwischen bekannt. Nun müsse die Regierung mit ihnen auf «Augenhöhe reden». Die Gruppe der Regierungsgegner sei inzwischen eine «starke Minderheit», welche der Bundesrat ernst nehmen müsse. Entsprechend könne er auch nicht wie in den umliegenden Ländern die Massnahmen beliebig verschärfen.

Das Bündnis ruft nun alle dazu auf, «nüchtern und realistisch zu bleiben». Es gelte, den Kampf gegen die «ungerechte und menschenverachtende Corona-Politik unvermindert fortzusetzen». «Es braucht uns, mehr denn je!», so das Bündnis.

Die «Freunde der Verfassung» betrachten die Abstimmungsniederlage vom Sonntag als Niederlage und Erfolg zugleich. Der Verein macht darauf aufmerksam, dass er es verpasst habe, die älteren Bevölkerungsgruppen abzuholen. «Insbesondere den älteren Wählerinnen und Wählern sitzt die Angst vor Corona in den Knochen und die zahlreichen Fehlinformationen des Bundesrats wurden in Summe nicht durchschaut», schreibt der Vorstand in seinem Newsletter vom Dienstag.

Er verweist darauf, dass ein starker Zusammenhang zwischen dem Stimmverhalten und der Impfquote bestehe. «Wer sich hat impfen lassen, hatte möglicherweise Mühe, gegen den Bundesrat ein ‹Nein› in die Urne zu legen.» Schliesslich habe man sich ja den Empfehlungen dieses Bundesrates angeschlossen. Dies sei vermutlich auch die Erklärung dafür, weshalb das Nein-Lager in den konservativen Kantonen im Vergleich zur Abstimmung vom 13. Juni stimmen verloren hat.

Erfreut zeigen sich die Verfassungsfreunde über die junge Generation. «Die jungen Menschen haben realisiert, dass ihre Zukunft auf dem Spiel steht», heisst es im Newsletter weiter. Schliesslich hätten die 18- bis 34-Jährigen mit 56% Nein gestimmt. «Die moderate Kritik am Corona-Regime in Teilen der Studentenschaft hat hier sicher geholfen.»

Bereits am Montag gab der Vorstand der «Freunde der Verfassung» bekannt, wofür der Verein künftig weiterkämpfe. «Wir wollen unsere verfassungsmässig garantierten Grundrechte wieder zurück. Wir wollen Evidenz für alle Massnahmen. Wir wollen nicht wie ein Kollektiv gesteuert werden, sondern wie erwachsene Menschen unser Leben eigenverantwortlich führen.»

Noch keine offizielle Mitteilung hat das Netzwerk Impfentscheid bisher veröffentlicht. Die Organisation ergriff im Mai 2021 das Referendum gegen die verschärften Änderungen des Covid-19-Gesetzes. Man warte noch ab wegen der Krisensitzung des Bundesrats, sagte Daniel Trappitsch am Dienstag gegenüber Corona-Transition. Angesprochen auf die Abstimmungsniederlage erklärt Trappitsch: «Das Resultat vom Sonntag hinterlässt bei mir einen schalen Nachgeschmack.»

Weshalb man gegenüber dem ersten Referendum gar noch drei Prozent an Stimmen verloren habe, sei für ihn nach wie vor ein Rätsel. «Das gilt es zu analysieren.» Dem Bundesrat hält er vor, die Bürger bei der Abstimmung massiv manipuliert und in die Irre geführt zu haben. «Die Behörden haben im Zuge der Abstimmungskampagne wiederholt nicht die Wahrheit gesagt.» So habe der Abstimmungszettel, der die Hilfsgeldzahlungen in den Vordergrund stellte, das Zertifikat nicht einmal erwähnt. «Das hat viele Bürger verunsichert», sagt Trappitsch.

Auch er ist begeistert über das Stimmverhalten der jungen Menschen, die das Gesetz mehrheitlich abgelehnt haben. «Leider haben die älteren Bevölkerungsgruppen damit die Zukunft für die jüngere Generation erschwert. Sie regieren gewissermassen über die Jungen.» Viele ältere Menschen unterlägen zudem dem Irrtum und glaubten, dass mit dem Ja vom Sonntag wieder eine gewisse Normalität einkehren würde. «Das ist natürlich nicht der Fall. Das Gegenteil wird passieren», so Trappitsch weiter.

Auf die Frage, wie es nun weitergehe, erklärt er: «Für den Moment können wir nur reagieren.» Zentral sei nun, das weitere Vorgehen der Regierung sehr genau zu beobachten und vorsichtig zu sein. Innerhalb der verschiedenen Organisationen der Bürgerrechtsbewegung gelte es nun die Zusammenarbeit noch stärker zu intensivieren. «Wir müssen jetzt alle wirklich gut zusammenarbeiten», sagt Trappitsch. Und weiter: «Keinen Platz dürfen dabei gewisse Spaltungstendenzen haben, welche der Bewegung als Ganzes zuletzt geschadet haben.»

Gar als einen «moralischen Sieg» (wir berichteten) interpretiert die Jugendbewegung MASS-VOLL! die Abstimmungsniederlage. «Trotz der Desinformationskampagne des Bundesrats und seiner Verbündeten in den staatlich gestützten und/oder kontrollierten Medien haben die Bürgerrechtler einen Achtungserfolg beim Stimmvolk erzielt», schrieben Nicolas A. Rimoldi und Viola Rossi am Sonntag.

Das Abstimmungsergebnis akzeptieren sie nicht. «Wir betrachten vor dem Hintergrund der massiven und in dieser Form in der jüngeren Geschichte der Schweiz beispiellosen Unregelmässigkeiten, das Ergebnis des Urnengangs als nicht legitim und für uns nicht bindend», so Rimoldi und Rossi. Auch sie verwiesen unter anderem auf den Inhalt des Abstimmungszettels, der die Bürger in die Irre geführt habe.

Ebenfalls machten sie auf die «Diffamierung der Bürgerrechtsbewegung» als «Impfgegner» aufmerksam sowie auf die «Behinderung von Plakataktionen und den teilweise willkürlichen Entzug von Genehmigungen für Demos». Sie fordern nun Bundesrat und Parlament auf, den Einsatz des «Covid-Zertifikats» im Inland per sofort zu stoppen. Und weiter: «Unser Ziel bleibt weiterhin die politische Erneuerung der Schweiz und eine Stärkung der unveräusserlichen Bürger- und Freiheitsrechte. Für dieses Ziel setzen wir uns kompromisslos ein.»

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