Horst D. Deckert

Zur Seite, Weib! Über das „Neue Normal“ Afghanistans, wie es dazu kam und was daraus werden wird

Mit dem Fall Afghanistans an die Taliban trat die Welt in die Phase der fundamentalen Neugestaltung der Weltordnung ein. Das ist keine gute Nachricht, zumindest nicht für uns im Wohlstandswesten, da wir bei den anstehenden Veränderungen nur verlieren können. Die Entwicklungen am Hindukusch haben aber auch etwas Gutes an sich. Denn in der Politik kommt nur selten die Wahrheit ans Tageslicht. In der Regel wird alles so lange verzerrt und verschoben, bis niemand mehr weiß, was wirklich Sache ist. Was in Afghanistan aber gerade geschah, brachte als Preis einige unabweisbare Wahrheiten mit sich, für deren Äußerung man sonst nur mit den üblichen Schmähungen bedacht wird.

Emanzipation bis zur nächsten Gewehrmündung

Als Basis für meine Ausführungen dient nichts weniger als ein Bericht von CNN, für das Donald Trump nicht ohne Grund das Label der „Very Fake News“ erfand. Deren Berichterstatterin vor Ort in Afghanistan Clarissa Ward rückte vor wenigen Tagen bereits in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit, als sie am letzten Tag des alten Regimes aus Kabul mit offenen Haaren berichtete, nur um am Folgetag brav bekopftucht von der Flucht der alten Herrscher und dem Einzug der neuen Herren über das Land zu erzählen.

Kurz danach begab sie sich für einen Bericht unters Volk und versuchte die Stimmung darüber einzufangen, wie es in Afghanistan wohl weitergehen wird. Bei Minute 2:13 kommt der wohl erniedrigendste Satz überhaupt, der aus dem Mund einer „emanzipierten Frau“ kommen kann: „Sie haben mir gerade gesagt, ich soll zur Seite gehen, weil ich eine Frau bin“, als sie sich um ein Gespräch mit einigen auf der Straße stehenden Taliban bemühte, die gerade mit wichtigerem beschäftigt waren, als mit einer Ausländerin zu reden.

Ganz im Unterschied zum Umgang zwischen den Geschlechtern, wie er im „Patriarchat des weißen Mannes“ üblich ist, wehrte sich Ward jedoch nicht mit einem #Aufschrei oder der koketten Gegenfrage, woher sie überhaupt wüssten, dass sie eine Frau sei, fügte sich die im im Trauerflor islamischer Frauenrechte gekleidete Journalistin einfach und trat kleinlaut zur Seite. Zur Schmach, mit der die Projektion amerikanischer Übermacht vor einigen Tagen durch die Taliban in die Geschichtsbücher verbannt wurde, gesellt sich damit die Schmach für den Feminismus, der sich vermutlich ebenso bald in den Geschichtsbüchern wiederfinden wird.

Keine „Kämpfer“, sondern ausgebildete Offizierskader

In der auf die Kapitulation des westlichen Feminismus folgenden Passage des Berichts zeigt Ward ein kurzes Interview mit einem Taliban, aus dem sich einige wertvolle Erkenntnisse ableiten lassen. Dem Vernehmen nach handelt es sich bei ihm um einen Kommandeur, wobei dessen Englisch durchaus mit jenem deutscher Kommandeure mithalten kann. Sein Auftreten und seine Ausführungen folgen dabei ganz und gar nicht dem Eindruck, den sein Bart hinterlässt. Vielmehr weiß er sich auszudrücken und betont wie alle anderen Kämpfer, die in diesen Tagen in die Kameras der Welt sprechen dürfen, dass nach der Übernahme durch die Taliban alles seinen geordneten Gang gehen wird.

Alleine schon daran, wie der Kommandeur seine Waffe hält, ist ein klares Zeichen dafür, dass er das Schießen wohl kaum beim Hüten von Ziegen gelernt haben wird, sondern sehr wahrscheinlich auf dem Schießstand einer regulären Armee, und zwar einer mit Anspruch. Auch die gebügelten Hemden und die gepflegten Hände bei ihm und den Männern um ihn herum unterstreichen, wie sehr sie der Welt etwas vorspielen, was so nicht zutreffen kann. Der oberflächliche Eindruck eines wilden Haufens schlauer Bauern hält einem genaueren Hinsehen mit Sicherheit nicht stand. Ganz offenbar ist es nur das gewollte Außenbild für die Nachrichtenprogramme der Welt, das eine falsche Folklore ausdrücken soll, wie es ein guter PR-Berater nicht anders empfehlen würde.

Für mich zeigt das professionelle Auftreten des Kommandeurs, dass er und sicherlich auch alle seine Kollegen an den Offiziersschulen des islamischen Welt ausgebildet worden sein müssen. Welche Offiziersschule sie durchlaufen haben, wissen nur sie selbst und die CIA. Vielleicht waren es auch alle mit einem Halbmond im Wappen, die alle ihr Interesse am Hindukusch vertreten sehen wollen, wie es zuvor auch bei der NATO der Fall war.

Ein Plan, den andere nicht hatten

Die Übernahme Afghanistans durch die Taliban war von langer Hand geplant, so viel steht fest. Das gezeigten Szenen sind kaum mehr als ein Schauspiel für die Massen und für die Geschichtsbücher, die das erlernte Bild über die Taliban verfestigen sollen. Im Hintergrund dagegen wird es wohl völlig anders abgelaufen sein mit Profis, die sehr wohl wissen, was von ihnen verlangt wird und dabei so weit im globalen Machtspiel kooperieren, dass sie zwar klar den Sieg über die Gegenseite in das öffentliche Bewusstsein brennen, dieser gleichzeitig aber auch eine gewisse Gesichtswahrung bieten, damit diese nicht gänzlich mit heruntergelassenen Hosen dasteht.

Frauen werden natürlich ihre Rechte haben, meinte der Kommandeur, allerdings eben unter „Schariarecht“, wie sich das im Islam so gehört. Schulen und Universitäten soll es für Frauen geben, so lange das Kopftuch sitzt und vom Gesicht nicht mehr als die Augen zu sehen sind. Das sind Aussagen, die so konkret und pauschal klingen, dass den Führungsoffizieren auch hier ein PR-Berater Pate gestanden haben muss. Für den Westen lässt sich damit das Narrativ aufrecht erhalten, dass nicht alles verloren sei beim erhofften Mentalitätswandel, während die Islamisten dieser Welt dennoch genau das bekommen, was sie von Beginn an dort wollten.

Nüchtern betrachtet sieht ganz danach aus, als wollten die Taliban das Land in eine Mischung aus Saudi Arabien und dem Iran verwandeln – ohne das Öl selbstverständlich, aber mit vergleichbarer Öffentlicher Ordnung, die sich in beiden Ländern ohne weiteres als langfristig stabil bezeichnet lässt. Erfolgreiche Vorbilder jedenfalls haben die neuen Herren in Kabul genug, wobei ihnen dort offenbar auch das Regieren beigebracht wurde. Der große Vorteil dabei ist, dass sie in Anbetracht des chronischen Chaos während der 20 Jahre dauernden Besatzung kaum verlieren können. Sobald Afghanistan zum Knotenpunkt für Asiens Pipelines ausgebaut ist, wird die Wohlstandsentwicklung sehr wahrscheinlich von selbst anlaufen.

Die Lüge mit den Mädchenschulen

Nach dem Interview mit dem Kommandeur folgt im Clip von Ward ein Interview mit Anderson Cooper, wo sie beide noch etwas am Narrativ afghanischer Mädchenschulen herumdoktern. Ganz so, als sei das nicht schon aus Saudi Arabien oder Pakistan bekannt, wird Ward von Cooper danach gefragt, wie man sich das mit der Bildung für Frauen in einem Afghanistan unter islamistischer Herrschaft vorzustellen habe. Sie erklärt, dass es unabhängig von deren Ausgestaltung am Ende wohl an der Logistik scheitern wird, da für die beiden Geschlechter nach streng islamischer Sitte Parallelstrukturen erforderlich seien, welche sich die Taliban nicht leisten könnten, während in der Mentalität des weiterhin ländlich geprägten Afghanistan der Wert der Frauenbildung auch heute noch kaum existiert.

Diese Aussage durch Ward lässt sich leicht als Propaganda dekonstruieren, oder positiver ausgedrückt als naiv und basierend auf schlechter Information. Einmal, weil auch im islamischen Kulturkreis die Spendenbereitschaft überaus ausgeprägt ist und viele Wohlstandsmoslems durchaus einen Sinn für die Bildung von Frauen haben, wenn auch vielleicht nicht mit der selben Stoßrichtung, in die sich in dieser Hinsicht beispielsweise die Spendentätigkeit eines George Soros bewegt.

Des weiteren braucht es außer dem politischen Willen nicht viel, um eine Geschlechtertrennung im schulischen Bereich zu forcieren. Dies lässt sich unter anderem daran ablesen, dass quasi jedes islamische Land diese Leistung vollbringen konnte. Hinzu kommt die gewohnheitsmäßig unterschlagene Tatsache, dass in fast allen Nachbarländern Afghanistans bei Universitätsstudenten mindestens eine Parität der Geschlechter vorliegt. Sogar im notorischen Pakistan, wo die Taliban wahrscheinlich mehrheitlich überwintern durften, ist die Mehrzahl der Studenten weiblich. Eventuell wurde die reibungslose Übernahme Afghanistans durch die Taliban hinter den Kulissen sogar an die Bedingung geknüpft, Frauen Bildungswege offen zu halten, mindestens um einer dauerhaft schlechten Auslandspresse zu entgehen.

Das entlarvende an Wards Ausführungen jedoch ist die Tatsache, dass es nach 20 Jahren westlicher Besatzung nicht gelungen ist, den Menschen in den ländlichen Gebieten Afghanistans die Augen für den Wert der Frauenbildung näherzubringen. Man muss sich wirklich fragen, was dort eigentlich getrieben wurde, nachdem die Frauenbildung sogar zum Hauptmittel der Propaganda für den Einsatz erkoren wurde und für das Vorhaben die Schatulle weit geöffnet wurde. Mehr noch lässt sie in ihren Ausführungen einen Nebensatz fallen, der aufhorchen lässt:

„Diese Mädchenschulen wurden noch gar nicht gebaut.“

Ach echt? Ich dachte, wir seien hauptsächlich deswegen dort gewesen, während die Mädchenbildung einer der wenigen Erfolge sei, die man dort erzielen konnte. Wer die Suchmaschine seiner Wahl mit der Eingabe „Mädchenschule für Afghanistan“ füttert, der bekommt zahllose Antworten zum Thema geliefert, darunter:

Haben die Mädchen denn gar nicht gekämpft, wie es hieß? Und wenn es diese Mädchenschulen gar nicht gab, was haben die Taliban denn dann bombardiert? Und waren das überhaupt die Taliban mit der Bombe, oder doch jemand anderes? Wieso auch sieht das Logo der von diesem afghanischen Frauenverein betriebenen Schule aus wie ein Häs? Man weiß es nicht, aber Afghanistan ist ja auch sehr weit weg. Frau Ward kann erzählen, was sie will und alle anderen auch. Niemanden interessiert es, doch jetzt, da alles wieder unter der Burka verschwindet, ist es ohnehin zu spät.

Ein Exkurs zum deutschen Entwicklungshilfestrategem

Wenig überraschend taucht in den Suchergebnissen auch die GIZ mit „Schulausbildung in Afghanistan fördern“ auf. Die GIZ ist das Ausführorgan der deutschen Entwicklungshilfe und hätte für den Aufbau und Betrieb des afghanischen Mädchenschulsystems zuständig sein müssen. Das Jahresbudget von mehreren Hundert Millionen Euro für das Land und die Aufgabe hätte zumindest gereicht, wobei vermutlich genug Geld übrig geblieben wäre, um sich für ein Arsenal an Kalaschnikows und einen Schießstand zuzulegen, um die Mädchen darin auszubilden, die Taliban von der Übernahme abzuhalten.

Wer auf den Link zur GIZ klickt, der wird leider nichts mehr vorfinden. Das widerlegt eindeutig Behauptungen über eine gewisse Lahmarschigkeit der deutschen Regierungsexekutive und es zeigt auch, dass die Bundesregierung das Land offenbar schon in Gänze abgeschrieben hat. Zum Glück findet sich die Seite aber weiterhin im Cache. Dort zeigt sich, dass es sich um ein Projekt zur „Stärkung der von Deutschland geförderten Schulen in Kabul (SGS)“ handelte, das leider ohne Angaben zum Budget oder den Verlauf der Bemühungen von 2014 bis 2020 andauerte, und in dessen Rahmen eine Handvoll Mädchenschulen in Kabul technisch und organisatorisch auf den Stand gebracht wurden, um die (sic!) Schüler*innen fit für ein erfolgreiches Leben zu machen.

Ganz nebenbei zeigt sich an dem Projekt die gesamte Schizophrenie deutscher Regierungsdenke. So heißt es dort:

„Alle drei Schulen nehmen Kinder mit besonders hohem Leistungspotential nach Abschluss der Primastufe auf.“

Wie bitte? Wird dort etwa nach Leistung selektiert? Ich dachte, das sei nach der vorherrschenden poststrukturalistisch-dekontruktiver Lehre strengstens verboten, weil Gleichheitsdogma? Und dann wird das sogar noch bei Mädchen gemacht? Warum wird das auch bei uns so gemacht?

Tut mir leid, ich schweife ab. Leider passiert mir das manchmal, wenn ich auf derartig widersinnigen Stuss treffe. In Bezug auf die Aussage von Ward lässt sich an der Projektbeschreibung ablesen, dass in Afghanistan offenbar die Strategie einer Elitenbildung verfolgt wurde, während das Schaffen einer umfassenden Grundlage im Bereich der Mädchenbildung für das ganze Land nur nachrangig war.

Auch in diesem Detail zeigt sich damit, dass keineswegs die Afghanen schuld sind an der fortdauernden Misere. Vielmehr wählten die Besatzer eine vielleicht bequeme und in ihrem Sinn zielführende Strategie, da sich damit kameragerecht feministische Rollenvorbilder erzeugen ließen. Gleichzeitig jedoch war die Strategie zum Scheitern verurteilt, da sie lediglich einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung betraf, während die Mentalität der breiten Masse von der Innovation unberührt blieb. Oder als Frage ausgedrückt: Wie soll ein Vater in einem afghanischen Bergdorf den Wert der Mädchenbildung erkennen, wenn es in seinem Dorf nicht einmal eine Grundschule gibt, da sämtliche Kapazitäten auf die Kabuler Oberschicht fokussiert wurden?

Wäre ich Taliban, ich hätte diese Eliteklitschen übrigens genauso als Ziel ausgesucht. Denn das macht man nun einmal so, wenn der Feind alle Eier in den selben Korb legt. Mir graut es geradezu vor den übrigen strategischen Totalausfällen, die sich die Politik in Afghanistan geleistet hat und andernorts (Kosovo) noch immer am leisten ist.

Das islamich-kommunistische Jahrzehnt

Auf ganz anderer Ebene wird das Ende der westlichen Einflussnahme im Hinterland des Islam in Kürze zu einer fundamentalen Neuordnung der globalen Ordnung führen. So weit scheint das mit Ausnahme deutscher Leitmedien allen klar zu sein, wobei vor allem die Kommunistischen Partei Chinas den entscheidenden Etappensieg auf dem Weg zur globalen Hegemonialstellung wittert. Mit dem Abzug der USA aus Afghanistan ist endlich der Dolch im Rücken von Festlandchina entfernt, so dass sich die KP nun auf die entscheidende Expansion in der östlichen Nachbarschaft machen kann. Diese wird wohl kommen, sollte es nicht zu einem dramatischen Aufrüsten durch die Anrainer Japan, Südkorea, Vietnam, die Philippinen und in Erweiterung sogar Australien kommen und das möglichst bald.

Von Ankara, über Riad, Kabul bis nach Islamabad wiederum zeigt sich im gesamten Mittleren Osten, dass Huntingtons Vermutung wohl Früchte tragen wird und ein mehr oder weniger kohärenter kultureller Block entstehen wird, der sich als solcher wahrnehmen wird. Es wird sich zeigen, inwieweit sich die Animositäten zwischen Saudi Arabien und dem Iran und anderen Ländern ausgleichen lassen, und ob sich Al Sisi in Ägypten mit Hilfe von Israel gegen die Moslembruderschaft wird behaupten können.

Es mag dabei sogar sein, dass die im entstehen begriffene islamische Erneuerung, die auch von ehemals liberalen Figuren wie Pakistans Präsident Imran Khan mitgetragen wird, von den unterschiedlichen Fraktionen als ein Mittel erachtet wird, um sich gegen die Moslembruderschaft behaupten zu können. Deren Rolle muss man sich in etwa analog zu den faschistischen Bewegungen Europas im frühen 20. Jahrhundert vorstellen. Diese richteten sich nicht nur gegen kommunistische und liberale Bestrebungen, sondern auch gegen alte Machtstrukturen des Bürgertums und des weiterhin bedeutenden Adels. Nicht anders sieht es heute im islamischen Raum aus, wobei es mit der Religion ein verbindendes ideelles Element gibt, das ein Abdriften in einen großen Krieg, wie es damals in Europa geschah, eventuell verhindern wird.

Kaum ein Land wird in den kommenden Jahren Akzente setzen können

Die Übernahme Afghanistans markiert effektiv einen Nullpunkt für das geostrategische Denken in der Welt. Es ist eine Zäsur, die in ihrer Bedeutung dem Fall der Mauer und davor der Kapitulation der Wehrmacht entspricht. Alle Länder und alle Machtblöcke beginnen gerade wieder mit einem weißen Blatt Papier, auf dem sie ihre Machtinteressen für die Zukunft skizzieren. Nach einem solchen Ereignis geht es meistens sehr schnell und ich schätze, dass die Veränderungen mit einer Rate von etwa Prozent pro Monat von Statten gehen. In circa 70 Monaten oder knapp sechs Jahren wird damit voraussichtlich eine neue Weltordnung entstanden sein, die mit jener von vor einigen Tagen rein gar nichts mehr zu tun haben wird.

Ob es dazwischen zu einem Krieg kommen wird, wie es von vielen Seiten angedroht oder befürchtet wird und wie in der Vergangenheit auch immer wieder vorkam (man denke etwa an Korea), wird von den entscheidenden Spielern abhängen. Die USA werden dabei nur noch eine Nebenrolle einnehmen, die Signale – oder eher deren Abwesenheit, da sich sämtliche Führungsspitzen vor den Kameras verstecken – sind mehr als nur eindeutig. Das Land hat den Tisch mehr oder weniger verlassen. Ähnliches gilt für das impotent-inkompetente Europa, das mehr mit sich selbst beschäftigt ist und in wenigen Wochen mit dem Beginn des nächsten Flüchtlingstsunamis noch mehr Probleme haben wird, als es beherrschen kann. Konstruktives wird der alte Westen absehbar nicht mehr zur sich entwickelnden neuen Weltlage beitragen können.

Bedeutend werden in den kommenden Jahren vor allem jene Spieler sein, die in der ein oder anderen Weise ihre Füße auf dem asiatischen Spielfeld haben. Allerdings ist auch unter diesen kaum einer dazu in der Lage, nachhaltig einen Eindruck beim kommenden Platzhirsch aus Peking zu hinterlassen. Die Türkei ist laut, bleibt aber zu schwach, was auch für Ägypten und Saudi Arabien gilt. Der Iran wird weiterhin von Israel auf Trab gehalten, während Pakistan in Afghanistan zwar gewonnen haben mag, jedoch kaum aus eigener Kraft, sondern weil es sich an die KP verkauft hat. Indien wiederum wird ähnlich wie Japan und die übrigen Ostasiaten mit der Stärkung seiner inneren Kräfte beschäftigt sein, als dass eines der Länder entscheidende Akzente setzen könnte bei der Umgestaltung der Weltbühne.

Russland als entscheidender Spieler auf der Weltbühne

Am Ende der Liste bleibt eigentlich nur noch Russland übrig, das dank seiner Größe, seiner Robustheit und der Möglichkeit zu einer unabhängigen Atomstrategie aktiv auf das Weltgeschehen wird einwirken können, was gleichbedeutend damit ist, das kommunistische China bei seiner weiteren Entfaltung beeinflussen zu können. Das Ende der USA als geopolitischer Supermacht wird Russland die Tür öffnen zu neuen Pipelines über den asiatischen Kontinent, die in wenigen Jahren schon mit Sicherheit bis nach Indien reichen werden. Diese energiegetriebene Machtstellung wird Russland sehr viel Spielraum und noch mehr Einfluss verschaffen.

Gleichzeitig werden sich einige regionale Machteliten wie etwa jene in Kasachstan, die sich bislang fest an den Westen gebunden hatten, von neuem überlegen müssen, wie sie eine völlige Übernahme durch Peking entziehen können. Nicht weniger wird der Iran auf Russland bauen müssen, wenn es sich innerislamisch und gegen Israel behaupten will. Auch Ägypten braucht Russland, um nicht von der entfesselten Türkei und Katar über den Winkelzug Libyens und der Moslembruderschaft in die Knie gezwungen zu werden. Russland wird sie alle mit Sicherheit gerne empfangen und in seine Pläne für die Welt mit einbauen.

In einer seltenen Ironie wird damit ausgerechnet Russland als der Nachfolger der in Afghanistan kaputt geschliffenen UdSSR infolge eines neuerlichen Machtwechsels in Afghanistan auf der weltpolitischen Bühne zu einer unabdingbaren Weltmacht aufsteigen. Für den weiteren Gang der Dinge lässt sich darüber urteilen, dass Russland seit dem Amtsantritt von Putin seine Hausaufgaben gemacht hat und wiederholt seine Kompetenz und seinen Willen zu einer geordneten globalen Ordnung unter Beweis stellte, die ihren Namen verdient hat.

Noch mehr wird Russland in Ostasien zur unabdingbaren Macht aufsteigen, da es das einzige Land ist, das die chinesische Expansionspläne vielleicht nicht vereiteln, aber doch deutlich eindämmen kann. Japan und Südkorea werden wissen, dass nur Russland ihnen jenen Schutz glaubhaft zusichern kann, der ihnen in der Vergangenheit von den USA versprochen wurde. Als weitere Ironie dieser Tage läutet das Ende amerikanischer Machtprojektion in der Welt ausgerechnet den neuerlichen Aufstieg Russlands ein als dem Nachfolger jenes Landes, das die USA vor weniger als zwei Generationen noch mit wehenden Fahnen bezwingen konnten.

Es wird sich zeigen, ob Russland in den kommenden sechs Jahren auch tatsächlich dazu fähig sein wird, die Kommunisten von einem Krieg abzuhalten. Dass Russland aber deutlich an Macht gewinnen wird und eventuell sogar vorübergehend zur Nummer Eins aufsteigen wird, steht für mich außer Frage. In der Zeit danach wird China dann aber vermutlich zu übermächtig sein und damit beginnen, sich die Welt einzuverleiben, sollte bis dahin nicht Indien bereit sein, sich den kommunistischen Welteroberungsplänen entgegenzustellen. Das aber ist für den Augenblick noch Zukunftsmusik der etwas zu ätherischen Sorte.

Quelle Titelbild

Ähnliche Nachrichten