Horst D. Deckert

Zusätzliche Impfdosen könnten das Immunsystem schädigen

Die Omikron-Variante «durchbricht» die vermutete Immunität gegen Sars-Cov2 selbst bei Personen, die drei Impfdosen erhalten haben, berichtet das italienische Nachrichtenportal Byoblu. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass sich seine hohe Ansteckungsfähigkeit nicht in gleicher Virulenz niederschlage.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe sich zu den Auffrischungsimpfungen geäussert und davor gewarnt, dass es langfristig keine nachhaltige Strategie sein kann, sich nur auf diese zusätzlichen Dosen zum Schutz vor schweren Krankheiten zu verlassen, so Byoblu weiter. Die WHO bescheinige den Injektionen eine erhebliche Unwirksamkeit gegen die aktuellen Mutationen und fordere die Herstellung neuer Medikamente.

Trotzdem haben Israel und die USA begonnen, die vierte Dosis des Gen-Präparats zu verabreichen. Einem kürzlich erschienenen Artikel in der New York Times zufolge sind einige israelische Experten der Ansicht, dass es verfrüht ist, mit den Auffrischungsimpfungen fortzufahren, da die Auswirkungen bewertet werden sollten, insbesondere das Risiko einer Schädigung der körpereigenen Immunabwehr gegen «Covid».

Das Expertengremium, das die israelische Regierung berät, empfahl zwar die vierte Dosis mit der Begründung, dass der potenzielle Nutzen die Risiken überwiege, räumte jedoch diese Ungewissheit ein. Nach Ansicht einiger Wissenschaftler könnten zu viele «Auffrischungen» zu einer Art Ermüdung des Immunsystems führen und so die Fähigkeit des Körpers zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 beeinträchtigen.

Die israelischen Mediziner haben festgestellt, dass die Immunität vor allem bei den über 60-Jährigen nachlässt, die im August als erste die dritte Dosis erhielten. Die von der New York Times eingesehenen Daten des Beraterteams zeigten eine Verdoppelung der Infektionsrate der Delta-Variante in der Gruppe der über 60-Jährigen innerhalb von etwa vier Monaten nach der dritten Injektion.

Diese Zahlen würden auch mit den neuesten Daten übereinstimmen, die das Istituto Superiore di Sanità (ISS), das der italienischen Gesundheitsbehörde unterstellt ist, in seinem Bulletin vom 5. Januar veröffentlichte. Aus diesem gehe hervor, dass Personen, die die dritte Dosis erhalten haben, eine höhere Rate an positiven Testergebnissen, Krankenhausaufenthalten und Einweisungen in die Intensivstation in der Altersgruppe der 12- bis 59-Jährigen sowie eine höhere Sterblichkeitsrate in der Altersgruppe der 40- bis 79-Jährigen aufweisen als Personen, die zwei Dosen erhalten haben.

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Positive Testergebnisse, Hospitalisierungen, Einweisungen in Intensivstationen und Todesfälle pro 100’000 Einwohner (Rot: doppelt Geimpfte; Grün: dreifach Geimpfte. Quelle: Byoblu/Istituto Superiore di Sanità.

Wie die Jerusalem Post berichtet, hat Professor Dror Mevorach, der die Abteilung für Coronaviren am Hadassah Medical Center in Jerusalem leitet, auf Twitter erklärt:

«Nur weil wir die dritte Dosis verabreicht haben, heisst das nicht, dass es eine vierte Dosis ohne wissenschaftliche Grundlage geben sollte.»

In Bezug auf die Verabreichung der vierten Dosis an das Gesundheitspersonal stellte Mevorach fest, dass es «notwendig ist, den möglichen Schaden einer vierten Dosis gegen den Nutzen abzuwägen, den sie auf der Grundlage einer plausiblen Hypothese bringen könnte», und fügte hinzu, dass «das grösste Versagen darin bestehen könnte, dass die vierte Impfdosis nicht nützlich ist».

Professor Hagai Levine, Epidemiologe und Präsident der israelischen Vereinigung der Ärzte für öffentliche Gesundheit, ist derselben Meinung:

«Ich respektiere die Meinung derjenigen, die sagen, dass Vorsorge besser als Behandlung ist, und es ist kein Problem, vorbereitet zu sein. Doch bevor man eine vierte Injektion verabreicht, sollte man die Wissenschaft abwarten.»

In Israel, einem Land mit einer sehr hohen Rate an Dreifachimpfungen, hätten sich die Infektionen in den letzten Tagen mehr als vervierfacht, stellt Byoblu fest. Es werde erwartet, dass die täglichen Fälle in den nächsten drei Wochen ein Rekordniveau erreichen werden. Angesichts dieser epidemiologischen Entwicklung erscheine es schwierig, die Impfung als Weg zur Erreichung der so genannten Herdenimmunität weiter zu unterstützen.

Da keine unmittelbare Zunahme schwerer Erkrankungen zu verzeichnen sei, könnte die Option darin bestehen, zu einem «Masseninfektionsmodell» überzugehen, das in einigen Ländern wie Schweden bereits angewandt werde, wenn auch mit der weitaus gefährlicheren Delta-Variante.

Es scheine also, dass ein Modell, das zu einer natürlichen oder hybriden Immunität (bei bereits Geimpften) führe, auf dem Vormarsch sei, denn es werde untersucht, wie die durch die Omikron-Infektion gebildeten Antikörper auch gegen die Delta-Variante schützen könnten, schliesst Byoblu.

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