Horst D. Deckert

Auch gute Bundespräsidenten sind heute nicht mehr leicht zu bekommen

Überall fehlt es an Personal. Auch gute Bundespräsidenten sind heute nicht mehr leicht zu bekommen, weil Staatsrepräsentanten wie Rudolf Kirchschläger schon zu ihrer Zeit eine Rarität waren. Oberösterreich darf stolz darauf sein, einen der menschlichsten Bundespräsidenten der Nachkriegszeit hervorgebracht zu haben.

Wer seinem Volk eine Botschaft erfolgreich vermitteln möchte, muss glaubwürdig und authentisch sein. Beides ist Bundespräsident Alexander Van der Bellen nicht, weshalb sein Appell „für eine wahrnehmbare Generalsanierung des Vertrauens“ wohl ungehört verhallt sein dürfte. Einem Präsidenten wie ihm, der eigentlich neutral agieren sollte, bei den türkis-grünen Verfehlungen in den letzten sechs Jahren aber konsequent zur Seite geschaut hat, nimmt man es einfach nicht ab, wenn er sich dazu aufrafft, endlich einmal etwas gegen die Korruption in diesem Land zu sagen.
In dieser Hinsicht tat sich sein früherer Amtsvorgänger, Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, wesentlich leichter. Man glaubte und applaudierte ihm, als er am 29. August 1980, anlässlich der Eröffnung der Messe in Wels, erklärte: „Beginnen wir überall mit dem Trockenlegen der Sümpfe…und nehmen wir die sauren Wiesen gleich dazu.“ Dies sagte er damals hauptsächlich wegen des Wiener AKH-Skandals, doch auch der „Fall Lucona“ stand gerade in hoher Blüte. Diese, wie auch noch alle nachfolgenden Skandale, haben sich hauptsächlich im Dunstkreis der SPÖ ereignet.

Geboren in OÖ

Doch nebenher kultivierte auch die ÖVP die Sümpfe und sauren Wiesen, jedenfalls nach Meinung vieler Österreicher, und sogar der frühere schwarze Vizekanzler Reinhold Mitterlehner will jetzt nicht mehr ausschließen, dass die ÖVP möglicherweise ein Korruptionsproblem hat. Dass die Volkspartei, die stets auf ihre Christlichkeit pocht, offenbar nicht so
sozial ist, wie sie tut, erkannte auch schon das einstige ÖVP-Mitglied Rudolf Kirchschläger, der das „soziale Gehabe“ einzelner Führe nicht mehr goutierte und deshalb aus der ÖVP austrat.
Als Kind einer Mühlviertler Arbeiterfamilie hat der 1915 geborene Rudolf Kirchschläger am eigenen Leib erfahren, was Armut heißt. Sein Vater Johann Kirschschläger hatte häufig wechselnde Arbeitsplätze, weshalb die Familie viel herumkam in Oberösterreich. Seine frühe Kindheit hat Rudolf in einer Holzbaracke auf dem Aichberg in Steyrermühl verbracht, wo er ab 1917 mit seinen Eltern auf allerengstem Raum lebte, weil sein Vater in der Papierfabrik eine Arbeit hatte.
Doch die Zeiten in den Jahren des ersten Weltkriegs und auch danach waren nicht gut. Rudolfs Vater, der ein sehr musikalischer Mensch war, trat im Juni 1924 eine Stelle als Organist und Chorleiter in Kronstorf an. Rudolf besuchte in Steyr die Bürgerschule und anschließend eine Art Maturaschule (Aufbauschule) in Horn. Im Sommer 1935 bestand er die Reifeprüfung, danach arbeitete er in Kronstorf als Gemeindesekretär. Unter schwierigsten Umständen studierte er dann auch Rechtswissenschaften und 1940 promovierte er. Danach wurde Rudolf als Soldat an die Front beordert und dort schwer verwundet. Der Einschlag einer Granate riss seinen Körper von oben bis unten auf, doch den Ärzten gelang es, sein Leben zu retten. Verschiedene Lähmungen aber behielt Rudolf zurück. Durch diese Schicksalsschläge wurde Kirchschlägers Persönlichkeit geprägt und er glaubte sogar, dass seine Kindheit in Oberösterreich es ihm erleichtert habe, das Bundespräsidentenamt auszuüben, ohne von dem Gold der Tapeten in der Hofburg und von der Schwere der Geschichte in diesen Räumen belastet zu sein. Sein Geschichtsunterricht , so der Oberösterreicher, sei von den von den Bauernkriegen geprägt gewesen und ihm „war Stefan Fadinger wesentlich bekannter als der Kaiser im fernen Wien.“

Offene Hofburg-Türen

Van der Bellen hingegen scheint sich in der Hofburg mehr als Kaiser zu fühlen,denn als Rebell, und der vielgerühmte kleine Mann scheint ihm schon längst wurscht zu sein. Kirchschläger dachte darüber anders. „Die Türen in der Hofburg sind zwar hoch“, sinnierte er, „aber sie dürfen nicht so hoch sein, dass sich der kleine Mann nicht hineinzu-
gehen traut.“ Weggefährten beschrieben ihn als einen Mann von großer Menschlichkeit, der mit beiden Beinen fest am Boden stehe und mit einem hohen moralischen Anspruch durchs Leben gehe. Mit dem heutigen Gutmenschen-Gehabe sei dies aber in keiner Weise vergleichbar. Rudolf Kirchschläger war Richter, Diplomat, Außenminister und von 1974 bis 1986 auch Bundespräsident der Republik Österreich. Der Marktgemeinde Kronstorf, in der er seine Jugend verlebte, blieb er bis zu seinem Tod verbunden. Sein letzter Besuch dort erfolgte 1995. An der Feier, die die Gemeinde zu seinem 85. Geburtstag ausgerichtet hat, konnte er krankheitsbedingt nicht mehr teilnehmen. Kirchschläger verstarb am 30. März 2000 in Wien. Einen Mann wie ihn könnte man der Spitze des Staates heute wieder gut gebrauchen.

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