Horst D. Deckert

Auf mehr Tests folgen härtere Massnahmen

In Österreich, wo die Regierung vergangene Woche einen Teil-Lockdown verhängt hat, herrscht eine «Testpandemie». Dies zeigen die Daten der Behörden. Ähnliches sieht man in mehreren deutschen Bundesländern. Darunter in Sachsen, Thüringen und Bayern, wo die Zahl der Covid-19-«Fälle» im Vergleich zu den anderen Bundesländern sehr hoch sind.

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In Österreich wurden in der Kalenderwoche 45 gemäss den Daten aus der Online-Publikation Our World in Data insgesamt 3’060’352 PCR-Tests durchgeführt. Das heisst, es wurden rund 30% aller Einwohner Österreichs in der Kalenderwoche 45 getestet. Dabei muss man berücksichtigen: In der Alpenrepublik sind aktuell etwa 5’892’000 von den circa 9’046’000 Einwohnern vollständig geimpft. Rund 3’154’000 Österreicher sind derzeit also nicht geimpft. Berücksichtigt man zusätzlich noch die circa 900’000 Kinder, die das 12. Lebensjahr nicht vollendet haben, verbleiben 2’254’000 nicht geimpfte Österreicher.

Es ist für mich schwer vorstellbar, dass in der genannten Kalenderwoche in Österreich tatsächlich 3’060’352 PCR-Tests durchgeführt wurden, wenn es nur etwa 2’254’000 «ungeimpfte» Österreicher gibt. Bei der in Österreich vergleichsweise sehr niedrigen Positivenrate von 2,5% wurden nur aufgrund dieser hohen Testzahlen insgesamt 75’789 «Covid-19-Fälle» festgestellt.

Vergleicht man die Daten aus Österreich mit denjenigen aus der Schweiz, wo ähnlich viele Menschen leben, so gelangt man zum Eindruck, dass in Österreich eine «Testpandemie» herrscht. In der Schweiz gab es in der Kalenderwoche 45 trotz der deutlich höheren Positivenrate von 11,5% «nur» 21’611 Covid-19-«Fälle». Auch wurden in der Schweiz in der Kalenderwoche 45 nur 238’749 PCR-Tests durchgeführt.

Mit Blick auf die deutschen Bundesländer sieht man zudem: In Sachsen, Thüringen und Bayern wird vergleichsweise sehr viel mehr getestet als in anderen Bundesländern. Folgender Vergleich soll das verdeutlichen. In den beiden Bundesländern Sachsen und Bayern leben insgesamt rund 17’212’000 Einwohner. Das sind etwa 700’000 Einwohner weniger als in Nordrhein-Westfalen, wo circa 17’906’000 Menschen leben.

In Sachsen wurden in der Kalenderwoche 45 je 1000 Einwohner 6,88 PCR-Tests pro Tag durchgeführt. In Bayern waren es 4,62 PCR-Tests. In Nordrhein-Westfalen waren es während des selben Zeitraums jedoch lediglich 1,46 PCR-Tests pro Tag (je 1000 Einwohner). Der durchschnittliche Wert für Deutschland lag bei 2,76 PCR-Tests.

Mit den sehr viel höheren Testzahlen in Sachsen und Bayern verzeichneten die beiden Bundesländer in der Kalenderwoche 45 zusammen 107’192 neue «Covid-19-Fälle». In Nordrhein-Westfallen registrierte man hingegen nur 31’683 neue «Covid-19-Fälle», was etwa 30% der Fallzahlen aus Sachsen und Bayern entspricht!

Sind die «hohen Fallzahlen» in Sachsen, Bayern und Thüringen das Resultat der vergleichsweise sehr viel höheren Testzahlen, so wie es in Östereich der Fall ist? Werden möglicherweise sogar bewusst mehr PCR-Tests durchgeführt als in anderen Bundesländern, damit «man» mit den höheren «Fallzahlen» politische Massnahmen gegen «Ungeimpfte» begründen kann?

Würde das Robert Koch-Institut (RKI) detaillierte und verlässliche Daten zu den durchgeführten PCR-Tests und den dabei festgestellten Positivraten für jedes einzelne Bundesland veröffentlichen, könnten die sehr unterschiedlichen Entwicklungen in den einzelnen Bundesländern sehr viel besser analysiert werden. Ich bin davon überzeugt, das dass RKI über diese Informationen verfügt.

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Interessant ist auch ein Blick auf die Intensivstationen in Deutschland. Von einer sogenannten «vierte Welle» kann derzeit keine Rede sein. Überlastet sind die Intensivstationen im Bundesdurchschnitt nicht. Die Zahlen der Covid-19-Patienten waren zu den Höhepunkten der zweiten Welle im Januar 2021 und der dritten Welle Ende April 2021 sehr viel höher. Derzeit sind von den insgesamt 19’373 Intensivpatienten 3845 beziehungsweise 19,85% Covid-19-Patienten, von denen 1968 beatmet werden.

Die Anzahl der Intensivbetten hat sich innerhalb von 14 Monaten um 8311 Intensivbetten (minus 21%) extrem verringert! Der Personalmangel auf den Intensivstationen ist sicherlich ein Problem. Dieser könnte aber aufgrund der geringen Auslastung der Normalstationen der Krankenhäuser auch zum Teil ausgeglichen werden. Im ersten Halbjahr 2021 waren diese durchschnittlich nur zu circa 67% ausgelastet. Die Bundesregierung und die Landesregierungen haben nichts dafür getan, die Zahl der Intensivpflegekräfte zu erhöhen.

Es gibt aktuell 11’917 freie Intensivbetten: 9213 sogenannte High-Care-Intensivbetten der Notfallreserve und 2704 reguläre Intensivbetten. Zudem verfügt man über 2761 Intensivbetten für Kinder, von denen aktuell 738 frei sind; die Notfallreserve beträgt hier 377 Betten. Von den circa 490’000 Krankenhausbetten sind circa 6500 bis 7000 mit Covid-19-Patienten belegt, davon sind 3845 Intensivpatienten.

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Zum Schutz seiner Person erscheint dieser Text unter Pseudonym. Der richtige Name von Sören Nyländer ist der Redaktion namentlich bekannt. Von Beruf ist Nyländer Volkswirt und seit vielen Jahren im deutschen Gesundheitswesen beschäftigt.

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Anmerkungen zu den Daten

Ich habe in einer Tabelle die Anzahl der PCR-Tests pro 1000 Einwohner pro Tag für die Kalenderwoche 45 für Österreich, Schweden, die Schweiz und Italien nach den Angaben aus Our World in Data und für Deutschland nach den Angaben des Wochenberichts des RKI vom 18.11.2021 angegeben. Für die Bundesländer Bayern, Sachsen, Thüringen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bremen wurden die entsprechenden Werte berechnet.

Für Berlin wurden die Zahlen aus den Daten des Lageberichts des Berliner Senats berechnet. Auf der Grundlage der RKI-Zahlen zu den Covid-19-«Fällen» vom 18. November 2021 für die einzelnen Bundesländer und der vom RKI angegebenen bundesdurchschnittlichen Positivrate der Kalenderwoche 45 wurde die Anzahl der durchgeführten PCR-Tests pro 1000 Einwohner pro Tag berechnet.

Es ist ein grosses epidemiologisches Manko, dass das RKI für die einzelnen Bundesländer keine detaillierten Angaben zu den jeweiligen Testzahlen je Kalenderwoche und den festgestellten Positivraten macht. Die aus diesem Grunde näherungsweise selbst zu berechnenden Daten basieren mit Ausnahme Berlins daher auf der vom RKI angegebenen Positivrate der Kalenderwoche 45.

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