Polizistinnen und Polizisten aus allen Kantonen der Schweiz veröffentlichten kĂŒrzlich eine Webseite, die sich an Kolleginnen und Kollegen richtet. Die Botschaft: «Wir fĂŒr Euch â Ihr seid nicht alleine». Sie machen sich Sorgen um den Rechtsstaat und unsere Grundrechte, aber auch um die Rechte von Polizeibeamten in Anbetracht der Meinungsfreiheit und einer möglichen Impfpflicht.
Das BedĂŒrfnis auf freie MeinungsĂ€usserung sei bei den Berufskollegen sehr gross: «Wir bieten hier eine Plattform, wo du dich als Polizistin oder Polizist ohne Angst vor Ausgrenzung oder Konsequenzen melden kannst», so die Botschaft an die Berufskollegen.
«Als Privatpersonen können wir diese Entwicklung nicht ignorieren und als Berufspersonen sind wir je lĂ€nger je mehr dazu angehalten, die Massnahmen der âčbesonderen Lageâș auf ihre RechtmĂ€ssigkeit und VerhĂ€ltnismĂ€ssigkeit hin kritisch zu ĂŒberprĂŒfen. GrundsĂ€tze, welche fĂŒr unsere TĂ€tigkeit als Polizistinnen und Polizisten elementar sind und in der Grundausbildung ab der ersten Stunde vermittelt werden»,
schreiben die Polizeibeamten in einem 4-seitigen Brief von Mitte Februar an ihren Berufsverband, die Vereinigung Schweizerischer Polizeibeamter VSPB. Sowohl auch der Antwortbrief der VSPB ist auf der Webseite veröffentlicht.
Sie nennen auch die wesentlichsten Grundrechte, die seither stark unter Druck geraten sind und vorĂŒbergehend oder dauerhaft eingeschrĂ€nkt werden:
- Recht auf persönliche Freiheit, Art. 10 Abs. 2 BV
- Anspruch auf Grundschulunterricht, Art. 19 BV
- Versammlungsfreiheit, Art. 22 BV
- Vereinigungsfreiheit, Art. 23 BV
- Wirtschaftsfreiheit, Art. 27 BV
- Politische Rechte, Art. 34 BV
- Medienfreiheit, Art. 17 BV
- Schutz auf PrivatsphÀre, Art. 13 BV
Eine Zentralisierung der Politik, wegbrechende Existenzen und zunehmende Arbeitslosigkeit sowie soziale Isolation und eine medial verursachte «Angstkulisse» hĂ€tten zu einer VerĂ€nderung in der Arbeit mit der Bevölkerung gefĂŒhrt. Die Polizei sei zum Schutz der Bevölkerung da. Wenn jedoch die Gefahr bestehe, dass repressive Massnahmen den Interessen der mĂŒndigen Allgemeinheit zuwiderlaufe und deren Grundrechte unverhĂ€ltnismĂ€ssig beschneide, seien viele Polizeibeamte nicht mehr gewillt, diese weiter umzusetzen.
Im Brief sind verschiedene Beispiele genannt, wo die fĂŒr polizeiliches Handeln nötige RechtsgĂŒterabwĂ€gung und das Grundprinzip der VerhĂ€ltnismĂ€ssigkeit ignoriert worden seien. So zum Beispiel die AusgangsbeschrĂ€nkung, die im MĂ€rz 2020 fĂŒr Personen ĂŒber 65 Jahren im Kanton Uri herrschte und auch vom Bund abgesegnet wurde. Sie habe der Rechtsgleichheit nach Art. 8 der Schweizerischen Bundesverfassung BV widersprochen, schreiben die Verfasser.
Ebenso das jĂŒngste Beispiel der ZĂŒrcher Bildungsdirektion, die von RegierungsrĂ€tin Silvia Steiner vertreten wird. Sie verfĂŒgte eine Maskenpflicht fĂŒr Kinder ab der 4. Klasse fĂŒr den ganzen Tag, inklusive wĂ€hrend den Pausen und sogar im Sportunterricht. Die VerfĂŒgung wurde vom ZĂŒrcher Verwaltungsgericht inzwischen aufgehoben, da die Bildungsdirektion fĂŒr gesundheitliche Fragen gar nicht zustĂ€ndig ist (wir berichteten).
Die Frage, ob bei diesem mehr als fragwĂŒrdigen Entscheid eine adĂ€quate RechtsgĂŒterabwĂ€gung gemacht wurde, bleibe ebenfalls unbeantwortet. Die Folgen solcher Massnahmen hĂ€tten sich im Nachbarland Ăsterreich gezeigt, wo sich die FĂ€lle von schweren psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen innerhalb nur eines Jahres beinahe verzehnfacht hĂ€tten.
Die reine Vermutung, dass mutierte Viren infektiöser und damit eine grössere Gefahr seien, rechtfertigt neue und noch hĂ€rtere Massnahmen aus Sicht der Polizeibeamten nicht. «Entscheide von solcher Tragweite mĂŒssen zwingend faktenbasiert sein», heisst es auf Seite zwei.
Ausserdem nennen die Verfasser relevante wissenschaftliche Fakten, die bei Bedarf jederzeit nachgereicht werden könnten. Die Namen der Polizeibeamten findet man im Brief und auch auf der Webseite nicht â aus verstĂ€ndlichen GrĂŒnden. Zahlreiche Ărzte und Lehrer wurden in der Schweiz wegen ihrer öffentlichen Meinung politisch motiviert entlassen und/oder medial an den Pranger gestellt (wir berichteten). Einem derart hohen psychischen und wirtschaftlichen Druck will und kann sich nicht jeder aussetzen.
Weiter schreiben die Polizeibeamten in ihrem Brief an den Berufsverband:
«Wir beobachten zunehmend negative Entwicklungen innerhalb der Gesellschaft, insbesondere im direkten Kontakt mit der Bevölkerung. Auch als Privatpersonen sind wir betroffen, als VĂ€ter und MĂŒtter, BrĂŒder und Schwestern, Söhne und Töchter. Die GrundrechtseinschrĂ€nkungen in diesem Ausmass und ĂŒber den bisherigen Zeitraum sehen wir im Widerspruch zur VerhĂ€ltnismĂ€ssigkeit und dem höchsten Gut einer Demokratie: Der Freiheit. Es drĂ€ngen sich immer mehr die Fragen auf, was diese EinschrĂ€nkungen rechtfertigt. Diese Fragen mĂŒssen beantwortet werden.»
«Wir fĂŒr Euch» wolle proaktiv Einfluss nehmen, damit der Gesamtbundesrat Stellung zu drĂ€ngenden Fragen nehmen und diese beantworten mĂŒsse. Polizistinnen und Polizisten seien zum Schutz der Bevölkerung da. Wenn jedoch die Gefahr bestehe, dass repressive Massnahmen den Interessen der mĂŒndigen Allgemeinheit zuwiderlaufe und deren Grundrechte unverhĂ€ltnismĂ€ssig beschneide, seien viele Polizeibeamte nicht mehr gewillt, diese weiter umzusetzen.
Die Vereinigung verlangt vom Berufsverband ein klares Bekenntnis zum freien Willen in Bezug auf die Gen-Impfung: «Es darf keinen Zwang zu einer solchen geben. Weder direkt im Sinne eines Impfobligatoriums gemĂ€ss Epidemiengesetz, noch indirekt durch das Verbot oder die EinschrĂ€nkung gewisser polizeilicher Funktionen und TĂ€tigkeiten». Zudem soll der Verband eine Umfrage bei seinen Mitglieder machen â im Sinne einer BedĂŒrfnisanalyse.
Weiter fordern sie vom Verband, er solle beim Gesamtbundesrat Antworten auf ungeklÀrte Fragen verlangen.
Im Antwortbrief des VSPB, unterzeichnet von PrĂ€sidentin Johanna Bundi Ryser und GeneralsekretĂ€r Max Hofmann wird hingegen keine Stellung auf die mögliche Impfpflicht genommen. Vielmehr hĂ€tten die vom Volk gewĂ€hlten Politiker im «Wissen um ihre Verantwortung» Massnahmen ergriffen. Der Verband könne sich nicht anmassen, die Entscheide der Politik zu analysieren. Der VSPB halte fest, dass sich die Mitglieder der Lage gewachsen und gegenĂŒber dem Arbeitgeber und der FĂŒhrung loyal gezeigt hĂ€tten. Woher der Verband das weiss, schreibt er jedoch nicht.
Der VSPB ist vielmehr der Meinung, dass eine Umfrage nicht im Sinne der Sache des Verbandes sei: «Aus unserer Sicht ist im Moment eine unnötige Unruhe nicht die richtige Antwort auf die Problematik». Wieso eine Umfrage unter Verbandsmitgliedern als «Unruhe» bezeichnet wird, erklÀrt der VSPB ebenfalls nicht.
Auch beim geforderten Fragekatalog an den Gesamtbundesrat sieht sich der Berufsverband nicht in der Pflicht: «Eure Anfrage, den Gesamtbundesrat zu den aufgelisteten Punkten einzuvernehmen, scheint uns hier zu weit zu gehen und wĂŒrde auch unsere Kompetenzen ĂŒberschreiten», so die ausflĂŒchtige Antwort.
Die Anfrage der besorgten Polizeibeamten sei die einzige, die beim Verband bisher eingegangen sei: «Sollte dies eure Forderung bleiben, dann muss statuarisch bedingt der Zentralvorstand der GeschÀftsleitung einen konkreten Auftrag erteilen», heisst es. Kurz gefasst: Wenn der Zentralvorstand, bestehend aus 27 Mitgliedern aus verschiedenen Kantonen, den Auftrag nicht erteilt, passiert beim VSPB in dieser Sache nichts.
Beim GeneralsekretĂ€r Max Hofmann, der ĂŒber die grösste Exekutivmacht im Polizeibeamtenverband verfĂŒgt, besteht gemĂ€ss der journalistischen Nonprofit-Organisation «Lobbywatch» eine klebrige NĂ€he zu Parteiinteressen der Sozialdemokratischen Partei SP. Namentlich zur SP-NationalrĂ€tin Priska Seiler-Graf und zu Lelia Hunziker, PrĂ€sidentin des Verbandes des öffentlichen Dienstes VPOD, die gleichzeitig GrossrĂ€tin der SP im Kanton Aargau ist.
Quelle: Lobbywatch.ch
Seiler-Graf war mit den Lockerungsschritten des ZĂŒrcher Regierungsrates nie zufrieden, wie sie anlĂ€sslich einer GesprĂ€chsrunde bei TeleZĂŒri mit dem SVP-Nationalrat Franz Ruppen Mitte Dezember 2020 selber sagte. In aufgeregter Manier behauptete sie, dass es in der Westschweiz nur deshalb weniger «Fallzahlen» gebe, weil dort hĂ€rtere Massnahmen durchgesetzt worden seien. Zudem sprach sich Seiler-Graf auch fĂŒr die Schliessung von Skiegebieten aus: «Ich glaube, die Forderung nach der Schliessung von Skigebieten macht aus epidemiologischer Sicht Sinn», sagt sie ab Minute sechs des aufgezeichneten GesprĂ€chs.
Doch bereits im MÀrz 2018 machte der GeneralsekretÀr Hofmann Schlagzeilen: Im Zuge der drohenden VerschÀrfung des Waffenrechts in der EU habe sich Hofmann zusammen mit der SP politisch geÀussert. So wird ein Polizist und Verbandsmitglied von der Basler Zeitung zitiert:
«Mit Befremden musste ich zur Kenntnis nehmen, dass sich der Verband der Polizeibeamten zu einem politischen GeschÀft Àussert.»
Und dies, obwohl der Verband gemĂ€ss den eigenen Statuten politisch absolut neutral sein mĂŒsse.
TatsÀchlich regeln die Statuten des VSPB (Art. 2, Zweck), dass der Polizeibeamtenverband politisch völlig neutral sein muss und ausschliesslich die beruflichen und gewerkschaftlichen Interessen der Polizisten zu wahren hat.
Die Ăusserungen des GeneralsekretĂ€rs im Verbund mit der SP, dem evangelischen Frauenbund und einer Vereinigung von Psychiatrie-Ărzten, hĂ€tten den Polizisten wĂŒtend gemacht. Denn er und viele seiner Kollegen seien trotz Verbandsmitgliedschaft nie gefragt worden, wie sie zur «drohenden VerschĂ€rfung des Waffenrechts im Zusammenhang mit der EU-Richtlinie» stĂŒnden. So habe es der Polizist der Verbandsspitze in Luzern mitgeteilt. Ăhnlich hĂ€tten sich auch andere Polizeibeamten geĂ€ussert.