Horst D. Deckert

CS-Debakel: USA und Frankreich haben «Schweizern die Hölle heiss gemacht»

Mittlerweile kommen immer mehr Details ans Licht im Zusammenhang mit der CS-Übernahme durch die UBS. Während die Nationalbank (SNB) in den letzten Tagen vor dem CS-Debakel gegenüber der Öffentlichkeit noch gute Miene zum bösen Spiel machte, wurden hinter den Kulissen bereits die Weichen gestellt.

Am Donnerstag hatte die SNB noch erklärt, dass sie bereit sei, der CS 50 Milliarden Franken zu leihen. Dabei waren bereits am Mittwoch die Übernahmepläne weit fortgeschritten, wie die Financial Times (FT) in einer ausführlichen Recherche berichtet, die aufzeigt, wie die UBS die CS zur Übernahme zwang – dank mächtigen Unterstützern aus Finanzwirtschaft und westlichen Behörden.

Bereits am vergangenen Mittwoch hatten Gespräche zwischen Vertretern der Nationalbank, Finanzmarktaufsicht (Finma), der Finanzministerin Karin Keller-Sutter und dem CS-Verwaltungsratspräsidenten Axel Lehmann stattgefunden. Und die «Dreifaltigkeit», wie die FT das Trio aus SNB, Finma und Keller-Sutter bezeichnet, gab da den Tarif durch. Dazu die FT:

«An der gleichen Sitzung, an der sie die 50 Milliarden Franken für den Backstop genehmigten, verkündeten sie auch eine weitere Botschaft: ‹Ihr werdet mit der UBS fusionieren und dies am Sonntagabend vor der Eröffnung des Asiengeschäfts bekannt geben. Das ist keine Option›, erinnert sich eine mit dem Gespräch vertraute Person.»

Auftrag an UBS

Am Donnerstag-Nachmittag hätten die drei Schweizer Behörden dem UBS-Verwaltungsratspräsidenten Colm Kelleher aufgetragen «eine Lösung zu finden, um das angeschlagene Unternehmen vor dem Konkurs zu retten», so die FT.

Eine Option, die ebenfalls im Raum stand, lautete: BlackRock, der grösste Vermögensverwalter der Welt, übernimmt die CS. «Aber das war nicht das, was die Schweizer Regierung wollte», sagt eine Person, die mit der Angelegenheit direkt vertraut ist gegenüber der FT.

Beide Seiten zogen im Zuge der Verhandlungen Berater zu Rate. Auf der Seite der UBS war dies die US-Bank Morgan Stanley. Dort arbeitete Kelleher mehr als zwei Jahrzehnte in höchsten Positionen.

Im Rahmen der Verhandlungen bezeichnete die UBS die CS «Cedar», sich selbst nannte man «Ulmus». Die CS-Spitzen gaben sich den Namen «Como», die UBS war «Geneva».

Eine Schlüsselfigur während den Verhandlungen: Karin Keller-Sutter. Die Finanzministerin handelte offenbar in enger Absprache mit London und Washington. Laut der FT habe sie sich stets mit ausländischen Beamten und Regulierungsbehörden in den USA und Europa abgesprochen:

«Sie stand unter extremem Druck von Seiten der globalen Regulierungsbehörden, die ein schnelleres und entschiedeneres Handeln gefordert hatten, um eine Panik auf den Märkten zu verhindern.»

Ton wurde aggressiver

Die FT weiter: «Vor allem die USA und die Franzosen ‹haben den Schweizern die Hölle heiss gemacht›, so einer der Berater der UBS. Janet Yellen, die US-Finanzministerin, hat am Wochenende mehrere Gespräche mit Keller-Sutter geführt. Die Verhandlungen über das Geschäft verliefen zunächst ‹recht freundlich›, doch im Laufe der Zeit wurde das Dreiergespann immer aggressiver und drängte auf eine Transaktion, gegen die sich die Credit Suisse vehement wehrte.»

Während der heissen Phase seien die UBS-Spitzen zwischendurch schlicht nicht erreichbar gewesen. Sie hätten mit Email-Problemen zu kämpfen gehabt, schreibt die FT.

«Aus Frustration über die mangelnde Kommunikation seitens der UBS beschloss Lehmann, stattdessen einen Brief an Kelleher und die Schweizer Behörden zu schreiben», so die FT. Der Brief sei von Markus Diethelm, dem Anwalt, der zuletzt von der UBS zur CS gewechselt hatte, verfasst worden. Weiter die FT:

«Lehmanns Communiqué enthielt auch eine Drohung. Er schrieb, dass die drei grössten Aktionäre der Credit Suisse – darunter zwei aus Saudi-Arabien und einer aus Katar – ihr ‹extremes Unbehagen› über die Undurchsichtigkeit des Geschäfts zum Ausdruck gebracht hätten. Sie verlangten einen fairen Preis, eine Abstimmung über das Geschäft und die Streichung aller Ausstiegsklauseln. In dem Schreiben wurde auch darauf hingewiesen, dass die Saudis und Kataris Grosskunden beider Banken sind.»

Verärgerte Saudis

Verärgert über das Angebot seien besonders die Aktionäre aus Saudi-Arabien gewesen. «Man macht sich über Diktaturen lustig, und dann kann man am Wochenende das Gesetz ändern. Was ist jetzt der Unterschied zwischen Saudi-Arabien und der Schweiz? Das ist wirklich schlimm», sagt eine Person aus dem Umfeld eines der drei Grossaktionäre.

Als Reaktion auf das Communiqué habe Kelleher am Samstagabend den CS-Spitzen telefonisch mitgeteilt, dass die UBS bereit sei, die Bank für eine Milliarde zu übernehmen – und zwar für 0,25 Franken pro Aktie, also weit unter dem Schlusskurs von 1,86 Franken vom Freitag. Die Regierung teilte der Credit Suisse daraufhin mit, dass sie Notrecht einführen werde, um beiden Aktionärsgruppen das Stimmrecht zu entziehen.

Über das Angebot der UBS seien die CS-Spitzen empört gewesen. Die UBS sei daraufhin aufgefordert worden, ihren Preis zu erhöhen. Die Bank stimmte widerwillig zu und erhöhte das Angebot schliesslich auf 3,25 Milliarden.

Im Gegenzug handelte sie sich jedoch mehr staatliche Unterstützung aus, darunter eine Liquiditätslinie der SNB in Höhe von 100 Milliarden Franken und eine staatliche Verlustgarantie von bis zu 9 Milliarden Franken. Nun war der Deal perfekt.

Journalist Lukas Hässig, der ebenfalls über die FT-Enthüllungen berichtete, vergleicht die Rolle des CS-Kapitäns Lehmann mit derjenigen von Mario Corti, der an der Spitze der Swissair sass während ihres Groundings 2001. «Der Zürcher (Lehmann), der eben noch 3,2 Millionen Franken erhielt für seine Leistung, hat das Potenzial zum neuen Mario Corti.» Und weiter:

«Lehmann, seit 14 Monaten auf der CS-Kapitänsbrücke, vermeintlich gestählt von langen Jahren zuvor in den obersten operativen Gremien der Zürich-Versicherung und der UBS, im Ruf eines versierten Risk-Managers stehend: Er schreibt … einen Brief. Die Titanic ist hoffnungslos leck, das Wasser hat das Unterdeck geflutet, bald reisst es den Kapitän mit. Filmreif. Netflix. Lehmann sollte sich dort selber spielen. Es wäre die Rolle seines Lebens.»

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