Horst D. Deckert

Davos ist nicht immer eine Reise wert

Anmerkung der Redaktion: Der Leser fragt sich womöglich: Weshalb gerät plötzlich Südafrika in den bissigen Fokus des Kabarettisten und Kommentators Marco Caimi? Die Antwort ist einfach: Caimi befindet sich gerade dort.

Nach der Covid-19-Pandemie und zwei zerstörten Tourismus-Saisons, u.a. durch eine völlig unbedeutende Omikron-Variante, kämpft Südafrika erneut gegen eine Pandemie. (…)

Das Land kämpft gegen etwas, das sein müsste, aber oft nicht ist: Es kämpft gegen tägliche, mehrstündige Stromausfälle und für eine Stromversorgung, die dergestalt wie sie sich jetzt präsentiert, alles gefährdet, was das Zusammenleben einer modernen Gesellschaft ausmacht. (…)

  • Die Wirtschaft generell, im Speziellen aber stromintensive Industrien wie Bergbau, technische Fertigungen und Landwirtschaft
  • Klein- und Mittelbetriebe sind am meisten bedroht, weil sie oft die Investitionen in Generatoren nicht vermögen, schon gar nicht nach der Pandemie
  • Wasseraufbereitung und -versorgung
  • Sicherheit (Strassenbeleuchtung, Alarmanlagen)
  • Medizinische Versorgung, insbesondere die öffentlichen Spitäler
  • Bildung
  • Ausländische Investitionen
  • Währungsstabilität

Grund genug also für Präsident Cyril Ramaphosa, Spitzname Rama Soft, die Reise zum WEF abzusagen. Gegen seine grösstenteils korrupten Parteikameraden des regierenden ANC (Afrikan National Congress, gegründet vor 111 Jahren, am 23. Januar 1912) kann er sich kaum je wirklich durchsetzen. Dafür erhielt er während seiner WEF-Abwesenheit Besuch von König Charles III.

Aber was wie ein Verzicht aussieht, dürfte für das geplagte Oberhaupt Südafrikas ein Glück gewesen sein.

Was hätte denn Ramaphosa für ein Bild vom aktuellen Südafrika malen sollen? Etwa das Bild eines Landes, das ideal wäre, um das Ganze auf der Welt herumstreunende Geld anzulegen?

Der Verzicht aufs WEF hat auch Vorteile: Er muss keine peinlichen Erklärungen mehr abgeben, warum der ANC (…) das Land an den Rand des Ruins gebracht hat? Keine Ausrufe mehr wie:

«Wir lechzen förmlich nach Investments! Kommt nach Südafrika mit all euren Säcken voller Geld! (…) Ihr könnt grossartige Profite machen – vielleicht … okay, wir haben bisher noch nicht soooooo viel gemacht, um die Pandemie der Korruption zu bekämpfen, die unser Land auf die Knie gezwungen hat … etwa 9000 dieser heftigen Fälle sind bei der spezialisierten Staatsanwaltschaft (National Prosecuting Agency) hängig. Aber wirklich, alles braucht halt seine Zeit … auch ich, Rama Soft, bin jetzt doch schon einige Jahre im Amt. Meine Jahre als Vizepräsident unter Präsident Jacob Zuma gar nicht gezählt, die ich vor allem damit verbracht habe, seinen Allerwertesten zu … Ihr wisst schon.

Aber immerhin haben wir jetzt einigen korrupten Elementen, die im Sold der indischen Clan-Familie Gupta standen (…) den Prozess gemacht, aber auch das braucht Zeit. Wisst Ihr, in Afrika sagt man zu euch: ‹You have the money, but we have the time!› Also seid bitte geduldig. Schaut, wie lange hat es gedauert, um den schlimmsten Präsidenten, den Honourable Jacob Gedleyihlekisa Zuma, vor ein Gericht zu bringen. Wir machen das alles mit ANC-Time, unsere eigene Zeitwährung, denn was lange währt, wird bekanntlich gut – oder existiert dann einfach mal nicht mehr. Dann sagen wir ganz ruhig: ‹Oh is it? Let’s make a plan!›»

Das alles ist dem bedauernswerten Rama Soft erspart geblieben. Auch seine geplante Bitte um energetische Entwicklungshilfe musste er nicht aussprechen:

«Ja, bitte, bitte – wir brauchen Milliarden, um unsere Stromversorgung zu erneuern. Ich weiss, wir sollten mal einen Blick auf unsere Kraftwerke werfen, die im Durchschnitt 45 Jahre alt sind und kaum je gewartet wurden. Ja, ich weiss. Wir sind das Land auf der Welt, dessen Energieversorgung am meisten von Kohle abhängt. Ja, peinlich, dass die auch noch oft geklaut wird, ebenso wie technische Bestandteile bei unseren Powerstations. Ja, ich weiss, wir hätten unsere Energieversorgung etwas näher ans 21. Jahrhundert heranbringen sollen. Aber gerade darum brauchen wir jetzt eure Milliarden, denn unsere staatlich monopolisierte Stromgesellschaft Eskom hat nicht mal mehr Geld, um Diesel für Stromgeneratoren zu kaufen. Aber was soll ich denn tun? Ich muss die Sache in der Hand unseres verdienten Energieministers aus meiner ANC-Partei lassen, Gwede Mantashe. Böse Zungen nennen ihn wegen den vielen Stromausfällen unverständlicherweise auch schon einmal ‹Lord of Darkness›, der kümmert sich darum. Warum ich ihn nicht entlasse?

Äh …, öh …, hmmm, ich mag ihn einfach, lieber Kerl, hat mir damals auch sehr geholfen, Zuma abzusetzen und mich zum Präsidenten zu machen. Das vergisst man nicht einfach. Undank ist aber eben der Welten Lohn. Nicht so bei mir, Rama Soft! Und überhaupt, wenn ein Schwarzer Eskom als CEO führen würde und nicht dieses Bleichgesicht André de Ruyter, wäre alles gut. Aber es ist ja seine Idee, die Kraftwerke immer wieder abzustellen, um sie zu warten. Darum haben wir Stromausfälle. Wir haben ihm nahegelegt zu kündigen, aber er wollte nicht. Darum haben wir etwas nachgeholfen, mit Cyanid, der in seinem Kaffee gelandet ist, aber der Mistkerl hat es überlebt. Als Widergutmachung habe ich ihm im Namen des ANC eine luxuriöse Jura-Kaffeemaschine geschenkt. Nein, nicht aus dem Parteibudget des ANC. Ich bin doch nicht korrupt, für solche Ausgaben haben wir die Steuerzahler! Aber ein bisschen blöd ist es halt schon, denn allzu oft kann er die tolle Kaffeemaschine nicht brauchen, die braucht halt auch – Strom … Mist. Ob er deshalb zum 31. März 23 gekündigt hat. Nachfolger? Nein, haben wir noch nicht, aber es sind ja noch zwei volle Monate … Let’s make a plan».

Vielleicht denken jetzt einige der geneigten Leser: Irgendwie aber trotzdem schade, dass Südafrika am WEF nicht auf seine Probleme aufmerksam machen konnte. Keine Bange. Südafrika war natürlich durch eine Delegation vertreten. Der Anführer war Finanzminister Enoch Godongwana.

Er äusserte sich zuversichtlich: Bis in zwei Jahren (!) würden die Blackouts in Südafrika der Vergangenheit angehören. Über diese Aussage lacht man nur in Südafrika. Aber nach diesem Statement hatte die südafrikanische Delegation etwas zu feiern und man schmiss eine opulente Party.

Lesen wir, was der Journalist des südafrikanischen Daily Maverick, Tim Cohen, geschrieben hat:

«Anstelle eines ernsthaften Fachgesprächs oder eines klagenden Plädoyers für Investitionen tat die südafrikanische Delegation auf dem Weltwirtschaftsforum das, was das Land am besten kann: Sie schmiss eine Party. Der Wein floss in Strömen, das Meeresfrüchte-Curry war lecker, es gab eine Band, es gab Musik, es wurde getanzt. Alle hatten ihren Spass. Und die ganze Zeit über knirschten die Südafrikaner zu Hause mit den Zähnen wegen eines Stromausfalls, der 2023 einfach explodiert ist.»

Eskom bleibt bei all dem Desaster aber total cool: Per 1. April 23 (kein Scherz!) erhöhen sie die Strompreise um 18,5 Prozent, per 1. April 2024 nochmals um 12,5 Prozent. Preiserhöhungen für etwas, das selten geliefert wird … alle Achtung!

Zum Schluss noch zwei Quizfragen: Was bedeutet AC/DC? Antwort: Alternating Current/Direct Current (Wechselstrom bzw. Gleichstrom) Was bedeutet ANC? Absolut No Current …

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Dies ist der leicht gekürzte Newsletter von Marco Caimi, Arzt, Kabarettist, Publizist und Aktivist. Aus Zensurgründen präsentiert er seine Recherchen nebst seinem YouTube-Kanal Caimi Report auf seiner Website marcocaimi.ch. Caimis Newsletter können Sie hier abonnieren.

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