Horst D. Deckert

Indien wehrt sich gegen Stigma: „Indische Virus-Mutante gibt es nicht“

Immer öfter wehren sich Regierungen gegen die Bezeichnung von Virus-Mutanten mit ihren Ländernamen. Nach Südafrika jetzt auch Indien. Der Begriff „Indische Mutante“ sei unbegründet, er werde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch nicht unter diesem Namen geführt, beklagt die Regierung und fordert die sozialen Medienplattformen in einem Schreiben auf, Inhalte mit dieser Bezeichnung umgehend zu löschen. 

  • Geringe prozentuale Sterblichkeit im Vergleich mit hoher Gesamtbevölkerung – Indien wehrt sich gegen Brandmarkung als Sündenbock
  • Warum galt „China-Virus“ als rassistisch, „Indien-Mutante“ aber nicht?
  • WHO will neutrale Mutationsbezeichnungen einführen – unklar, ob Problem gelöst

von Kornelia Kirchweger

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Indien wehrt sich gegen Stigmatisierung

Das Schreiben ging vom indischen Ministerium für Informationstechnologie am 21. Mai d.J. aus und ist vom Gruppenkoordinator für Cyber-Gesetze und E-Sicherheit unterzeichnet. Auch das indische Gesundheitsministerium wies in einer früheren Pressemeldung darauf hin: einige Medienberichte würden die Virusklasse  B.1.617 als „Indische Variante“ bezeichnen. Dafür gebe es keine Grundlage. Indien hat 1,36 Mrd. Einwohner. Davon verstarben in über einem Jahr 307.000 Menschen mit oder an Corona, das sind 0,02 Prozent der Bevölkerung.

Bei Trump hielt man Begriff „China-Virus“ für rassistisch

Als eine spezielle Virus-Variante in Südafrika entdeckt wurde, ersuchte die dortige Regierung die WHO, eine neutrale Bezeichnung dafür zu finden. Sie lautet B.1.3512, basierend auf ihrer genetischen Sequenz. Medien und Politik sprechen weiterhin vom „Südafrika-Virus“. Das lässt sich besser kommunizieren.

Kritisiert wurden sie dafür bisher nicht. Ex-US-Präsident Donald Trump hingegen schon, als er das Corona-Virus als „Chinesisches Virus“ bezeichnete. Man brandmarkte ihn dafür als „Hetzer“ und „Rassist“. Die linken Demokraten schieben ihm nun sogar die steigenden Übergriffe auf asiatisch aussende Menschen in den USA in die Schuhe.

Und trotz der Proteste aus Indien reden auch im deutschsprachigen Raum Gesundheitsexperten und Politiker weiterhin von der „gefährlichen indischen Variante“ – ohne dafür als „Aufwiegler“ bezeichnet zu werden.

WHO will durch neue Namensgebung neutralisieren

Um eine Stigmatisierung durch geographische Namensgebungen zu verhindern, und den Fleckerlteppich von Bezeichnungen für Wissenschaftler zu vereinheitlichen, arbeitet die WHO seit Anfang Jänner an einer Standardisierung für die Bezeichnung von Corona-Virus-Mutanten.

Nach Angaben des Chef-Wissenschaftlers der WHO, Soumya Swaminathan, soll das System bald zur Anwendung kommen. So könnte die neue Namensgebung etwa erhöhte (oder geringere) Bedenken in Bezug auf eine bestimmte Variante reflektieren – wie ein Ampelsystem. Ob damit das Problem gelöst ist, steht in den Sternen.

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