Horst D. Deckert

Jonas Projer, des Bundesrats getreuer Terrier?

Bundesrat und Gesundheitsminister Alain Berset ist ein wahrer «Tigrillo» – eine Tigerkatze, wie er sich auf seinen virtuellen Eroberungszügen nannte (Corona-Transition berichtete). Dies zeige eine Recherche des Journalisten Peter Hossli (NZZ am Sonntag, NZZaS) über die Seitensprünge Bersets. Nach über einem Jahr Arbeit habe NZZaS-Chefredaktor Jonas Projer die Veröffentlichung der Story verhindert, schreibt Kurt W. Zimmermann in der Weltwoche.

Laut Zimmermann drehte sich die Story «um einen Mann in einer Machtposition und um die Frage, ob er diese Position für sexuelle Abenteuer nutzte». Hossli sprach mit mehreren Frauen, die offenbar intime Beziehungen zum verheirateten Berset unterhielten, so eine Diplomatin, eine Bundesverwaltungs-Angestellte und eine Journalistin. Bislang war lediglich die aussereheliche Affäre mit einer Künstlerin bekannt, auf die Berset laut Weltwoche Druck ausübte und dafür seinen Stab instrumentalisierte, nachdem er sich erpressbar gemacht hatte. Hosslis Recherchen zufolge verbrachte Berset mit der Künstlerin ein Liebeswochenende in Deutschland, wo er sich mit der Staatslimousine abholen liess (siehe Artikel NZZaS, 18.09.2021).

Projers staatsnahe Haltung

Im Herbst 2021 sei Hosslis Berset-Story mit den weiteren Affären dann publikationsreif gewesen. Während Hossli und Michael Furger, Leiter des Hintergrund-Ressorts, auf die Veröffentlichung des Artikels drängten, habe Projer geblockt. Er habe auf Nachfrage von Zimmermann gesagt, es sei ihm unbekannt, dass es eine Berset-Story gegeben habe. Gegen Ende 2021 sei nach internen Zwistigkeiten die Berset-Story von Projer definitiv gestoppt worden. Eine klare Begründung dafür habe es nicht gegeben, so Zimmermann.

Projer war vor seiner Zeit bei der NZZ beim SRF und bei Blick TV (Ringier) beschäftigt. Beides Medienhäuser, die während der Coronakrise durch augenscheinliche Nähe zur Regierung aufgefallen sind, besonders Ringier (Corona-Transition berichtete).

Unvergessen ist auch Projers Disput mit dem Historiker Daniele Ganser in der SRF-Sendung «Arena» über die Glaubwürdigkeit der Medien vom 24. Februar 2017. Nach der Sendung gingen rekordhohe 492 Beanstandungen bei der Ombudsstelle ein. Diese sah die journalistische Sorgfaltspflicht bei Projer während der Sendung mehrfach verletzt.

Medien zerstören ihre Glaubwürdigkeit

Sollte es tatsächlich zutreffen, dass Projer die Publikation von Hosslis Recherche verhindert hat, so wäre dies nach Ringier-CEO Marc Walders Einschwörung der Medien auf Regierungskurs (siehe hier, hier und hier) innert kurzer Zeit ein weiterer skandalöser Fall, der die Glaubwürdigkeit der Medien zerstört: Wieder wird Kritik gegenüber der Regierung – in diesem Fall in der Person von Berset und seiner Rolle als Gesundheitsminister in der Corona-Krise – nicht nur ausgelassen, sondern unterdrückt, mitunter aus persönlichen und finanziellen Interessen.

Indem sich die Medien in Kameraderie statt kritischer Distanz üben, untergraben sie zunehmend ihre Rolle als vierte Gewalt (Corona-Transition berichtete). Indessen spielen Medienhäuser wie Ringier und die NZZ-Mediengruppe lieber Bittsteller beim Staat und weibeln mit dem Mediengesetz für Steuermillionen, um die Regierung dann wie während der Coronakrise mit Sandhandschuhen – oder noch besser: gar nicht – anzufassen. So lässt sich mit Milosz Matuschek fragen: «Sorry, liebe Journalistenkollegen: Wofür genau wollt ihr jetzt mehr Geld vom Staat?»

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