Horst D. Deckert

Jugendliche wüteten in St. Gallen

Gewaltexzesse sind nicht tolerierbar. Soviel sei klargestellt. Die zunehmende Entladung extremer Gemüter bei Ereignissen wie Freitagnacht in St. Gallen, wo Dutzende Protestierende verhaftet wurden, geben dennoch Anlass zu einigen Feststellungen.

Diese Entwicklung war leicht vorauszusehen: Die zunehmende Ungleichheit – und zwar auf sämtlichen gesellschaftlichen Ebenen, nicht nur der ökonomischen. Wen wundert’s da, dass es Proteste gibt?

Eine schon länger bestehende Problematik, die sich nun eklatant zeigt, ist die zunehmende Entfremdung zwischen Bundesrat und Volk. Während die Regierung Konzerne mit zig Milliarden Franken unterstützt, müssen viele Kleinbetriebe Konkurs anmelden.

Viele sind der Meinung, die Jugend sei verwöhnt und solle sich nicht so echauffieren über ein paar Wochen ohne Clubs und Feiern. Das ist kurzsichtig. Es geht auch um Ausbildungsplätze, um berufliche Perspektiven, die gerade vernichtet werden. Auch hier: Wen wundert’s, dass es Proteste gibt? So kann man sich wie Reza Rafi vom SonntagsBlick in seinem Editorial vom 4. April 2021 fragen:

Wann hat die Regierung den Jungen je die Hand ausgestreckt?

Stattdessen übt sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Kitten des helvetischen Filzes durch Postenzuschanzen, sodass Parteigenosse Christian Levrat nun Verwaltungsratspräsident der Post wird. Reza Rafi:

Der existenzbedrohte Pöbel soll die Corona-Regeln befolgen und darf sich zur Unterhaltung mit den Twitter-Aktivitäten des Arena-Moderators und sonstigen Staffagen beschäftigen. Postenschacher für die Eliten, Brotz und Spiele für das Volk. Das ist kein Rezept gegen die Eskalation.

Die bundesrätliche Governance-Attitüde entspricht nicht den Gepflogenheiten des eidgenössischen Politikverständnisses und wirkt eher als Brandbeschleuniger. Das verfassungsgegebene Subsidiaritätsprinzip, nach dem auch die Kantone stark in die Pandemiepolitik einbezogen werden müssten, wird durch eine Top-Down-Regierung ersetzt. Die Proteste in St. Gallen sind Ausdruck dieser tieferliegenden Fehlentwicklungen.

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